Gunter Weißgerber / 28.11.2016 / 06:10 / Foto: ZooFari / 2 / Seite ausdrucken

SPD, CDU und die Büchse der Pandora



2013 war die bundespolitische Welt noch halbwegs prognostizierbar. Die Bundestagswahlen hatten mit der Union eine klare Siegerin und dem FDP-Abgang aus dem Bundestag eine ebenso klare Verliererin hervorgebracht. Die SPD bewies unter Führung Sigmar Gabriel Haltung und stand vor dem Hintergrund ihres eigenen großen Anteils an der bundesrepublikanischen Erfolgsgeschichte zu ihrer staatstragenden Verantwortung, ging folgerichtig in die große Koalition. Wohlwissend, dass mit einem Bündnis von SPD, Grünen und der Antiwest- und Antibundesrepublikpartei Die Linke Europas einflussreichster Staat nicht zu regieren war. 



Dieser richtigen Entscheidung folgte ein stark nachwirkender Fehler. Die Zustimmung der vielen innerparteilichen Kritiker der großen Koalition wurde mit dem folgenschweren und der SPD nicht angemessenen Leipziger Bundesparteitagsbeschluss vom November 2013 erkauft. 
„Lasst uns jetzt die große Koalition machen, 2017 bekommt ihr dafür Zug um Zug eure Sudelrot-Rot-Grüne Koalition auf Bundesebene“ – so würde ich die Strategie dahinter beschreiben.



Ausgerechnet in Leipzig, der Stadt der  Friedlichen Revolution gegen die reale Linksaußendiktatur von Moskaus Gnaden, war sich die SPD nicht zu schade, sich der Linksaußenpartei zu öffnen und damit einen Teil ihrer Freiheitsgeschichte in die Rumpelkammer zu verbannen. „Rumpelkammer“, weil man anlässlich von Jahrestagen immer mal was von Patina befreit, der Welt ausbreiten kann.

Infolge dieses schrägen Beschlusses wurde die Kampagne zur jetzigen Thüringer Koalition unter Führung der Linksaußenpartei ins Werk gesetzt und die bisherige politische Statik der Bundesrepublik nach links gekrümmt – eine Krümmung, die die deutsche Bevölkerung so nicht mitmacht. 


Der Deckel wurde nach links vom Topf geschoben. Nun entweicht unheimlich viel Dampf

Im Gesamtzusammenhang mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag und dem Merkelschen grünlinken Hinterherzerren der CDU ebenfalls nach links entstand eine große repräsentative Lücke im parlamentarischen System. 
Der Deckel wurde sozusagen nach links vom Topf geschoben. Nun entweicht Dampf, unheimlich viel Dampf. In Verbindung mit der Wirkung des temporär unsichtbaren Staates 2015 vermag ich den Linksrutsch der SPD und Merkels feuilletonbeklatschter Strategie zu Schwarz-Grün nicht anders zu bezeichnen wie das Öffnen der Büchse der Pandora. 



In einem offenen Brief an den SPD-Parteivorsitzenden schrieb ich im November 2013 unter anderem folgendes:


„Ungeachtet dieser schmerzvollen Geschichte entschied der jüngste SPD-Bundesparteitag in Leipzig, Kooperationen mit rechtsextremen Parteien und Anschauungen auszuschließen und im gleichen Atemzug kein Wort über die gleichen Gefahren am linken Rand unserer Gesellschaft zu verlieren. Diese demokratische Unschärfe ist so bemerkenswert wie bedenklich. …

Warum schreibe ich Dir dies alles? Weil ich sehe, dass die Partei, für die auch ich ein bisschen was riskierte, in ihrer Not, ein Wahlergebnis nicht annehmen zu wollen und in ihrem Drang, den Verhandlungspartner am möglichem Koalitionstisch die Waffenkammer zeigen zu sollen, in ihren Mitteln unanständig wird und wie der Zauberlehrling Geister ruft, die sie nie wieder wird bändigen können. …

Ihr habt eine mögliche Kooperation mit den sogenannten Linken dieser Republik fachlich konditioniert. Dies genügt nicht! Die innere Grundhaltung der Linken zu Extremismus, zu linken Terrorsystemen gilt es genauso zu hinterfragen.

Von den Rechtsextremen wollen wir doch auch wissen, wie diese Konsorten zu ihren Ahnherren Hitler, Goebbels und so weiter stehen. Uns ist überhaupt nicht egal, was diese Leute unterhalb ihrer „Sachpolitik“ an ideologischem Fundament mit sich rumschleppen.

Was ein führendes Mitglied der Linken von Lenin und dessen Antidemokratismus, von dessen Menschenverachtung und von dessen erheblichem Initialanteil zu millionenfachem Mord hält, dies spricht die SPD des Jahrgangs 2013 nicht an. Weil es unbequem und störend ist?

Ihr wollt der sich momentan Linke nennenden Partei mit euren Konditionen auf den Weg zu verantwortlicher Politik verhelfen? Dann helft Ihr doch auch nachdrücklich beim Loslassen inhumaner Ideologien. Diesen Schritt in die Zivilisation darf die SPD dieser Partei nicht ersparen.  …



Lieber Siegmar, die SPD spielt mit dem Geschick dieser Republik in unverantwortlicher Weise, wenn Sie den Linken durchgehen lässt, was sie den Rechten zu recht niemals durchgehen lassen wird. ..

Je stärker Ihr die Linke umgarnt, umso dünner wird es in der Mitte. Schändlich ist es ohnehin. …“



Soweit einige Auszüge aus meinem Brief an den SPD-Parteivorsitzenden. Inzwischen sind drei nicht nur für die SPD schwierige Jahre ins Land gegangen. In Thüringen bemüht sich die SPD deckungsgleich auf die Linksaußenpartei zu passen. Woher sie dabei die Hoffnung nimmt, der CDU und den Nichtwählern das Gros der Wählerstimmen abzuknöpfen, das wüsste nicht einmal meine Großmutter seligen Angedenkens zu beantworten.



Eine Dame im grünen Pelzmantel

Für 2017 geht niemand mehr davon aus, dass die SPD sich nicht mit Linksaußen im Bund einlassen würde. Das Thema ist gegessen und wird nicht nur der SPD noch lange schwer im Magen liegen. 
Die Union ihrerseits wird mit Frau Merkel keine glaubwürdige Umkehr zur CDU von 2013 hinbekommen. Auch das ist geschluckt und wird nicht nur der Union Magenkrämpfe bereiten.

Die CDU heute ist wie eine Dame im grünen Pelzmantel von der niemand weiß, wer drin steckt. 

Die Wahlen von 2016 dürften sich ähnlich in 2017 fortsetzen. Hier muss sich niemand als Prophet fühlen, es liegt klar auf der Hand.

Bleibt zu hoffen, dass das tiefblaue Auge, welches sich die Bundesrepublik 2017 durch das Versagen von SPD und CDU holen wird, nicht zur Erblindung führen wird. 

Ich für meinen Teil bin für diese und keine andere Bundesrepublik auf die Straße gegangen. Nicht links, nicht rechts, nicht islamistisch – einfach nur frei, demokratisch und sozial soll sie inmitten Europas sein.  



Alles sehen, dass sich derzeit eine Mure unbekannter Breite und Mächtigkeit aus dem bis 2013 solide scheinenden Grundvertrauen der Bundesbürger in ihre Wohlstandsinsel immer schneller löst. Ich habe den Eindruck, im Herbst 2017 stehen alle demokratischen Bundestagsparteien auf Reset beim Wahlvolk. Ich hoffe, ich irre mich.



Siehe auch globokult hier.

Gunter Weißgerber ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD (1990 - 2009) und gehörte in der DDR zu den Leipziger Gründungsmitgliedern der Partei

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Dietrich Herrmann / 28.11.2016

Und wenn ein SPD-Justizminister die volle Kontrolle bis in die Familien hinein tragen will, also erstklassige Gesinnungsschnüffelei anstrebt via Internet und auch sonst, so ist das nicht links (könnte man meinen wegen der dunkelrot geführten Stiftung) sondern äußerstes Rechtsaußen (wenn Sie wissen, was ich damit meine)! Damit auch SPD unwählbar.

Klaus Hentschel / 28.11.2016

Ich persönlich sehe zwischen Sozial-Demokraten und Kommunisten nicht so den großen Unterschied: Sozialisten ; eingeschworene Feinde einer freiheitlichen Marktwirtschaft sind sie allesamt. Nur allzu gut kann ich mich daran erinnern, wie es die SPD in Sachsen-Anhalt direkt nach der Wende gar nicht erwarten konnte, gemeinsam mit SED/PDS/Linke ins Bett zu springen. So hatte man wohl Willy Brandt verstanden, als er sagte: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört!“ Hatte doch die Geschichte der DDR einstmals mit einem ähnlichen spektakulären Gründungsakt begonnen, der dem Volk dort 40 Jahre Freiheit und Wohlstand garantierte. Selbst die Tatsache, dass damals das Opferblut der vielen Mauertoten noch deutlich auf der frischgewaschenen weißen Weste der Kommunisten zu erkennen war, störte meine „Genossen“ kein Stück. Da vermochte mein Einwurf wenig: „Wenn die Wähler und Wendeverlierer denn zu entscheiden haben zwischen denen, die den vorgeblich Reichen so viel Geld wegnehmen wollen, bis diese auch wieder arm sind und jenen, die gleich wieder alles allen wegnehmen und zum Volkseigentum machen wollen, besteht doch in der Tat die große Gefahr, dass die Leute gleich das ,Original’ wählen!“ Und so haben die freundlichen Sozis alles in ihrer Macht stehende getan, um den gerade bis auf die Knochen blamierten Kommunisten wieder zur Macht zu verhelfen. Bis zu dem Punkt, wo sie sich in Thüringen nicht entblödeten, einem ersten kommunistischen Ministerpräsidenten willfährig den Steigbügel zu halten! Ich konnte mir in den Anfangsjahren das Grinsen nicht verkneifen, bei dem Gedanken, dass die Wessis jeden Tag aus der Zeitung erfuhren, dass der Kommunismus (theoretisch) in der DDR wegen Unfähigkeit entlassen wurde, sie aber in echt erleben mussten, dass in ihren Kommunalparlamenten neben den altbekannten und vertrauten Parteien nunmehr auch fast überall die Kommunisten mitregierten! Es ehrt Herrn Weißgerber, dass er dies alles nicht gut findet. Kein Problem hätte er jedoch offensichtlich damit, wenn nach der Bundestagswahl 2017 z. B. die AfD auf 49 % der Stimmen käme und sich daraufhin die verdient abgestraften Wahlverlierer (die verbleibenden 51 %) zu einer Koalition bzw. zum “Pack(t) der aufrichtigen Demokraten” zusammenschlössen, um diese Republik für weitere vier Jahre zu verwüsten? Aber dies alles ist natürlich nicht das Problem des Herrn Weißgerber, der sich in 19 Jahren Bundestagstätigkeit einen Rentenanspruch erworben hat, für den seine ehemaligen Hauer-Kollegen aus dem Braunkohlentagebau Zwenkau wahrscheinlich 200 Jahre in die staatliche Rentenversicherung einzahlen müssten. Aber doch irgendwie immer wieder nett, von ihm auf der “Achse des Guten” zu lesen, was für eine tolle Arbeit die deutschen Sozialdemokraten in den letzten 30 Jahren geleistet haben. Man vergisst das viele Gute ja nur allzu schnell, was von dieser Seite kam ...

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