Sülze, was war das gleich noch mal? Wurst und alles, das so aussieht, als wäre es Wurst, in Gelee, ein Relikt aus der Nachkriegszeit. Alles, was nicht mehr weglaufen kann, kann man in Aspik einlegen. Kaninchen, Hunde, Männer. Bislang beschränken sich Menschen auf ausgesuchtes Fleisch, Wurst und buntes Gemüse, weil es so schön optimistisch aussieht im durchsichtigen Glibber. An abgefahrenen Orten wie zum Beispiel München kann man Sülze noch kaufen. Und erwischt man einen guten Metzger, schmeckt sie sogar. Das Leben gibt, das Leben nimmt.
Das muss auch Moritz, der Held des Buches „Sülze hilft gegen alles außer Heimweh“ (rororo, 320 Seiten, 8,99 Euro) erfahren, als der Kölner ein neues Leben in München beginnt, das abrupt endet, weil: Wie immer, die Frauen. Seine Karnevalsbekanntschaft Julia hat ihn vor die Tür gesetzt und der Metzgermeister Karl Wedl aus der Nachbarschaft nimmt ihn auf, nicht ganz uneigennützig, aber so sind die Menschen. Von Seite 1 an stolpert Moritz von einem Unglück in Form von Nebenjobs und Frauen zum nächsten, aber der Leser hat das tröstliche Gefühl, dass alles gut enden wird.
Das Buch hat ein bisschen etwas von einem altmodischen Arzt-Roman, dort geschehen auch immer schreckliche Dinge, Menschen verlieben sich, Katastrophen passieren, es wird eng für einige der Beteiligten, aber am Ende steht immer ein Happy-End. Jeder bekommt, was er verdient. Und die Bösen bekommen eine aufs Dach. Dem Helden des Buches bleibt bei all seinen Abenteuern sogar noch Zeit, das gebrochene Herz des Metzgers, dessen Frau vor einigen Jahren gestorben ist, zu trösten. Moritz muss viel einstecken, er kann aber auch austeilen. Als er als Oktoberfest-Bedienung Julia auf dem Schoß eines Unbekannten entdeckt, bombardiert er ihn logischerweise mit einem Hendl. So eine Wiesn-Bedienung hat schließlich nicht viel Auswahl und zur Verteidigung des Angreifers muss gesagt werden, dass er auch einen Bierkrug hätte nehmen können. Wir lieben die Bayern ja unter anderem auch für das Resolute, das aus ihnen spricht.
Moritz entscheidet sich für die Light-Variante. Die Wahl der Waffen erscheint der Geschäftsleitung allerdings unpassend und der Werfer wird umgehend entlassen. Gelegenheitsjob jagt im Sülze-Buch Gelegenheitsjob und immer hat der Metzgermeister mit der schmutzigen Schürze einen philosophischen Aufmunterungssatz für seinen Schützling, der bedauerlicherweise nicht Metzger werden will, parat. Und Geld und Bier und einen Schnaps. Moritz hat den Hang zum Versager und zum Chillen, rafft sich aber trotzdem immer wieder auf, um sein Leben in den Griff zu bekommen. Binnen drei Monaten probiert er sich in einigen sensationellen Berufen, vom Schwammerlverkäufer auf dem Viktualienmarkt (Verlangen Sie dort immer Reherl, niemals Pfifferlinge, wenn Sie ernst genommen werden möchten!) über Bierbike-Betreuer und Fremdenführer bis zum Museumswärter. Alles Jobs, mit denen man bei Facebook keine neuen Freunde aus der Sophisticate-Szene anlockt.
Ein paar Frauen kreuzen seinen Weg, aber keine ist wie Julia. Seufz. Wie im Arztroman, die Oberschwester himmelt auch so lange den Oberarzt an, bis sie alle Konkurrentinnen erfolgreich weggelächelt hat und sie in den Armen des Oberarztes liegt. Für immer und ewig.
Ich mag Bücher, bei denen man etwas dazulernt, seit ich das wunderbare Sülze-Buch gelesen habe, weiß ich, wie Glanz in die Wurst kommt: Einfach beherzt eine Handvoll Eis in die Wurstmaschine werfen! Nur einen philosophischen Satz von Karl Wedl, Metzgermeister, hab‘ ich nicht verstanden: „Wie man in die Wurst beißt, so beißt man auch ins Gras.“ Ich werde künftig verstärkt darauf achten, wie meine Mitmenschen Wurst essen. Danach werde ich noch mehr wissen. Hoffentlich.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de