Denke ich an Amsterdam, denke ich an eine zauberhafte Stadt mit vielen Fahrrädern, geheimnisvollen Keksen, entspannten Menschen, viel Freiheit für Gedanken, viel Kultur. Das Touri- und Hippie-Klischee, der Glaube daran, dass die schöne Stadt irgendwie ein besserer Ort ist als Berlin oder Wladiwostok.
Der Amsterdamer Bürgermeister indes hat andere Probleme. Menschen in seiner Stadt schikanieren Ausländer, Schwule und Lesben. Das gibt es leider fast überall in großen Städten, Tendenz zunehmend, weil die Hemmschwellen mit hoher Geschwindigkeit abnehmen. Die einen Politiker versuchen dann, Flughäfen zu bauen, andere widmen sich der Verbesserung der Kontakte zu den Partnerstädten. Die meisten Bürgermeister und Bürger sind angesichts dieser Probleme ratlos.
Eberhard van der Laan, ein Sozialdemokrat, ist es vermutlich auch, aber er hat zumindest eine Idee und wie immer klingt das in der Landessprache viel netter als die deutsche Übersetzung „Schikane-Ansatz“ – es heißt „Treiteraanpak“. Ab 2013 will er jene, die sich nicht an die Spielregeln halten, in Wohncontainer an den Stadtrand verbannen. Das klingt erst mal herzlos, aber wir müssen endlich auch einmal an die Opfer denken, denen Nachbarn weitgehend ungestraft das Leben zu Hölle machen. Bis sie frustriert wegziehen. Häufig wird ja eher an die Täter gedacht, die mit irgendeiner herzzerreißenden Begründung die Gesellschaft anklagen, dass sie am Ende doch nur selbst schuld ist, weil sie straffällig geworden sind.
Die Gutmenschen werden angesichts des Schikane-Ansatzes empört aufschreien, wo man doch alles mit fünf Tagen Sozialarbeit und ein paar warmen Worten, die man Tätern, die im Alter von fünf Jahren ihren Lieblingsteddy verloren haben und folgerichtig kriminell wurden, regeln kann. Im Klartext: Vom Tisch wischen kann, wie es den Opfern dabei geht, ist meistens nebensächlich. Denen redet man en passant eine Mitschuld ein und gut ist’s. Es ist ja immer einfach, vom Sofa aus gegen alles zu sein, so lange man nicht bedroht wird. Dann sieht die Sache nämlich in Windeseile ganz anders aus.
Der Amsterdamer Bürgermeister will, dass nicht länger die Opfer das Weite suchen, sondern jene wegziehen, die die Störenfriede sind. Natürlich nur vorübergehend, zum Nachdenken. Im Grünen, weg vom Stress der Stadt, man kann es durchaus auch positiv sehen. Natürlich fliegen dem Mann die Proteste um die Ohren, aber vermutlich kommen sie nicht von Homosexuellen, die bedroht wurden und auch nicht von Ausländern, die in Amsterdam ein friedliches Leben führen möchten und von bösartigen Artgenossen schikaniert werden. Die können sich per Internet oder Telefon an die Stadt wenden, diese rechnet mit ungefähr zehn Container-Gästen im Jahr.
Berlin ist riesig, Berlin hat viel Stadtrand, Berlin wäre eine wunderbare Teststadt für so ein Projekt, aber ich bin gar nicht sicher, ob die Stadt überhaupt noch einen Bürgermeister hat, man hört seit Monaten so wenig von ihm und wenn man etwas hört, dann ist es nicht gerade zum Abheben. Ich würde das alles nach Berliner Art ein wenig mildern: Entweder Container oder die Täter ziehen freiwillig um. Gerne hinter den Stadtrand, ganz weit hinter den Stadtrand, gerade Berlin hat da viel zu bieten. Umland bis zur Ostsee!
Natürlich ist der Amsterdamer Bürgermeister nicht böse, sondern auch lieb, denn vor dem Umzug gibt es Gespräche mit Tätern und Opfern, die der Deeskalation dienen sollen. Ich glaube zwar nicht, dass man Hass auf Ausländer und Homosexuelle mit Gesprächen wegtherapieren kann, aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. Das Containerprojekt ist also so etwas wie eine letzte Ausflucht. Ich bin für ein Abschaum-Probecamp. Gern mit medialer Begleitung, wie damals, im Container.
Siehe auch:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/amsterdam-will-abschaum-doerfer-am-stadtrand-bauen-a-873448.html
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de