Peter Grimm / 21.05.2017 / 17:49 / Foto: Mohammad Hassanzadeh / 14 / Seite ausdrucken

Sigmar Gabriel will mit Religionen Frieden schaffen

Der frühere SPD-Vorsitzende und heutige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel lädt zur internationalen Konferenz "Friedensverantwortung der Religionen" ins Auswärtige Amt. Im Berliner Tagesspiegel konnte er vor Beginn der Konferenz schon einmal eine Art „Wort zum Sonntag“ dazu schreiben:

„Religionen bewahren ein tiefes Wissen um Schuld, Vergebung und Versöhnung. Religionsgemeinschaften können für Ausgleich und Gerechtigkeit in ihren Gesellschaften eintreten. Sie haben ein langes Zeitverständnis, das etwa in der Friedensarbeit notwendig ist. Und sie machen an den Grenzen der Nationalstaaten nicht halt.“

Das klingt so schön unverbindlich und allgemein, dass man wahrscheinlich schon von vornherein dem Herrn für eine Konferenz in vollendeter falscher Harmonie danken kann. Denn anders als es uns Prediger Sigmar zum Sonntag verkündet, ist das „Wissen um Schuld, Vergebung und Versöhnung“ unter den Religionen doch recht ungleich verteilt. Das wird bekanntlich gern verschleiert, denn sonst müsste man dem Umstand ins Auge sehen, dass es unter den Weltreligionen derzeit eine gibt, auf die sich exorbitant viele Diktatoren, Terroristen und Menschenschlächter berufen. Und dass diese Anhänger keinesfalls daran denken, „an den Grenzen der Nationalstaaten“ halt zu machen, weil ihr ideologischer Machtanspruch universell ist, ist Teil des nie offen ausgesprochenen Problems. Denn auch Massenzuwanderung wird vor allem dann ein Problem, wenn ein großer Teil der Zugewanderten die Idee in sich trägt, das Land, das sie besiedeln, müsse über kurz oder lang ihrem einzig wahren Glauben folgen.

Wenn es um den Frieden geht, kann man alles probieren

Das ist ebenso wenig neu, wie es ebenso selten politisch offen debattiert wird. Stattdessen wird wolkig einer Gleichheit der Religionen das Wort geredet, so als hätte es nach der Verkündung der jeweiligen Heiligen Schrift keine unterschiedlichen Entwicklungen mehr gegeben.

Bemerkenswert ist es natürlich, wenn ausgerechnet der Ex-Vorsitzende einer Partei zum Religionsgipfel lädt, die einst, als es nur um christliche Kirchen ging, den Einfluss religiöser Institutionen auf die Politik eher zurückdrängen wollte.

Doch vielleicht sollten wir nicht so nörgeln und dem Genossen Gabriel noch einmal lauschen, denn er meint es ja gut. Und wenn es um den Frieden geht, dann kann man ja jede Gesprächsrunde mal ausprobieren, oder? Also bitte:

„Wenn wir am 22. Mai über einhundert Vertreterinnen und Vertreter des Judentums, des Christentums und des Islam sowie weiterer Religionen aus Europa, aus dem Mittleren und Nahen Osten und aus Nord- und Westafrika im Auswärtigen Amt zu Gast haben, dann ist dies ein Novum. Erstmals führen wir einen engen, langfristig ausgerichteten Dialog mit Religionsvertretern aus aller Welt und fügen unserer Außenpolitik der Gesellschaften einen weiteren Baustein hinzu.“

Fällt Ihnen was auf? Nein? Noch meine ich nicht den schönen Begriff „Außenpolitik der Gesellschaften“. Asien und Amerika kommen nicht vor. Gibt es dort keine religiösen Konflikte? Oder umschreibt der Außenminister so den Umstand, dass seine Konferenz auf eine allzu starke Präsenz beispielsweise von Buddhisten und Hindus zu verzichten gedenkt? Ich weiß es nicht, aber ein Außenminister wird ja wohl nicht vergessen, Asien zu erwähnen, wenn es vertreten ist. Doch kommen wir nun zu den ewigen Weisheiten:

Fest steht: Religion hat großen, weltweit steigenden Einfluss auf Gesellschaft und Politik. Dies kann ich nach wenigen Monaten als Außenminister auch aus den Erfahrungen meiner Gespräche und Reisen bestätigen. Fest steht aber auch: Religion polarisiert und wird verantwortlich gemacht für Rückschrittlichkeit und Fanatismus, für Gewalt und sogar für Terror. Wer allerdings nur das Stereotyp pflegt, dass Religion stets konfliktverschärfend wirkt, begeht aus meiner Sicht einen großen Fehler.

Wir wollen mit unserer Initiative daher bewusst auf das Friedenspotenzial der Religionen und auf ihre Verantwortung für den Frieden in den Gesellschaften schauen. Denn das ist die „Zumutung“, die wir an die Religionsgemeinschaften richten möchten. Deshalb bringen wir Priester, Rabbiner und Imame aus der ganzen Welt im gleichen Raum zusammen.

Die Zumutungen sind ungleich verteilt

Die Welt wird ein besserer Ort sein, wenn es der deutsche Außenminister geschafft hat, dass es Priester, Rabbiner und Imame im gleichen Raum mehrere Tage miteinander aushalten. Nur auch hier verschweigt der Gastgeber höflich, wie ungleich die Zumutungen verteilt sind. Denn in heutiger Zeit – das ändert sich nicht durch den Verweis auf Jahrhunderte, in denen das anders war – sind es vor allem Imame und seltener Priester oder Rabbiner, die zur Landnahme und zum Töten Ungläubiger aufrufen. Wer diesen Einwand macht, wird des Generalverdachts gegen alle Muslime – oder in diesem Fall alle Imame – angeklagt. Doch es ist nur der Beginn einer Differenzierung, der selbstverständlich jene folgen muss, nach den freiheitsliebenden, toleranten und friedlichen Imamen und Muslimen zu suchen, die ohne Zweifel Unterstützung verdienen. Gerade auch gegen radikalislamische Verfolger. Doch die relativierende Gleichmacherei verhindert genau das.

Leider lassen auch die Worte des Bundesaußenministers nicht hoffen, dass er sich um eine differenzierte Lagebeurteilung bemühen möchte. Er liebt es weiterhin eher wolkig:

„Die Perspektive der Kirchen und Religionsgemeinschaften erweitert unsere außenpolitischen Analyse- und Handlungsmöglichkeiten, sie ist Teil der kulturellen Intelligenz, die wir brauchen, wenn wir die Träume und Traumata anderer Gesellschaften verstehen wollen. Wir streben deshalb über die Konferenz hinaus ein Netzwerk an, das zugleich als eine Art Frühwarnsystem und Ausgangsbasis für Gespräche vor Ort dienen könnte.

Diese Öffnung unserer Außenpolitik für mehr Impulse aus der Zivilgesellschaft ist auch Teil der strategischen Neuausrichtung unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik seit Beginn dieser Legislaturperiode – weg von einer Außenpolitik zwischen Staaten und hin zu einer Außenpolitik der Gesellschaften. In einer Welt voller pseudoreligiös aufgeladener Konflikte ist sie wichtiger denn je.“

Der Außenminister möchte also weg von der Außenpolitik zwischen Staaten? Er ist der Außenminister eines Staates und hat bitteschön die damit verbundenen Aufgaben zu erledigen und die entsprechende Verantwortung zu übernehmen. Was soll eine „Außenpolitik der Gesellschaften“ sein? Wohlfühlveranstaltungen wie das Pfarrer-Imam-und-Rabbi-Treffen? Wer keine Außenpolitik zwischen Staaten machen will, der ist an der Spitze des Auswärtigen Amtes einfach falsch. Blumige „Außenpolitik zwischen Gesellschaften“ kann er vielleicht bei Greenpeace, dem IOC oder der FIFA machen. Die letzteren beiden – so hört man – bieten mitunter auch eine bessere Besoldung als das Auswärtige Amt. Aber Gabriel ficht das nicht an, er holt sich bei Priester, Imam und Rabbi jetzt den Segen.

Dieser Beitrag erschien auch auf Peter Grimms Blog sichtplatz.

Foto: Mohammad Hassanzadeh CC-BY 4.0 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Karla Kuhn / 22.05.2017

Jeden Tag werden die Phantastereien größer. Ich schließe mich den Zeilen von Herrn Stadler an. Danke.

Franz Fisch / 22.05.2017

“Die Beste aller möglichen Welten ist eine Welt OHNE Religion.” (John Adams, nach George Washington der 2. Präsident der Vereinigten Staaten) - Wann werden unsere Politiker endlich der Wirklichkeit ihren Tribut zollen und den schädlichen Einflüssen der verschiedenen Religionen kraftvoll Einhalt gebieten!

Wolfgang Richter / 22.05.2017

Deutschland wird erkennbar weiter abgeschafft. Und der Wähler scheint damit zufrieden, wenn die letzten Wahlergebnisse zeigen, daß 2/3 und mehr der Stimmen für diese “abschaffenden”, selbst ernannten Eliten und “Steuerräuber” u. -verschwender abgegeben werden. Die Eliten-Arroganz zeigt sich beispielhaft, wenn ein “Siggi-Pop” plötzlich zum Religionsexperten mutiert, es vermutlich aber nicht für nötig hielt, mal neben der Bibel den Koran mit Anlagen, die Lehren Buddhas und des Hinduismus gelesen zu haben. Er dürfte daher eher eine Art Experte vom Hörensagen sein, ein Fake in Lebensgröße,  mit dem selben Wert wie das derzeit in der Republik lebhaft diskutierte, Regiergungs finanzierte “Gutachten” der Uni Göttingen zur rechten Gesinnung im “Osten”, deren “Experten” zumindest mehrheitlich wohl auch nicht existieren. Vorsorglich möchte ich diesen Text in die Sparte Kunst oder Satire eingeordnet wissen.

Hilmar Türkowsky / 22.05.2017

Lieber Herr Boysen, die SPD als Partei der Lehrer zu bezeichnen ist für mich als Lehrer eine persönliche Beleidigung. Ich würde das gern Herrn Maas und Frau Kahane melden. ;)

Elmar Schlürscheid / 22.05.2017

Impulse aus der Zivilgesellschaft wird er bekommen wenn es hier so weiter geht, aber das ist dann ja das “Pack”!

B.Kröger / 22.05.2017

Ich wünsche den Damen und Herren des Auswärtigen Amtes, so sie tatsächlich noch vom Fach seien sollten, weiterhin gute Nerven! Nach einer hochqualifizierten Sprecherin,  jetzt also Sigi Pop als Chef.  Das Leben kann schon wirklich hart sein!

Lars Bäcker / 22.05.2017

Man fasst sich ob solcher Naivität und Hybris nur noch an den Kopf. Wie kann jemand, der ständig durch die halbe Welt reist, so weltfremd sein?

Andreas Huber / 22.05.2017

Sensationelle Überschrift!! Einerseits hat Gabriel wohl nichts gegen diesen Titel, unabhängig davon ist er nicht nur wahr, sondern gibt in wenigen Worten in so vielerlei Hinsicht Aufschluß über das absurde Weltbild, das in der Politik offenbar weitestgehend vorherrscht. Danke !

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Peter Grimm / 18.03.2024 / 10:00 / 78

Durchsicht: Migrationstheater im Bundestag

Am Freitag debattierte der Bundestag wieder einmal über die Migrationskrise. Die Selbstdarstellung der Nach-Merkel-CDU war, wie auch die Reaktion aus der SPD, bemerkenswert. Politisch wenig…/ mehr

Peter Grimm / 14.03.2024 / 12:30 / 55

Nix rausgekommen beim Kanzler?

Am Mittwoch stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz den Fragen der Bundestagsabgeordneten und schaffte es wieder, mit vielen Worten keine klare Antwort zu geben. Und er…/ mehr

Peter Grimm / 09.03.2024 / 15:00 / 15

Linke Leerstelle bei Ministerin Meier

Was sagt die grüne sächsische Justizministerin eigentlich, wenn sie nach Linksextremisten gefragt wird? Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) versucht angesichts des sich bedrohlich nähernden Wahltermins…/ mehr

Peter Grimm / 28.02.2024 / 11:00 / 73

Wenn der Verfassungsschutz ruft, folgt der Journalisten-Verband

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) ruft dazu auf, die eigene Berichterstattung unkritisch und unhinterfragt an die jeweils aktuellen Bewertungen des Bundesamts für Verfassungsschutz anzupassen.  Jüngeren Lesern…/ mehr

Peter Grimm / 26.02.2024 / 10:00 / 73

Meinungsfreiheits-Test im Bundestag

Am späten Freitagnachmittag debattierte der Deutsche Bundestag in recht leerem Plenarsaal als allerletzten Tagesordnungspunkt über den „Schutz der Meinungsfreiheit vor staatlichen Übergriffen" mit bemerkenswerten Auftritten.…/ mehr

Peter Grimm / 24.02.2024 / 12:00 / 41

Demokratie retten mit Genossin Bärbel

Die Bundestagspräsidentin glaubt zu wissen, was der Demokratie gut tut und wie man die AfD bekämpft. Doch bevor sie darauf setzt, Minderjährige an die Urne…/ mehr

Peter Grimm / 22.02.2024 / 11:00 / 54

Warum will keiner die Genossin Köpping wählen?

In Sachsen wird im Spätsommer gewählt und vor allem in nichtsächsischen Landen rätseln viele, woher die Schwäche der SPD kommt. Eine Antwort ist vielleicht das…/ mehr

Peter Grimm / 16.02.2024 / 16:00 / 52

Erst das Desinteresse, dann der Tod

Russlands bekanntester Regimegegner, Alexej Nawalny, ist tot. Er hoffte, seine Bekanntheit werde ihn schützen. Jetzt starb er in einem Gefangenenlager. Alexej Nawalny ist tot. Er ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com