Henryk M. Broder / 25.10.2016 / 19:40 / 5 / Seite ausdrucken

“Sie sprechen mir aus dem Herzen, Herr Zamperoni…”

Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihnen wieder mit Martin Schulz komme. Es muss sein. So wie Arthur Neville Chamberlain zum Gesicht des Appeasement wurde, so wird Martin Schulz immer stärker zum Gesicht einer EU, die nach einem Höhenflug abgestürzt ist - durch Anmaßung, Größenwahn und Verkennung der Realitäten. In zwei, drei Jahren wird es zu Halloween Martin-Schulz-Masken geben und "schulzen" wird zum Synoym für "verschlimmbessern" werden. 

Letzten Samstag, 22.10., sagte Schulz in der Tagesschau zum Stand des CETA-Abkommens zwischen Kanda und der EU: Die Verhandlungen sind nicht gescheitert, sondern sie sind abgeschlossen, und es ist nun eine Angelegenheit der Europäischen Union, die verbliebenen Fragen intern zu klären.

Gestern abend, am 24.10., trat er in den Tagesthemen auf, moderiert von Ingo Zamperoni. Das Interview, zu Beginn der Sendung bei 3:45, sollten Sie sich angucken. So redet einer, der aus 1000 Meter Entfernung gegen einen Briefkasten rennt und dann dem Briefkasten die Schuld gibt. Am Ende ist von der patriarchalen Jovialität nichts mehr übrig, und der frustrierte Machtmensch steht in seiner eigenen Schweißwolke da.

Es werde eine Einigung geben, sagt er, "ob das jetzt in zwei Tagen" sein wird, könne er nicht sagen, wichtig sei nur, "dass es überhaupt geht". Er habe jedenfalls "keine Lust, am Ende da zu stehen, und wir haben sieben Jahre Arbeit investiert für nichts". Er sei "sicher, dass wir das schaffen können". Und dann gibts noch einen Hieb gegen "all die Propagandisten, die sagen, der Nationalstaat ist wichtiger als die Gemeinschaftsidee, (sie) produzieren genau die Lage, die in der wir jetzt sind"; deshalb brauchen wir "mehr Gemeinschaftsgeist für die Lösung der großen Probleme".

Da ist es wieder, das große Ganze, dem der Einzelne sich unterordnen muss. Ohne Rücksicht auf eigene kleinkarierte Interessen. Was für ein Glück für Europa, dass Martin Schulz sich in den Dienst des großen Ganzen gestellt hat. So eine Mühe darf weder vergeblich noch umsonst sein. Zusätzlich zu seinem durchaus üppigen Gehalt samt Zulagen bekommt Schulz ein Tagegeld von 304.- Euro täglich. "Dabei spielt es keine Rolle, wo der Präsident sich aufhält", bestätigt sein Pressesprecher. Das macht im Jahr fast 111.000.- Euro, steuerfrei. Alles für Europa, den Gemeinschaftsgeist und die Gemeinschaftsidee!

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Leserpost

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otto regensbacher / 26.10.2016

Lieber Herr Broder, ausgezeichnet war ihr Vergleich Schulz - Chamberlain. Was bei Schulz noch fehlt zur totalen Anpassung an Chamberlain, das ist der Regenschirm, den Chamberlain meist bei sich hatte.  Schulz und Juncker und seine Kommissare haben es immer noch nicht kapiert. Dieses auf die Schnelle zusammengeschusterte Europa funktioniert nicht. Es funktioniert vor allem deswegen nicht, weil die Nationalstaaten diesen Wasserkopf in Brüssel und Strassburg nicht mehr gottgewollt hinnehmen. Schulz und Juncker und natürlich auch die Merkel wollen immer noch “mehr Europa” und daran wird “dieses Europa” irgendwann scheitern. otto regensbacher

Alexander Rostert / 26.10.2016

Mit der Aussicht, in absehbarer Zeit wegen Geschäftsaufgabe ein steuerfreies Zusatz-Jahreseinkommen von 111.000 Euro zu verlieren, stünde ich vermutlich auch kurzfristig in meiner eigenen Schweißwolke da. Ich glaube, ich muss jetzt erst mal noch ein paar weiteren Leuten sagen, der Nationalstaat sei wichtiger als die Gemeinschaftsidee.

Wolfgang Richter / 26.10.2016

Wenn der gute Herr Schulz nach diesem Gestammel nicht merkt, daß er sich selbst überlebt hat, merkt er gar nichts mehr. Und falls er gehen sollte, sollte er sich und Europa noch ein letztes Mal gutes tun und den Juncker mit nehmen, für Europa u. die für ihn kommenden einsamen Abende ohne bereit stehenden Mikrofonhalter beim Gläschen Rotwein.

Karla Kuhn / 26.10.2016

Hallo Herr Broder, es ist ein Genuß Ihre Texte zu lesen. Ich muß dazu keinen Kommentar abgeben, Sie haben alles schon auf den Punkt gebracht. Herrlich.

Helfried Richter / 26.10.2016

Hoffentlich wird Schulz Kanzlerkandidat für die SPD. Damit das Projekt “10% -” endlich Gestalt annimmt.

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