Das Theater ist schon längst zum Porno verkommen. Seit den 1970er Jahren scheinen “progressive” Regisseure nicht mehr ohne Körperflüssigkeiten auf der Bühne auszukommen. Ich erinnere an die unsägliche Don-Giovanni-Inszenierung von Roberto Ciulli in der Bonner Oper, die ein Besucher - als der Vorhang fiel - mit dem Ruf “Perversion” beantwortete. Die Regieeinfälle müssen natürlich immer mehr auf die Spitze getrieben werden, der Kitzel nutzt sich ja ab. Nun sind also auch die letzten Schamgrenzen gefallen, was das tiefste deutsche Trauma betrifft. Auschwitz wird salonfähig (siehe auch die gestrige Echo-Verleihung). Nein, es ist nicht alles erlaubt. Kunst soll ins Herz treffen oder einfach nur umwerfend schön sein. Wenn sie Ekel erregt, mich umerziehen will oder mich im Dunkel des Zuschauerraums als Geisel nimmt, kann ich auf sie verzichten. Ich gehe übrigens nur noch sehr selten ins Sprechtheater.
Bin nicht heil- sondern gottfroh, daß ich als Angehörige des darstellenden Gewerbes nicht mehr an deutschen Bühnen angestellt und dadurch weisungsgebunden bin! Das ist einfach nur strunzdumm und dégoûtant!!
Unsere Gesinnungshelden vergreifen sich ständig im Ton und in den Mitteln. Es mangelt an Einfühlungsvermögen. Sie feiern ihr eigenes Heldentum und ihre „orginellen“ Ideen. Sie rechnen sich wahrscheinlich zur künstlerischen Avantgarde. Ob sie dabei wirklich an die Opfer denken, um die es ihnen angeblich geht, darf bezweifelt werden. Ihre Bemühungen das Publikum zum „Nachfühlen“ zu bringen sind rührend, jedoch völlig deplatziert. Und dass es in Deutschland lebende Juden gibt, die das Stück vielleicht interessieren würde, denen jedoch diese „Markierung“ nicht zuzumuten ist, auf diesen Gedanken kommt keiner der Verantwortlichen?
“Diese Inszenierung zeigt, wie weit die deutsche Vergangenheitsbewältigung mittlerweile gekommen ist.” Und sie zeigt, wie tief das deutsche Theater gesunken ist.
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