Bernhard Lassahn / 03.09.2012 / 20:50 / 0 / Seite ausdrucken

Sexismus ist weiblich – oder:  Das Märchen vom bösen Buschmann (3. Teil)

Dritter Teil

Nach den seltsamen Fragen über das Bewusstsein von Frauen und ihrer Meinung zu „naturgegebenen Überlegenheit der Männer“ bin ich nach einem Abstecher nach Afrika bei dem Hintergrundwissen der Quotenbefürworter angekommen. Und nun geht es weiter mit der Frage, was denn nun eigentlich Sexismus ist.

Das Geheimnis ist nicht süß

Der Nebel um die „eigenen Potentiale“, von denen schon im ersten Teil die Rede war, erinnert mich an einen Schlager, den wahrscheinlich nur Leser kennen, die noch älter sind als ich: „Jede Frau hat ein süßes Geheimnis“. Was mag das sein? Das fragt man sich auch, wenn die Befürworter der Quote heute so tun, als hätten ALLE Frauen ungehobene Schätze an „eigenen Erfahrungen“, an wundersamen „Softskills“, an „soziale Kompetenz“, und überlegener Menschlichkeit. Deshalb ist auch Birgit Schrowange für die Frauenquote: „ ... weil Frauen eine größere emotionale Intelligenz haben und deshalb einfach die besseren Führungspersönlichkeiten sind.“ So einfach. So verkünden es alle, die nicht wissen, wovon sie reden, wenn sie den Komparativ benutzen. Die Spatzenhirne pfeifen es von den Dächern.

Take away!
April, April. Es gibt keine „eigenen Potentiale“ der Frauen. Es gibt nur sexistische Propaganda, die Männern Defizite anhängen will.

Man muss sich ständig die Nase zuhalten. Was da verbreitet wird, ist stinkendes Eigenlob; es ist die etwas andere Unanständigkeit, sich Federn an den Hut zu stecken, die unlauter erworben sind. Und jedes Mal wird so getan, als wären das exklusive Fähigkeiten, die Männer grundsätzlich nicht haben. Da gibt es immer wieder ein verdecktes Foul, eine Prise Falschbeschuldigung und eine raffinierte Form von Demütigung.
‚NEUE WEGE FÜR JUNGS’ - So heißt ein Programm für Jungs, das sie für soziale Berufe erwärmen will. Gut so – oder? Nach zehn Jahren ‚Girls’ Days’ wird endlich mal was für Jungs getan. Das ist doch ein Schritt in die richtige Richtung - oder?

Nein! Es fällt gar nicht mehr auf, was für eine Boshaftigkeit in dem unscheinbaren „neu“ steckt. Was - bitteschön - ist neu daran, dass sich Jungs sozial engagieren? Hier wird weggedacht wie in Afrika; es wird weggedacht, dass Männer Rettungsdienste, Hilfsorganisationen und soziale Einrichtungen aufgebaut haben und dass Jungs von Feuerwehrautos schwärmen - nicht nur wegen dem Tatü Tata, sondern weil Bilder von Helfern und Rettern in ihren Träumen aufscheinen. Was ist daran „neu“?

Neu ist die Unterstellung, dass Jungs mit einem Geburtsfehler auf die Welt gekommen sind, dass sie ALLE ein soziales Defizit haben. Wie wäre es eigentlich mit ‚NEUE WEGE FÜR POLITIKER’, einem Programm, das ihnen die Möglichkeit gibt, intelligente und ehrliche Politik zu machen?

Männerverachtung gibt es in allen Preislagen, kaum erkennbar oder schrill. So werden Männer schon mal als „halbe Wesen“ beschrieben. Ich wiederhole: als „halbe Wesen“. So spricht nicht etwa eine Sklavenhalterin Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, sondern Cornelia Pieper, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP im Jahre 2007: „Während die Frau sich ständig weiterentwickelt, heute alle Wesenszüge und Rollen in sich vereint, männliche und weibliche, und sich in allen Bereichen selbst verwirklichen kann, blieb der Mann auf seiner Entwicklungsstufe stehen. Als halbes Wesen.“

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass sich Menschen, die sich viel auf ihre soziale Kompetenz zugute halten, den halben Wesen zur Hilfe eilen. Pustekuchen. Frau Pieper badet lieber im Triumph der Frau: „Er (der Mann) ist weiterhin nur männlich und verschließt sich den weiblichen Eigenschaften wie Toleranz, Sensibilität, Emotionalität. Das heißt, er ist – streng genommen – unfertig und wurde von der Evolution und dem weiblichen Geschlecht überholt.“

Take away!
Das „neue Bewusstsein der Frauen“ hat einen Namen: Sexismus

Das verwundert. Dachten wir doch bisher, Sexismus ginge ausschließlich von Männern aus. Einen Fall von Sexismus haben wir beispielsweise, wenn ein Mann meint, dass Madonna für ihre Erotik-Show zu alt ist. So hat es Sibylle Berg erklärt, die sich inzwischen ihrerseits als Sexistin geoutet hat. Ich erwähne das mit Bedauern, weil ich die Autorin mögen wollte, ich verzichte auch auf Zitate von ihr, ich habe genügend Belege aufgetischt. Ich kann aber nachlegen, falls jemand bezweifelt, dass in Sachen Sexismus Frauen die Männer längst abgehängt haben.
Falls sie jemals im Hintertreffen waren. Man spricht inzwischen von einem ‚Second Sexism’ (so etwa David Benatar: ‚Discrimination Against Men and Boys’). Man kann sich allerdings fragen, ob es nicht der erste ist – und immer schon war. Die Unterstellung, dass Männer angefangen hätten, ist Buschmänner-Beleidigung, die Feministen benutzen, um ihre Attacken als Revanche-Fouls hinzustellen.
Wer auch immer Erster war, es stellt sich die Frage: Was ist Sexismus überhaupt? Manche halten es für eine Art negativen Wunschzettel für Frauen, auf dem sie alles, was sie sich gerade NICHT wünschen, auflisten können, das gilt dann als sexistisch und wird abgeschafft. Doch so einfach ist es nicht. Es ist aber auch nicht schwer. Sexismus ist die angemaßte Überlegenheit gegenüber dem anderen Geschlecht.

Take away
Wenn Frauen sich für was Besseres halten, dann ist das Sexismus, wenn sie es allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit tun. Wenn Männer sich für was Besseres halten, dann ist das kein Sexismus, wenn sie dafür andere Gründe haben.

Das haben sie oft genug. Sie sind in ihre Führungspositionen geraten in Konkurrenz zu Mitbewerbern, die dasselbe Geschlecht haben. Da muss also noch was gewesen sein. Wenn wir das berücksichtigen, dann erscheint auch die leidige „Vorherrschaft der Männer“ in unterschiedlicher Beleuchtung, je nach dem, ob wie sie vor oder nach „dem großen Verdienst der Frauenbewegung“ betrachten.

Vorher:
Die Vorherrschaft ist gerechtfertigt, sie beruht auf Leistung und echter Überlegenheit. In der Vorherrschaft stecken Fürsorge, Liebe und Verantwortung.
Nachher:
Die Vorherrschaft ist keineswegs gerechtfertigt, sie beruht auf dem Geschlechtsunterschied und einer lediglich angemaßten Überlegenheit. In der Vorherrschaft stecken hegemonialer Machtanspruch, Unterdrückung und strukturelle Gewalt gegenüber dem anderen Geschlecht.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Hässlichkeit liegt im Auge der Betrachterin. Der Sexismus macht den Unterschied. Für Sexisten ist das Geschlecht das ein und alles, das muss auch so sein, weil Sexisten ihre Überlegenheit einzig daraus ableiten. Man kann sie leicht erkennen. Sie hinterlassen Spuren. Sie verraten sich durch ihre Ausdrucksweise. Sie verwenden gerne den Komparativ und schieben den bei jeder Gelegenheit zwischen die Geschlechter, um sich selbst zu den Besseren zu zählen.

Und sie reden gerne in grandioser Verallgemeinerung von „den“ Frauen und „den“ Männern, und „alle“ sind immer „gleich“, denn alle individuellen Merkmale sind für den Sexisten dem Geschlecht untergeordnet. Sexisten haben eine Hymne, von der nur die erste Strophe gesungen wird: „Sex, Sex, über alles, über alles in der Welt ...“
Der Sexismus ist nicht als plötzlich aufbrausender Sturm über uns gekommen, sondern als schleichende Verunreinigung des Bewusstseins. Die Zitate, die ich hier mit spitzen Fingern präsentiert habe, sind nicht neu. Die sind nach und nach durch die Maschen unserer Aufmerksamkeit geschlüpft und wurden nicht so ernst genommen, wie sie es verdient hätten. Mancher hat sich vielleicht gedacht: Nun ja, so reden Frauen, die beißen nicht, die wollen nur spielen. So wurde das Grundrauschen langsam lauter und wurde zu einem „anschwellender Ziegengesang“ (um ein Zitat von Botho Strauss, an das sich womöglich noch jemand erinnert, abzuwandeln).
Dabei war es nicht nur das Bewusstsein, das seine Kraft entfaltete. Mit einem System von Fehlanreizen wurde ein Schutzwall aufgeschüttet, der sexistische Anwandlungen von Frauen schützte. Unzählige Frauen und Männer haben ihr Steinchen dazu beigetragen. Jede Quotenfrau tat es; denn das ist ihre Rolle, über die stillschweigende Übereinstimmung herrscht: Sie sind aus sexistischem Geist geschaffen und sollen den sexistischen Geist (der ein Ungeist ist) verbreiten. Inzwischen hat sich eine gewaltige Steinlawine angestaut.

Die Süßspeise
Ich hatte einen Trost angekündigt, eine Süßspeise als Nachttisch, um den dicken Happen, dass Männer körperlich und geistig überlegen sind, etwas verträglicher zu machen. Ich sprach vom „Extrem“ und vom „statistischen Mittel“. Das ist so: Da dominieren Männer.

Na und? Das ist doch nur Statistik. Das sind tote Zahlen. Das hat mit lebendigen Menschen nichts zu tun. Das stimmt in der Verallgemeinerung, nicht aber im Besonderen. Es ist durchaus möglich, dass mir eine Frau wie etwa Ingelore Welpe sowohl geistig als auch körperlich überlegen ist und dass sie mich im Zweikampf aus Blitzschach und Armdrücken besiegt. Dass Männer im allgemeinen statistisch gesehen überlegen sind, hat für unseren kleinen Wettkampf keine Bedeutung. Weder hilft es ihr, noch behindert es sie.

Es könnte aber sein, dass sie gar nicht erst antritt, weil ihr die Statistik sagt, dass hier Ungerechtigkeit vorliegt. Deshalb fürchte ich auch, dass ihr die Süßspeise nicht schmeckt. Wer auf eigene Leistung vertraut, dem sind Statistiken egal, und wer ein Glückslos gezogen hat, dem ist egal, wie gering die Chance war.

In der Welt der Sexisten gibt es keine eigene Leistung und kein Glück. Aber Nummern.

Literatur:
Ingelore Welpe, Isabell Welpe: ‚Frauen sind besser. Männer auch. Das Gender-Mangement’, Signum Wirtschaftsverlag, Wien 2003

David Benatar: ‚Discrimination Against Men and Boys’ (Blackwell Public Philosophy), John Wiley & Sons, 2012

Fela Anikulapo Kuti: ‚Why Black Men Carry Shit’ – da würde ich gerne genaue Angaben machen, aber ich fürchte, dass es nichts nützt. Ich habe das Buch in Lagos gekauft, erfolgreich verliehen und kriege es hier nicht.

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