Richard Wagner / 26.03.2008 / 10:03 / 0 / Seite ausdrucken

Schwarz-Grün? In Hamburg? Nein, in Bhutan!

Doch. Bhutan, das etwa so groß wie die Schweiz ist, liegt am Himalaja. Kurz vor Tibet. In Bhutan aber ist alles anders. Dort fanden am Sonntag freie Wahlen statt. Bhutan ist eine Monarchie. Bis vor zehn Jahren war es eine absolute, seither versteht sie sich als eine konstitutionelle. Vorbereitet wurden die Wahlen vom jungen, in Oxford ausgebildeten König und dessen Vater, der vor zwei Jahren überraschend auf den Thron verzichtet hat - zugunsten seines Sohnes. In Bhutan wird alles von oben geregelt, auch die Modernisierung. So hat das Land jetzt ein Zweikammerparlament. In dessen am Sonntag gewähltem Unterhaus sind zwei Parteien vertreten. Die Wahlsiegerin, die Friedens- und Wohlstandspartei, hat 44 Sitze, die oppositionelle Demokratische Volkspartei 3. Klare Verhältnisse…

Wichtiger aber als das Parlament ist die Staatsdoktrin, die sich an der Staatsreligion, einer eher seltenen Buddhismus-Variante, orientiert. Als Staatsziel gilt nicht das Wachstum sondern die Lebensqualität. Als schützenswert werden Umwelt und Traditionen gleichermaßen angesehen. 30% Prozent der Landesfläche haben den Status von Naturschutzgebieten, und das in einem Land, dessen Bevölkerung weitgehend von der Landwirtschaft lebt. Die Folge: Viele leben schlecht. Selbst der Tourismus wird reguliert, und zwar durch die hohen Preise. So werden die ungewollten Folgen des Billigtourismus vermieden, aber auch die ausländischen Einflüsse eingedämmt.

Bhutan, ein Land mit hoher Analphabetenrate, hatte bis 1999 kein Fernsehen, zeitweise waren sogar Antennen verboten. Über den Status der traditionellen, religiös geprägten Leitkultur, wacht der Monarch selbst. Dazu gehört auch die demographische Steuerung. Die Bergvölker Bhutans sind seit Jahrzehnten mit einer anhaltenden nepalesischen Einwanderung konfrontiert. Das Problem versuchte man zunächst durch rigide Assimilationsregelungen in den Griff zu bekommen. Als dieses Konzept scheiterte, weil die Nepalesen weder ihre Sprache, noch die Religion und die Kleiderordnung aufgeben wollten, drängte man die Renitenten unter ihnen aus dem Land. Sie leben bis heute, vom Rest der Welt weitgehend unbeachtet, in Camps in ihrem Herkunftsland.

Man sieht, Ökologie und Leitkultur sind gar nicht so weit auseinander, wie manche in Deutschland denken mögen. Schwarz kann fortschrittlicher sein, als man allgemein annimmt, und grün ist durchaus konservativ, wenn nicht gar fundamentalistisch. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. In Bhutans Öffentlichkeit herrscht natürlich Rauchverbot.

Vielleicht fehlt für Schwarz-Grün in Hamburg etwas ganz anderes als das viel beschworene gemeinsame Programm. Vielleicht fehlt bloß der Monarch. Der Monarch, der in Oxford war.

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