Henryk M. Broder / 14.05.2017 / 14:59 / Foto: Library of Congress / 7 / Seite ausdrucken

Schulz: Der Schnee von gestern ist der Matsch von morgen

Nichts ist so wahr wie ein deutsches Sprichwort. „Jeder ist seines Glückes Schmied.“ – „Glück und Glas, wie leicht bricht das.“ –„Das Glück gleicht dem Balle, es steigt zum Falle.“

Martin Schulz, bis Anfang dieses Jahres noch Präsident des Europäischen Parlaments, twitterte am 29. Januar um genau 12 Uhr mittags: „Ein irres Gefühl. Gerade bin ich vom Vorstand meiner Partei zum Kanzlerkandidaten nominiert worden. Ich bin demütig und dankbar.“

Sieben Wochen später, am 19. März, wurde Schulz auf einem Sonderparteitag der SPD zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt, mit 605 von 605 abgegebenen gültigen Stimmen, also einstimmig. Schulz war überglücklich, seine Parteifreunde auch. Über Nacht stiegen die Umfragewerte der SPD in zuvor nie erlebte Höhen, plötzlichen lagen die Sozialdemokraten und ihr Kanzlerkandidat in der Gunst der Wählerinnen und Wähler weit vor der Union und Angela Merkel. Und plötzlich sah es aus, als könnte der Rheinländer es schaffen, der Ossi-Frau die Wiederwahl in das Kanzleramt zu verhageln.

Aber: „Der Schnee von gestern ist der Matsch von morgen.“

Bei den Landtagswahlen im Saarland am 26. März wurde die CDU stärkste Partei, weit vor der SPD, der es offenbar nichts genutzt hat, dass Martin Schulz sich im Wahlkampf als „halber Saarländer“ geoutet hatte. Der Sieg der CDU sei den lokalen Umständen im Saarland geschuldet, trösteten sich die Sozialdemokraten und schickten Schulz zum nächsten Fronteinsatz, nach Schleswig-Holstein, wo letzten Sonntag der Landtag gewählt wurde.

Bis zuletzt wurde ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ vorhergesagt. Es kam anders: 32% für die CDU, 27% für die regierende SPD, wobei es die Sozialdemokraten besonders schmerzte, dass ihr Spitzenmann, ein alter Polit-Profi, gegen einen weitgehend unbekannten CDU-Jungmann den Kürzeren ziehen musste. Die SPD- Generalsekretärin sprach von einem „hausgemachten Ergebnis“, völlig losgelöst von der Politik der SPD in Berlin.

Heute wird in Nordrhein-Westfalen gewählt, dem bevölkerungsreichsten Bundesland. Die Wahl gilt als Testlauf für die Bundestagswahl im September. Kanzlerkandidat Schulz steht Ministerpräsidentin Hannelore Kraft als Wahlhelfer zur Seite. Sonntag abend wissen wir, ob sich auch das Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ bewahrheitet.

Leicht aktualisierte Fassung eines Beitrags für die Weltwoche

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Leserpost

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Jochen Wegener / 15.05.2017

Schon komisch: drei Mal ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert und drei Mal lag die CDU vorn. Welche Rolle haben die wohl die Medien gespielt, also alle, die den Schwarzen wohl gesinnt sind. also überhaupt alle, denn abseits des mainstreams gibt es ja weder Medien noch Meinungsinstitute die schließlich nicht nur “forschen” sondern auch Aufträge brauchen um wirtschaftlich leben zu können.

Wolfgang Richter / 15.05.2017

“Der Wähler” ist nicht blöd, aber offenbar doch ein wenig einfältig, wenn er immer wieder im Wechsel den gleichen Mist ankreuzt, ca. 80% der Stimmen für die “Metzger” , die ihn in der Vergangenheit schon hinlänglich gequält haben, vergessen, daß vor dem kraftlosen Duo um Rot-Grün (zeitweise mit etwas Links) Schwarz-Geld dran war, die wegen einer genauso planlosen Landespolitik mit Pauken und Fanfaren abgewädhlt worden waren. Mit dem zur Wahl stehenden Personal der sog. Etablierten war und ist kein “Staat” zu machen. Es wird nur ein weiteres Rumgeeiere werden, passend zur Phantasielosigkeit der Wähler.

Robert Krischik / 15.05.2017

Der Schulzzug ist entgleist.

Michael Jansen / 14.05.2017

Da sehe ich gerade ein Interview mit SPD-Generalsekretärin Barley um 18:15 Uhr nach der ersten Hochrechnung, in dem sie scheinbar optimistisch verkündet, jetzt gehe es in den Wahlkampf für die Bundestagswahl. Irgendwie erinnert mich das an die “Jetzt gehts los!”-Sprechchöre des Publikums bei den Boxkämpfen des von RTL hochgejubelten vermeintlichen Superchampions Axel Schulz kurz bevor er dann doch nicht in die Gänge kam, was auf die Glocke bekam und mal wieder angeblich unverdient verlor. Da sehe ich doch gewisse Parallelen zu Martin Schulz - sind die beiden etwa verwandt.

Karla Kuhn / 14.05.2017

“Die Wahl gilt als Testlauf für die Bundestagswahl im September. ” Ich weiß nicht, ob man diese Wahl als Testwahl bezeichnen kann. Ich lebe in Bayern. Bei Landtagswahlen wähle ich natürlich bayrisch, den Bürgermeister schaue ich mir erst genau an, ansonsten streiche ich den Zettel durch. Bei der Bundestagswahl kann ich “meine” Partei nicht wählen, weil sie mit der CDU zusammen geht Dann würde ich durch die Hintertüre die CDU wählen und das kommt für mich nicht in Frage. Noch schlimmer, eine Ampel. Und ich hätte daran mitgewirkt ? Niemals. Aus verschieden Gesprächen konnte ich, ohne mein Wahlverhalten kundzutun, hören,  daß es nicht wenige Menschen gibt, die genau so denken wie ich. Mein früherer Vermieter, ein Landwirt, hat mal zu mir gesagt, bei der Landtagswahl wähle ich FDP, bei der Bundestagswahl CSU. Das war vor 30 Jahren.

Wilfried Cremer / 14.05.2017

Die Wähler sind nicht blöd: Die SPD hat sich vor anderthalb Jahren allem, was links von ihr steht, angebiedert und Einreisekorridore und damit wenigstens ein wenig Ordnung im Chaos verhindert.

Thomas Nuszkowski / 14.05.2017

ZITAT.: “Ich bin demütig und dankbar.“ Der demütige ist bereits unten, den kann man nicht mehr runter drücken. Wenn Herr Schulz also demütig ist, dann wird er die heutige Demütigung locker wegstecken. Außerdem: Wenn einer mit 100% aller Stimmen gewählt wird, dann ist da meist was faul. Zumindest riecht es so.

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