Von Klaus D. Leciejewski.
Die bisherige Berichterstattung zu Donald Trump in den deutschen Medien konzentrierte sich auf seine bizarre Selbstdarstellung sowie auf verstörende innen- und außenpolitische Aktivitäten. Dies mag für das teutonische journalistische Repertoire ausreichen, nicht aber für das Verständnis der Politik von Trump. Deshalb hier ein kleiner 12-Punkte Erklärkurs für jede Gelegenheit.
1. Trump schöpft seine Überzeugungen nicht, wie die meisten seiner Vorgänger, aus religiösen Überzeugungen oder aus Weltmachtverpflichtunge oder aus liberalen Standpunkten. Er schöpft sie wesentlich aus sich selbst. Er hat eigene Kraftquellen, die mit den üblichen Analysewegen nicht zu erklären sind.
2. Er ist gegen das Establishment der republikanischen Partei und das der gesamten amerikanischen Administration zum Präsidenten gewählt worden, was ein uramerikanischer demokratischer Vorgang ist, der allerdings der inneramerikanischen Entwicklung während der letzten Jahrzehnte zuwiderläuft.
3. Dabei hatte er weder eine eigene Machtbasis in Gruppierungen der republikanischen Partei (z. B. der Tea-Party-Bewegung) noch in einer Gruppe amerikanischer Teilstaaten wie Hillary Clinton in New York und Kalifornien oder wie George W. Bush in den Südstaaten, und auch nicht in abgegrenzten Gruppen der Bevölkerung wie den Afroamerikanern oder den mexikanischen Einwanderern. Obgleich er einzelne Gruppen auch zukünftig hofieren wird, muß er keine grundlegenden Rücksichten auf derartige Konstellationen nehmen.
4. Bis sich einflußreiche Teile innerhalb der republikanischen Partei ihm offen entgegenstellen, müßte erst noch weitaus Gravierenderes als bisher passieren. Genauso denkbar ist es jedoch auch, daß er dies zu verhindern weiß. Auch bei Trump ist ein Denken in Absolutismen fatal.
5. Trump schließ eine Ära ab, in der die USA weder als Weltmacht noch als Wirtschaftsmacht weiter wachsen können. Kriege wie in Afghanistan oder im Irak sind nicht mehr möglich, es sei denn, die gesamte weltpolitische Konstellation würde sich grundlegend ändern. Schon Obama konnte in Syrien nicht mehr massiv eingreifen, und dies völlig unabhängig von seinen eigenen Überzeugungen. Der erfolgreichen russischen Unterstützung für Assad hatten die USA nichts Wirksames entgegen zu setzen. China wird wirtschaftlich und politisch stärker, die Europäer dämmen den Einfluß amerikanischer Internetkonzerne ein. Allerdings können einzig die USA mit ihrem Atomschirm die Freiheit der westlichen Welt garantieren, woraus sie Ansprüche an uns ableiten werden. Trump hat noch keine Antwort gefunden, wie die Amerikaner ein neues Eigenverständnis gewinnen können.
6. Eine „Nach-Trump-Ära“ wird nicht so tun können, als hätte es eine Trump-Ära nie gegeben. Bereits nach wenigen Monaten seiner Regierungszeit ist eines klar: Niemand wird einfach hinter Trump zurück gehen können.
7. Trump legt westliche (und damit auch deutsche) illusionäre Politik offen. Zwar mag etwa das Pariser Klima-Abkommen eine „Good Will“-Politik gewesen sein, aber es ist zugleich auch ein zahnloser Kompromiß. Genauso wenig scheut der US-Präsident sich, die UNO als eine in weiten Teilen von nichtdemokratischen Regierungen dominierte und in bürokratischen Strukturen verkommene Organisation zu charakterisieren.
8. Zwar ist Trump eine facettenreiche Persönlichkeit mit bizarren Charaktereigenschaften, aber dies reicht für das Verständnis seiner Politik nicht aus. Ein Beispiel dafür ist seine Rede in Miami zu der Kuba-Politik. Es ist zwar nicht klar, wie er seine Ankündigungen in konkrete Maßnahmen umsetzen wird, aber seine Rede war politisch durchdacht. Er greift nicht frontal die kubanische Regierung an, sondern zielt auf das Herz der kubanischen Wirtschaft, und dies nicht pauschal, sondern durchaus geschickt auf ihre Deviseneinnahmen. Der größte Teil der kubanischen Wirtschaft, insbesondere die Devisenwirtschaft, wird vom oberen Militärapparat beherrscht. Trump argumentiert, daß sich damit die kleine Schicht der alles entscheidenden Nomenklatura wirtschaftliche Auffangpositionen für die Nach-Castro-Ära sichern will, um somit weiter Kuba als ihr Eigentum behandeln zu können. Welche westliche Regierung könnte sich dem politisch und wirtschaftlich offen massiv entgegenstellen?
9. Trump sieht sich dabei folgender Konstellation gegenüber, die er berücksichtigen wird. Dazu gehört die Ausgangssituation der Länder, die bisher Kuba unterstützten:
Venezuela: ist ein verlorener Staat, ein wirtschaftliche Neuaufbau wird Jahre dauern. Kuba hat hunderte „Militärberater“ nach Venezuela gesandt. Wie würde Trump (und auch Südamerika!) reagieren, wenn der erste in die Hände der Opposition geraten und vor eine Kamera gestellt werden würde?
Südamerika: ist kein einheitlicher Block zur Unterstützung Kubas mehr.
Vereinigung karibischer Staaten (CARICOM) ist ein lockerer Zusammenschluß von zumeist Ministaaten ohne eigene Finanzmittel.
Russland: hat kein Geld.
China könnte den Verlust seiner Milliardeninvestitionen in Venezuela nicht einfach wegstecken. Seitdem es eine Wirtschaftsmacht geworden ist, denkt und handelt es geopolitisch, massive wirtschaftliche Hilfen für Kuba würde es an Forderungen knüpfen, wie beispielsweise die Überlassung kubanischer Häfen, was die USA nicht hinnehmen würden.
10. Das Beispiel Kubas belegt, daß Trump nicht nur über engstirnige Berater, sondern durchaus auch über intelligente verfügt.
11. Trumps „America first“ ist die amerikanische Übersetzung des deutschen „Wohlstand für alle“. Genau wie alle demokratischen Parteien in den wichtigsten europäischen Staaten hat er die Wahl mit dem Versprechen gewonnen, den Lebensstandard anzuheben. Während jedoch europäische Parteien dies mit Umverteilung im Land oder innerhalb der EU erreichen wollen, will er dafür die Handels- und politischen Partner der USA verantwortlich machen. Beider Politik wird scheitern. Ein höherer Lebensstandard hängt ausschließlich und allein von zwei Voraussetzungen ab: mehr Arbeit sowie Entbehrungen und bessere Produkte für einen freien Welthandel.
12. Die Wahlen in Frankreich haben bewiesen, daß es keine ausgedehnte rechtsradikale Stimmung in westlichen Ländern gibt, sondern daß breite Wählerschichten nach Alternativen gegenüber der bisherigen Politik suchen, die ihre Interessen nicht mehr erkennt und nur noch sich selber an der Macht halten will. Nicht die Wähler versagen, sondern die Führungsriege der etablierten Parteien hat versagt. Diese Stimmung hat auch Trump an die Macht gebracht. Auch in den USA haben die Wähler, vor allem diejenigen Schichten, die von den bisherigen Präsidenten vernachlässigt wurden, in Trump eine Alternative gesehen, unabhängig von seiner tatsächlichen Eignung dafür.
Fazit
1. Wir sollten uns nicht mehr vorrangig um die abstrusen Aufritte Trumps kümmern, sondern auf seine politischen Aktivitäten differenziert eingehen.
2. Wir müssen begreifen, daß auch Demokratien nicht vor Brüchen gefeit sind, denn der überwiegende Teil unserer politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen (einschließlich der journalistischen) Eliten hat eine Distanz zur Bevölkerungsmehrheit aufgebaut.
3. Wir haben zuerst unsere eigenen deutschen Interessen klar zu positionieren, um innerhalb der EU sowie mit den USA eine gemeinsame Politik betreiben zu können.
Klaus D. Leciejewski hat an verschiedenen deutschen Hochschulen Wirtschaft gelehrt, ist Autor mehrerer Sachbücher und Publizist. Er ist mit einer Kubanerin verheiratet und lebt einen großen Teil des Jahres auf Kuba.