Vor einigen Tagen erschien in de SZ der Text eines israelischen Autors über “Das Schweigen der Diaspora”. Er beschäftigte sich mit der Frage, warum die in der Diaspora - und vor allem in Deutschland - lebenden Juden keine Kritik an der Politik der israelischen Regierung üben. Wäre es “dem jüdischen Leben in Deutschland (nicht) mehr gedient”, wenn sich die hier lebenden Juden trauen würden, “Israel öffentlich zu kritisieren”? Es war das übliche Geseire eines “kritischen Israeli”, für das die SZ immer ein paar Bäumchen zu opfern bereit ist. Die Umstände des “jüdischen Lebens in Deutschland” waren nur der übliche Vorwand, um ein paar grausame Wahrheiten über das Leben in Israel zu verbreiten, u.a. diese: Rechtsradikale, ob orthodox oder säkular, treiben das Land auf den Straßen oder im Parlament inzwischen in einen Zustand, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert.
Rechtsradikale, die das Land in einen Zustand treiben, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert, ist eine Super-Formulierung, auf die Heribert Prantl stolz sein könnte, wenn sie ihm denn eingefallen wäre, gibt er sich doch wirklich große Mühe, die SZ in eine Richtung zu treiben, die beängstigend an die besten Tage des Völkischen Beobachters erinnert.
Nun hat die SZ nachgelegt. Mit einem Kommentar von Thorsten Schmitz zur Anti-Antisemitismus-Demo in Berlin am Sonntag: “Deutschlands fürchterliches Schweigen”. Schmitz stellt die Frage, warum es Juden sind, die zu einer Demo gegen den Judenhass aufrufen. “Warum kommt nicht die Arbeiterwohlfahrt auf die Idee für so eine Demonstration?”
Gute Frage. Aber glauben Sie nicht, Schmitz würde auch nur versuchen, sie zu beantworten. Denn auch er treibt in einen Zustand, der sich beängstigend dem eines Deliriums nähert. Er schreibt: Es hat Tradition in Deutschland, dass Juden und Israel stets in einen Topf geworfen werden. Hier lebende Juden werden als Repräsentanten des Netanjahu-Israel betrachtet. Dabei gibt es Zehntausende Israelis, die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind.
Die Tradition, von der Schmitz, Jahrgang 66, phantasiert, hat das Attribut “stets” nicht verdient. Sie ist etwa so alt wie er und begann im Jahre 1970 mit dem bis heute nicht aufgeklärten Brandanschlag auf das jüdische Altersheim in München, bei dem sieben Senioren, alle Überlebende des Holocaust, zu Tode kamen. Bis dahin war es, Knalltüte, durchaus unüblich, “Juden und Israel” in einen Topf zu werfen. Mit dieser Praxis haben Ulrike Meinhof und Dieter Kunzelmann angefangen, als sie die Deutschen aufforderten, ihren “Judenknacks” zugunsten der Palästinenser zu überwinden. Aber das muss ein Schmierant von der SZ nicht wissen. Schon gar nicht, wenn er “Zehntausende Israelis” kennt, “die vor der Politik des israelischen Premierministers nach Deutschland geflohen sind”.
Ja, früher haben die Ossis rüber gemacht, jetzt sind es die Israelis. Zehntausende. Die MS “Exodus” bringt die Flüchtlinge von Israel nach Cuxhaven, von dort laufen sie zu Fuß weiter, in eine der 24 Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, wo sie ihre Anerkennung als politische Flüchtlinge beantragen. Als Begründung genügt ein Satz: “Flucht aus Netanjahu-Israel.” In strittigen Fällen wird ein SZ-Redakteur als Sachverständiger dazu geholt, der gerne bestätigt, dass Israel in einen Zustand treibt, der sich beängstigend dem einer faschistischen Gesellschaft nähert. Bei der UNRWA wird bereits überlegt, eine eigene Agentur zur Versorgung der politischen Flüchtlinge aus Israel im deutschen Exil zu gründen.
Früher haben der Stürmer und der Völkische Beobachter geschrieben: Juden raus nach Palästina!. Heute schreibt die SZ: “Juden raus aus Palästina!”. Dem Schmitz sei Dank.