Wer auch immer das gesagt hat, hatte Recht: Jedem Tierchen sein Pesierchen! Das gilt auch für den Zeitschriftenmarkt, bei dem selbstverständlich noch die alte Weisheit vom Angebot gilt, das sich seine Nachfrage schon schaffen wird. Zeitschriften und ihre Zielgruppen ergeben sehr viel mehr Sinn, wenn man die Perspektive aufgibt, wonach eine Zeitschrift das behandelt, bzw. diejenigen anspricht, um die es in der Thematik geht, sondern dass immer nur solche Personen angesprochen werden, die gerne so wären. Wer etwa eines der bekannten Männermagazine liest wird Tipps finden, die ein “Macker” nicht braucht, da er die Tricks alle kennt und zur Genüge anwendet. Ich nehme an, entsprechende Frauenmagazine sind ähnlich gelagert, wie auch alle anderen Zeitschriften. Der Leser des Business Punk etwa ist ein Langweiler aus der Kostenrechnung, der um seine Langeweile weiß und der heimlich davon träumt mitten in einer Sitzung sein Hemd aufzureißen und den Laden in ein cooles, innovatives Start-Up zu verwandeln… sich sowas aber niemals trauen würde. Die Heimatküchenchef(in?) widerum liebt Fertiggerichte für die Mikrowelle, beachtet Serviervorschläge auf der Packung und kam noch nie über den eigenen Kulturraum raus. Siehat es auch lieber sauber und sicher in der Nachbarschaft. Da ist es doch eine hervorragende Ersatzbefriedigung, sich die Welt komprimiert und strukturiert in Rezpetform ins Haus zu holen - wenn auch nicht auf den Tisch. Denn dazu muss man auch kochen können. Und letztlich zeigt auch die Masturbieranleitung im Separée keinen hübsch-frivolen Bio-Öko-Schnecken, wie sie sich die Gurke schnitzen sollen, da sie das zum einen schon können und zum anderen aufgrund des Originals Mann in greifbarer Nähe (..oder andere Frau) gar nicht brauchen. Wer so eine Zeitschrift liest, der hat die 40 bereits hinter sich, trägt einen Batikschal (=universelles Zeichen für ein Leben in Orgasmuslosigkeit) und ist ausreichend frigide, dass trotz besten Alters noch nicht genug Mut aufgebracht wurde, um mit den Fingern nachzutasten was denn da zwischen den Beinen ist..
Herrlicher Artikel! Könnte es sein, dass die jüngeren Magazin-Ideen unserer geschätzten Verlagshäuser (dreimal mit der Stirn den Huldigungsteppich berührt) deshalb nicht funktionieren, weil sie an der Realität der Leute vorbeigehen? Auch wenn’s die Marketing-Trompeter und Anzeigen-Posaunisten noch so gern hätten: Businesspunks gibt es genauso selten wie anarchistische Royalisten oder die Mischung aus Großstadtmensch und Besitzer eines florierenden Öko-Agrarbetriebs (Prinz Charles, Gerard Depardieu und Günther Jauch ausgenommen). Statt Hybridwesen zu konstruieren, die total kritisch und avantgardistisch sind, dann aber kaufen, kaufen, kaufen, wäre ein Blick auf das echte Leben mit echten Menschen echt spannend.
Betrete ich den Zeitschriftenladen im Bahnhof, ist es, als ob das Internet sich rings um mich herum irgendwie materialisiert hätte. Kein buntes Cover ist wie das andere, und doch sind alle gleich, sei es Buch, sei es Zeitschrift. Wundersamerweise kennt der Typ an der Kasse den Titel “Merkur” und weist in eine bescheidene Ecke des Ladens.
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