„Wir werden unsere Werte verteidigen!" sagte der französische Präsident nach den Anschlägen von Paris. Darauf hin fragte „Katholisches.info“, das Magazin für Kirche und Kultur: „Welche Werte denn, Herr Präsident?“. Im Text heißt es dann: „Wortwörtlich dasselbe sagten auch Obama, Cameron und die Staats- und Regierungschefs anderer Staaten. Italiens Ministerpräsident Renzi meinte, der Sieg sei dem Westen sicher, denn seine Werte seien richtig und gut.“
Nun muss man weder katholisch noch überhaupt christlich sein, um die Frage nach den Werten zu stellen. Denn wir leben seit zwei Jahrhunderten in einer säkularisierten Welt, in der wir „unsere Werte“ nicht (mehr) aus der Religion (welcher auch immer) beziehen. Für Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus, Agnostiker und Atheisten und alle Menschen in Deutschland sind gemeinsame Quelle unserer Werte das Grundgesetz und the Universal Declaration of Human Rights .
Danach gehören zu unseren Werten nicht nur die Menschenwürde und die Grund- und Menschenrechte, sondern auch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Natürlich gibt es auch einen Verein und zwar für europäische Werte mit dem Namen „Teamfreiheit.info – Humanistischer Verein für Demokratie und Menschenrechte“ und dem Sitz in Graz. Wer Näheres wissen möchte, kann sich die 45seitige PDF-Datei „Definition der grundlegenden europäischen Werte. Ihre geschichtliche Entwicklung und Bedeutung für unsere heutige Gesellschaft“ hier herunterladen.
Selbstverständlich tritt auch die Bundeskanzlerin für unsere Werte ein. So verkündete sie nach den islamistischen Anschlägen von Brüssel im März dieses Jahres, die Täter seien "Feinde aller Werte, für die Europa heute steht" - Freiheit, Demokratie und das friedliche Zusammenleben der Bürger. Und 2008 hat Merkel in einer Rede vor der Knesset in Jerusalem betont: „Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in Deutschland und in Europa nie wieder Fuß fassen, und zwar weil alles andere uns insgesamt die deutsche Gesellschaft, das europäische Gemeinwesen, die demokratische Grundordnung unserer Länder gefährden würde“.
Der Teufel steckt im Detail oder „Die Wahrheit ist immer konkret“
Doch, man kann es nicht oft genug sagen, der Teufel steckt im Detail oder „Die Wahrheit ist immer konkret“ (Lenin, Brecht, Hegel – wer auch immer). Und: „Die allererste aller Kräfte, die die Welt regieren, ist die Lüge“ (Jean-François Revel). Mit diesen beiden Erkenntnissen kann man ziemlich viel von dem erklären, was so um uns herum passiert (oder auch nicht passiert). Gegenwärtig kann man die Gültigkeit dieser Sätze an der Debatte über Burka-Verbot und Kinderehen aus nächster Nähe miterleben.
Als ich Anfang Februar 2003 mein Amt als Referent für Staatsangehörigkeitsfragen im Innenministerium Baden-Württemberg antrat, machte mich eine erfahrene Mitarbeiterin schon bald auf das Problem der Mehrfachehe bei Muslimen aufmerksam. Ich war überrascht: Wo sollte da ein Problem sein? Unser Recht sieht für Bigamie in § 172 des Strafgesetzbuches (StGB) eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Doch offenbar hatte ich den „ordre public“ in Artikel 6 des Einführungsgesetzes zum BGB falsch verstanden, der bestimmt: „Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.“
Auf der ersten Bund-Länder-Besprechung der Staatsangehörigkeitsreferenten musste ich mich belehren lassen, dass meine rigorose Ablehnung der Anerkennung der muslimischen Mehrfachehe bei uns in Deutschland rechtlich nicht zu halten sei. Da war mir der Begriff „Islamisierung“ noch nicht so geläufig wie heute. Das Bundesverwaltungsamt hat übrigens eine 112seitige Abhandlung über „Islamische Eheverträge“ herausgegeben (13. Aufl. Oktober 2011), konnte diese Aufgabe allerdings offenbar nicht selbst bewältigen, sondern hat sie durch den Münchener Rechtsanwalt Jürgen Rieck erledigen lassen.
Ob das Amt damit gut beraten war, muss an dieser Stelle offen bleiben, doch sei immerhin vermerkt, dass Rieck vom „heiligen Koran“ spricht (Seite 15), eine Ausdrucksweise, deren sich in der Regel nur ein Muslim bedient oder auch Barack Hussein Obama (mehrfach in seiner Rede an die islamische Welt am 4. Juni 2009 in Kairo. In Riecks Expertise finden sich einleitend folgende bemerkenswerte Sätze, die sicher gut gemeint sind; doch von Tucholsky wissen wir: „Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint“:
„Ein völlig neues Bewusstsein der Muslime erwächst aus dem Traditionalismus und der Diskussion über Integration und Gleichstellung der Religionen. Oftmals wird deshalb auch die Einführung der Scharia in Deutschland diskutiert. In der Praxis führt dies dazu, dass Muslime versuchen, in Deutschland besonders islamisch zu leben. Zwar widerspricht dies meist dem deutschen Recht, gleichwohl sind die Auswirkungen dieses Trends in Deutschland nur dann zu beherrschen, wenn auch für Deutschland an einen islamischen Ehevertrag gedacht wird. Gerade wenn islamische Regeln das Leitbild in der Ehe darstellen sollen, gilt intern zwischen den Ehegatten in Deutschland nichts anderes als in einem islamischen Land.“
Eherechtliche Fragen in Sachverhalten mit Auslandsberührung
Rieck bezeichnet außerdem die verschiedenen Glaubensrichtungen des Islam (Sunniten, Schiiten usw.) als „Schulen“, während er die acht islamischen Rechtsschulen als solche gar nicht erwähnt (im Text spricht er allerdings wiederholt von der hanafitischen, malikitischen, schafiitischen, hanbalitischen Rechtsschule/Schule/Richtung, alle vier sunnitisch übrigens).
Doch zurück zu unseren Werten. Nichts scheint besser für eine beispielhafte Betrachtung geeignet als die Kinderehe. Hier dürfte es keine Zweifel geben, liegt doch das „Kindeswohl“, wie die Juristen das nennen, unserer Rechtsordnung so sehr am Herzen wie sonst nur das Wohl von Straftätern (die Opfer kommen erst später). Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) hat es auf den Punkt gebracht: „Wenn Sie als Minderjähriger mit guter Begründung noch nicht einmal ein Bier kaufen dürfen, warum sollte der Gesetzgeber dann zulassen, dass Kinder an solch weitgehende Entscheidungen wie die Ehe gebunden sind?“
Vielleicht endet die von Justizminister Heiko Maas (SPD) angekündigte Bund-Länder-Arbeitsgruppe „zu eherechtlichen Fragen in Sachverhalten mit Auslandsberührung“ (Welt am Sonntag vom 14.08.2016) ja so wie seinerzeit die von Necla Kelek, Serap Çileli und Terre des Femmes unterstützte Initiative zur strafrechtlichen Sanktionierung der Zwangsheirat in § 237 StGB. Entscheidend in beiden Fällen ist allerdings nicht nur die rechtliche Regelung, sondern deren Anwendung. Im Jahr 2015 gab es lediglich 50 polizeilich erfasste Fälle von Zwangsverheiratung. Wie viele davon zu einer Verurteilung führten, habe ich leider nicht ermitteln können (es wäre nicht das erste Mal, das aufmerksame Achse-Leser hier weiterhelfen). Für 2013 weist das Statistische Bundesamt zwei Verurteilungen aus . Wenn es bei der Kinderehe ebenso läuft, heißt es am Ende wieder mit Shakespeare “Much Ado About Nothing“ (Viel Lärm um nichts).
Denn eines wird in der bisherigen Diskussion verschwiegen bzw. dezent umgangen: Das Vorbild des Propheten Mohammed, dessen Sunna (seine Worte und Taten) der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland neben dem Koran zu seinen unveränderlichen Grundlagen zählt (§ 1 Absatz 5 der Geschäftsordnung vom 28. März 2007). Dieser Vorbildcharakter ist in Sure 33, 21 ausdrücklich vorgegeben. Der Gründer der „Religion des Friedens“ hatte aber dank einer Sondererlaubnis Allahs (Sure 33, 50) mehr als die einem muslimischen Mann erlaubten vier Ehefrauen (Sure 4, 3) gleichzeitig. Er heiratete auch das Kind Aisha bin Abi Bakr, Tochter seines ersten Nachfolgers (Kalifen) im Alter von sechs Jahren und vollzog mit ihr als Neunjähriger die Ehe (zum Streit um das Alter Aishas siehe auch hier),
Was will man da machen? Die Religionsfreiheit ist auch ein Wert, den es zu verteidigen gilt. Welch ein Segen, dass die Azteken mit ihren religiös begründeten Menschenopfern ausgestorben sind, bevor sie sich entschließen konnten, nach Deutschland einzuwandern und die Früchte unseres liberalen Rechtsstaats zu genießen; denn wer weiß, ob sich „die grüne Federschlange“ (der Gott Quetzalcoatl) mit ihrer Ablehnung der blutigen Menschopfer bei uns durchgesetzt hätte.
Entschuldigung, zur Burka kann ich mich jetzt nicht äußern. Ich muss erst mal an die frische Luft. Außerdem überlasse ich das lieber unserer verehrten Bundeskanzlerin, die sich ja als Vorkämpferin für Frauenrechte ohnehin einen Namen gemacht hat.