Quentin Quencher / 27.06.2017 / 12:13 / Foto: Altas Green / 20 / Seite ausdrucken

Rücken statt Gesicht zeigen: Twitter ade!

Ich vertraue Twitter nicht mehr, es ist nicht mehr die Plattform auf der ich mich ohne Selbstzensur äußern kann. Freilich könnte ich es darauf anlegen, um von dort eine Sperre zu bekommen. Dann aber hätte ich das Heft des Handelns aus der Hand gegeben. Nein, ich will nicht weiter eine Plattform mit meiner Mitgliedschaft unterstützen, die sich - wie auch Facebook -, nicht gegen das um sich greifende Diktat zur politisch korrekten Rede wehrt, und mich dann, sollte ich mich dem Diktat nicht beugen, nach einer obligatorischen Sperre, wieder gönnerhaft mitmachen lässt. So was verbietet mir die Selbstachtung.

Klar könnte ich jetzt einen langen Aufsatz darüber schreiben, wer denn wirklich für dieses Diktat zur politisch korrekten Rede verantwortlich ist, über den Maas, die Linken und die Grünen, die mit aller Gewalt ihre kulturelle Hegemonie durchdrücken wollen, in alle Bereiche des öffentlichen und nicht öffentlichen Lebens. Doch was soll's, hier geht es mir hauptsächlich um den Mitläufer namens Twitter. Große Unternehmen sind immer Mitläufer, ob Autokonzerne oder Energieversorger oder wer auch immer, sie befürchten, dass sie sich ins gesellschaftliche Abseits begeben und sich angreifbar machen. Da hilft nur eines: Boykott! Boykottiert die Mitläufer!

Verbrennt mich!“, schrieb einst Oskar Maria Graf an die Nazis, die doch tatsächlich einige seiner Bücher nicht auf den Scheiterhaufen geworfen hatten. Er war konsequent und mir war dieser eigensinnige Bayer immer ein Vorbild. Links war ich freilich nie, so wie Graf, in der Nazizeit wäre ich es aber sicher gewesen, so wie ich unter den Kommunisten rechts sein musste.1

Ich habe es satt, ich will nicht mehr hören: „Die können doch nicht anders, wenn sie Geld verdienen wollen.“ Twitter, Facebook, VW, Daimler, RWE, EnBW und all die anderen sind Opportunisten, „sie wollen sich nicht angreifbar machen,“ wie Wolfgang Reitzle meinte. Und wenn ich schon die Mitläufer verachte, dann die Opportunisten noch mehr. Selbstverständlich verstehe ich ihre Beweggründe, die nicht zuletzt von einem Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Mitarbeitern und Aktionären gespeist werden.

Gerade wenn ich mir die großen Energiekonzerne anschaue, wie die wegen der Energiewende richtig Geld verbraten haben und ihre Mitarbeiter verunsichern, aus reinem Opportunismus heraus, dann frage ich mich schon, was für ein Verantwortungsbewusstsein die denn haben. Muss irgendwas mit Universalismus zu tun haben, womit wir bei einer Moralphilosophie wären, die schon lange das Denken in diesem Lande vergiftet. Doch wie schreibt Gerhard Mersmann so schön: „Das Fazit aus der großen Katastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts ist für Graf so einfach wie bestechend. Er bringt das einzelne Individuum erneut in die Verantwortung.“

Wenigstens einige symbolische Handlungen

Ich muss mich heute aber fragen: Für wen habe ich Verantwortung? In allererster Linie für mich selbst! Wenn ich schon nicht auf die Straße gehe oder einer Partei beitrete oder mich sonst irgendwie politisch organisiere, dann muss ich wenigstens einige symbolische Handlungen vornehmen, um meine Selbstachtung nicht zu verlieren. Boykott ist der Anfang, bei Labels wie BIO und dergleichen tue ich es bereits. Im Supermarkt beschwere ich mich auch, wenn von irgendeinem Gemüse, welches ich gerade kaufen will, nur BIO angeboten wird. Meiner Frau oder meinen Kindern ist das dann manchmal peinlich. Das ist mir aber egal, sie müssen mich ja nicht beim Einkauf begleiten.

Ich schweife nicht ab, es hat alles miteinander zu tun. Wenn Sprachregelungen verbindlich werden, Abweichungen von der politisch korrekten Sprache, oder dem politisch korrekten Handeln sanktioniert werden, dann ist das ein untrügliches Indiz dafür, dass die kulturelle Hegemonie von Links und Grün soweit fortgeschritten ist, dass nicht mehr Werbung für ihre Sache im Vordergrund steht, sondern die Wirklichkeit unter Zuhilfenahme von Instrumenten der Macht verändert werden soll. Wir befinden uns mitten im Kulturkampf, dessen erstes Opfer der Pluralismus ist.

Diesen Kampf will ich eigentlich nicht, ich verteidige nur meine Freiheit: Frei zu denken und frei zu sprechen. Diesbezüglich bin ich aber konsequent. Ich habe die Schere im Kopf gespürt, mich ertappt dabei, darüber nachzudenken, ob ich diese oder jene Formulierung auf Twitter bringen könne. Sämtliche bedrückenden Gefühle aus meiner Jugend in der DDR werden dadurch wieder lebendig. Aus reinem Selbstschutz musste ich dort weg, flüchten vor einer Kultur der Selbstverleugnung. „Ein Mensch, der frei sein will, ein Mensch der dieses nicht auf Kosten anderer erreichen will, dieser Mensch hat die Aufgabe, sich selbst zu verantworten, diszipliniert und konsequent zu sein,“ um noch mal aus Gerhard Mersmanns Text über Graf zu zitieren.

Twitter ade! Es wird Dich nicht sehr interessieren dass ich weg bin. Ich weiß, dass Du nicht der Initiator des heutigen Kulturkampfes bist, aber Du bist ein Opportunist, der mich zum Mitläufertum zwingen muss. Meine Kündigung ist in der Hauptsache kein Protest gegen Dich, es würde Dich eh nicht jucken. Ich will mir nur im Spiegel in die Augen schauen können.

Anmerkung: Die Löschung meines Twitter-Accounts wird morgen, 28.06.2017, erfolgen. Dieser Beitrag erschien zuerst auf Quentin Quenchers Blog Glitzerwasser.

Siehe zum Thema auch diese Links:

Das grosse Zensieren bei Twitter hat begonnen

Deutschland auf Platz drei bei der Twitter-Zensur?

Meinungsfreiheit? Was Twitter alles blockiert

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Leserpost

netiquette:

Matthias Reinicke / 27.06.2017

brave

M. Haumann / 27.06.2017

Wie erfrischend, in diesem Land der Geduckten noch einmal einen Mann zu sehen, der den Rücken gerade macht. Bravo und meine Achtung, Herr Quencher.

Hjalmar Kreutzer / 27.06.2017

“Die können nicht anders, wenn sie Geld verdienen wollen.” Genau. Dann muss man sie dort packen. Deswegen war ich nie bei facebook und Twitter. Auf einen anderen Aspekt hat mich kürzlich ein Freund aufmerksam gemacht: Durch ihre Posts auf facebook, twitter, whatsapp u.s.w. “leisten die Menschen Widerstand” an der Tastatur und gehen eben nicht auf die Straße und schlagen keinen Krach gegen Ämterwillkür und politische Fehlentscheidungen und klagen nicht gegen GEZ &Co;. Trotz der beeindruckenden Kontinuität, Woche für Woche Pegida in Dresden mit mehreren Tausend Teilnehmern und div. Kundgebungen und Stammtischen der AfD und div. Internetportalen findet sich dort nur eine Minderheit, und die schweigende steuer- und GEZ-zahlende Mehrheit lässt sich weiter von der Politik am Nasenring führen. Andererseits wäre ohne die sog. “social media” der Grad der Informiertheit der Bürger noch schlechter. Mittlerweile gibt es achgut u.v.a. Internetseiten, so dass ich auf twitter und facebook auch verzichten kann. An mir verdienen die also nix und die dort Werbetreibenden werden ignoriert.

Matthias Braun / 27.06.2017

  O seltenes Glück der Zeiten, in denen du sagen darfst, was du willst, und sagen kannst, was du denkst.   Publius Cornelius Tacitus (um 55 - um 120), röm. Geschichtsschreiber Vielleicht sollten Politiker, öfter mal, die “alten"Römer und Griechen lesen!!!!!

M.Noetzel / 27.06.2017

Seien sie froh das sie sich dieses Übels entledigt haben. Das brauch kein Mensch. Mit den besten Wünschen ihr M. Noetzel

Schulze, Wolfgang / 27.06.2017

Sie sprechen mir so aus dem Herzen… Ich kann es auch kaum noch ertragen. Im Januar 2015 bin ich aus der CDU ausgetreten, weil ich die Energiewendehalsigkeit der Kanzlerin nicht mehr tolerieren konnte. Seitdem bin ich “heimatlos ” ! Aber lieber heimatlos als Mitläufer. Noch schlimmer empfinde ich derzeit die allgemeine Hoffnungslosigkeit. Man liest es zwischen Ihren Zeilen, bei Lengsfeld, bei Broder. Was wir demnächst wählen sollen, wissen wir wahrscheinlich alle nicht. Wir hoffen, dass das Schiff möglichst schnell an die Wand fährt. Und sind frustriert. Frustrierend!

Peter Kaiser / 27.06.2017

Bin ich ein Idiot, weil ich keine SMS schreibe und noch nie getwittert hab?

E. Georg Hain / 27.06.2017

Ich bedauere Ihren Schritt, aber ich verstehe ihn nur zu gut, aus eigener Erfahrung und von Dritten. Dieses Abkopppeln und/oder des sich nicht äußern wollen habe ich bereits vor einiger Zeit vorgenommen. Das Klima ist für mich schon seit geraumer Zeit anders.

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