Thomas Rietzschel / 31.05.2017 / 15:18 / Foto: Skssoft / 13 / Seite ausdrucken

Respect, Mr. President!

Dürfte man dem äußeren Anschein trauen, würde es kaum ein Paar geben, das besser zusammen passte als Angela Merkel und Donald Trump. Die Größe, der Umfang, die Neigung zu den abgehängten Mundwinkeln, alles harmoniert. Sogar modisch liegen die beiden auf einer Linie, immer etwas daneben. Während sie sich die Jäckchen gern etwas zu kurz anmessen lässt, mittig verjüngt, bindet er den Schlips stets eine Handbreit zu lang, so tief, als wolle er ihn als Lendenschurz tragen. Allerdings könnte es gut sein, dass er das auch nur tut, um sich über jene lustig zu machen, die das unpassend finden, dem Staatsmann nicht angemessen. Ein gewisser Hang zur Clownerie ist dem Mann nicht abzusprechen. Humor hat er durchaus. Wenigstens amüsiert es ihn, anderen die Tour zu vermasseln.

Nachdem er eben erst den G7-Gipfel in Taormina bockbeinig hatte scheitern lassen, verkündete er bei seiner Landung in Washington, über das ganze Gesicht strahlend, dass es „großartig“ gewesen sei. Der Narr genoss seinen Erfolg, den Sieg über das Ritual der Verlogenheit. Denn auch bei den früheren "Gipfeltreffen" ist ja nie etwas herausgekommen, das die Welt hätte bewegen können. Und dennoch gehörte es zum Procedere, am Ende zu „erklären“, die Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen hätten nach anstrengenden Verhandlungen „übereinstimmend“ beschlossen, sie wollten, sie würden und sollten demnächst dies oder das tun, damit die Welt in Zukunft eine bessere werde. Die moralische Rechtfertigung der teuren Sause gehörte stets zum vorbestimmten Programm, bei den Treffen auf Schloss Elmau und in Heiligendamm ebenso wie anderen schönen Orten.

Weil er sich an diese Regel nicht halten wollte, weil er die Interessen seines Landes über die des Gipfel-Clubs stellte, muss Donald Trump jetzt mit dem Stigma des Spielverderbers leben. Mit seinem Ausscheren hat er das Unverzeihliche getan: den Korpsgeist verletzt und die Macht seiner Kollegen in Frage gestellt, nicht zuletzt die Angela Merkels, der „mächtigsten Frau der Welt“. Das ungläubige Entsetzen darüber war ihr nachher förmlich ins Gesicht geschrieben.

Dass sie die Mundwinkel gelegentlich hängen lässt, um uns mit dem mimischen Ausdruck ihrer Enttäuschung zu strafen, weiß man. Aber so tief wie diesmal hat sie sie noch nie fallen lassen. Doch lassen wir das. Der Ausdruck war so schon entsetzlich genug, erschütternd geradezu, als sie ihrem Volk mitteilte: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt. Und deshalb kann ich nur sagen: Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hände nehmen.“

Der Mut, die Fete in Taormina platzen zu lassen

Wie verwirrt, wie außer sich muss die Kanzlerin gewesen sein, dass sie sich zu einer solchen Offenbarung hat hinreißen lassen. Ist doch mit der Feststellung, sich auf andere, sprich auf Amerika, nicht mehr „völlig verlassen“ zu können, zugleich gesagt, dass die europäischen Politiker eben dies bisher getan haben. Im Zweifelsfall, wenn es ernst wurde, sollten die Amerikaner auch für sie die Kohlen aus dem Feuer holen, den Großteil der Lasten tragen, derweil man sich selbst in die Büsche schlug, das eigene Militär verkommen ließ, um zugleich die USA für ihre „Aufrüstung“ zu tadeln.

Dass sich die Amerikaner selbst nur zu gern und sicher zu lange in der Rolle des „Weltpolizisten“ gefielen, entlastet nicht jene, für die es Usus war, sich weg zu ducken. Bis heute trägt Deutschland nur mit der guten Hälfte seines vertraglich vereinbarten Anteils zum Haushalt der NATO bei.

Könnte es also sein, Donald Trump hat gar nicht so unrecht, wenn er von der westlichen Wertegemeinschaft - von den Europäern zumal - mehr erwartet als die Veranstaltung glanzvoller "Gipfel", bei denen unterm Strich nichts herauskommt, nichts außer einer scheinheiligen Abschlusserklärung, die Mal um Mal die Rettung des Klimas, die Überwindung jeglicher Not und die ewige Eintracht auf Erden verheißt: Friede, Freude, Eierkuchen?

So oder so, der neue amerikanischen Präsident bleibt ein Außenseiter im Club der alten Hasen, auch wenn er mit seiner komischen Erscheinung eine gute Figur an der Seite der "mächtigsten Frau der Welt" abgeben würde. Dass er jetzt gleichwohl den Mut aufbrachte, die Fete in Taormina platzen zu lassen, hat viele, ungeachtet aller sonstigen Zweifel, herzlich amüsiert. Respect, Mr. President!

Foto: Skssoft/Michael Bulcik CC BY 2.5 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

R. Kuth / 01.06.2017

Im letzten Jahr vor der Wahl hatte ich bei Trump noch gedacht: Wer ist das denn? Aber ich muss doch feststellen, der Mann hat PRINZIPIEN die er verfolgt, uns Merkel weiß noch nicht mal wie das geschrieben wird.

Astrid Boers / 01.06.2017

Mr.  und Mrs. Trump,  für mich aus vielerlei Gründe, der einzige Lichtblick in diesen finsteren Zeiten! Danke für diesen Artikel.

S. Bley / 01.06.2017

Trumps Eindruck, man könne in Europa nur Gipfel veranststalten bei denen nichts heraus komme ist schon richtig. Nix gestemmt bekommen wir in Europa ganz viel. Wer will da schon mitmachen?

Peter Zentner / 31.05.2017

Stimmt, Herr Rietzschel! Jeder Karpfenteich braucht den sprichwörtlichen Hecht. Auch in einem Swimmingpool der Wellness-Oase, in der wohlgenährte EU-Karpfen einander vorgaukeln, ihre Wunschvorstellungen seien vernünftige Politik oder gar Realität. Selten wurden diese eitlen Synchronschwimmer so entlarvt wie von Donald Trump. Wir sollten ihm dankbar sein.

Andreas Rochow / 31.05.2017

Trefflich! Der Club der alten Hasen bildet den Filz, dem Trump jeglichen Respekt verweigert. Trump könnte wie eine Frischzell-Behandlung auch für die politische Klasse Deutschlands und der EU wirken.

Anne Cejp / 31.05.2017

Mit den Worten „völlig“ und „ein Stück“ hat A.M. ihre Aussage bedeutend abgemindert, die Aussage ist so schwammig wie all ihre Ankündigungen. Wenn sie sofort die Verteidigungsminister aller EU-Länder herbeiriefe, um mit ihnen eine Strategie zur eigenen Aufrüstung zu beraten, samt Kostenplanung, könnte man den Worten Gewicht geben, ansonsten ist es das alte Blablabla.

Hans-Peter Hammer / 31.05.2017

Danke, Herr Rietzschel! Sehr treffend beschrieben!

Thomas Schlosser / 31.05.2017

Ach….hätten wir doch auch nur einen Donald Trump in und für Deutschland…. Einer, der sich für die ‘forgotten people’ (hierzulande ‘schweigende Mehrheit’ genannt) des Volkes interessiert, das ihn mehrheitlich gewählt hat und der nicht jeden zeitgeistigen und mainstreamigen Blödsinn und sei dieser noch so absurd, zur Staatsdoktrin erklärt. Der seine Hauptaufgabe darin sieht, dem Land, dem er politisch vorsteht, zu dienen und der nicht ständig und primär nur an das Wohlergehen der Fremden und Fernsten denkt. Und der diejenigen unter den Journalisten, die notorisches Lügen und geiferndes Diffamieren zum Credo ihres Berufsstandes erhoben haben, als das bezeichnet, was sie sind, nämlich: “Fake News”. Ach….hätten wir doch auch nur einen Donald Trump in und für Deutschland…...

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thomas Rietzschel / 17.06.2023 / 15:00 / 12

Kaube weiß, was Habeck mit Börne verbindet

Vor einer Woche wurde der Börne-Preis für Essays, Kritik und Reportage an Wirtschaftsminister Robert Habeck verliehen, in der Frankfurter Paulskirche. Man muss schon eine Weile…/ mehr

Thomas Rietzschel / 22.03.2023 / 16:00 / 24

Der beleidigte Lauterbach

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser,…/ mehr

Thomas Rietzschel / 13.03.2023 / 11:00 / 17

Pazifistische Kriegsführung mit Erfolgsgarantie

Dass unsere Panzer eher zufällig als zuverlässig anspringen, dass sie kaum Munition haben, die sie verschießen könnten – alles nicht so schlimm, lässt sich der Feind…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.01.2023 / 16:00 / 56

Sag mir, wo die Panzer sind, wo sind sie geblieben?

Erinnern Sie sich an Peter Struck, den letzten Bundesminister für Verteidigung, der – mit Verlaub – noch einen Arsch in der Hose hatte? Weil er die…/ mehr

Thomas Rietzschel / 20.12.2022 / 12:00 / 52

Wann kommt die Fahrrad-Steuer?

Warum müssen die Halter von Kraftfahrzeugen KfZ-Steuer zahlen, indes die Radler das öffentliche Straßennetz unentgeltlich nutzen dürfen, es mehr und mehr für sich beanspruchen, zunehmend…/ mehr

Thomas Rietzschel / 23.11.2022 / 16:00 / 24

Im neuen marxistischen Kapitalismus

Möchte der Staat die Bedeutung der Arbeit mit der Höhe seiner Sozialleistungen ausstechen, um den freien Bürger zum betreuten Mündel herabzusetzen? Mit der „wohltätigen“ Diskreditierung…/ mehr

Thomas Rietzschel / 04.11.2022 / 14:30 / 67

Lauterbach im Taumel der Macht

Was er seit seiner Berufung zum Minister veranlasst und ausgeführt hat, ist nicht mehr als die tolldreiste Posse eines Narren, der im Wahn seiner Macht…/ mehr

Thomas Rietzschel / 28.09.2022 / 16:00 / 43

Mehr Licht!

Nach der Umweltverschmutzung im Allgemeinen und der Luftverschmutzung im Besonderen haben sich die Klimabewegten von Thunberg und Neubauer bis zu den Geistesgestörten, die sich auf Autobahnen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com