Von Ben Krischke
Anfang Juli findet in Hamburg der G20-Gipfel statt – und die Polizei stellt sich auf die „schlimmsten Krawalle“ aller Zeiten ein. Die Worte von SPD-Politikerin Manuela Schwesig, wonach der Linksextremisus ein „aufgebauschtes Problem“ sei, hallen in meinem Kopf immer noch nach. Anlässlich des G20-Gipfels und dem bevorstehenden Chaos, möchte ich hier eine kleine Geschichte erzählen.
Im Jahr 2011 lief ich als junger Reporter (Jahrgang 1986) bei der Gegendemonstration zur „Münchner Sicherheitskonferenz“ mit, um darüber zu schreiben und Fotos zu schießen. Der linksradikale, schwarze Block lief an der Spitze, ich entsprechend auch. Der schwarze Block, ich und vielleicht ein, zwei Dutzend Journalisten-Kollegen plus hunderte Polizisten. Nicht nur der ganz normale Friedensaktivist mit zotteligem Bart und Klamotten aus den 70ern war Teil der Eröffnungs-Kundgebung, auch die ehemalige RAF-Terroristen Inge Viett war eingeladen, um bei der Kundgebung zu sprechen. Vom schwarzen Block, also jenen Linksextremisten, die solche Demonstrationen mitorganisieren.
Das dass so kommen würde, hatte ich schon ein paar Tage vorher berichtet. Mich überraschte damals sehr, dass sich die Journalisten-Kollegen bei der morgendlichen Polizei-Presserunde, wo uns die Nachricht über den Auftritt von Inge Viett eröffnet wurde, schnell darauf verständigt hatten, nicht darüber berichten zu wollen. Das muss man sich mal vorstellen: Eine ehemalige Terroristin hält anlässlich des G20-Gipfels eine öffentliche Rede und die Lokalblätter und lokalen Radiosender wollen schweigen.
Normale Berichterstattung als "Illoyalität"
Entgegen der vermeintlichen „Absprache“ jedoch stand am nächsten Tag ein entsprechender Artikel in von mir in „meiner“ Zeitung. Die Nachricht machte schnell die Runde und auch überregionale Medien berichteten. Mein kleiner Scoop stieß einer Kollegin einer anderen Zeitung derart sauer auf, dass ich noch am selben Tag eine Nachricht erhielt, in der mir „Illoyalität“ vorgeworfen wurde.
Am Tag der großen Demonstration schließlich war es zunächst überraschend ruhig. Als die Linksradikalen – teilweise komplett vermummt, aber mindestens mit schwarzen Sonnenbrillen vor einer klaren Identifizierung geschützt – einrückten, rief einer der Verantwortlichen für die Demonstration "Ein herzliches Willkommen unseren Freunden vom schwarzen Block“ ins Mikrofon.
Wer hier normale Gäste waren, wer Ehrengäste, war damit eindeutig. Weder unter linken Fahnenträgern, noch unter den verkleideten und bestens gelaunten Durchschnitts-Demonstranten machte sich angesichts der paar hundert Gewaltbereiten aber auch nur ein Hauch von Unwohlsein breit.
Nach gut einer halben Stunde, in der der schwarze Block im Bahnhofsviertel – in dem vor allem Araber und Türken ihre Geschäfte haben – unter anderem „Freiheit für Kurdistan“ skandierte, meldete sich die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett schließlich per Megafon aus einem Auto heraus, dank getönten Scheiben weitgehend vor neugierigen Blicken und aufdringlichen Fotografen geschützt.
Viett war RAF-Mitglied und Teil der „Bewegung 2. Juni“. 1982 tauchte sie in der DDR unter und wurde nach ihrer Enttarnung 1990 wegen versuchten Mordes an einem Polizisten zu 13 Jahren Haft verurteilt. Bis heute hat sich Viett nie von den bewaffneten Aktionen der RAF distanziert.
Was mir bis heute noch ein gewisses Unwohlsein bereitet, ist das, was geschah, als ich mich erdreistete, an die Spitze des Zuges zu gehen und die Vermummten frontal zu fotografieren. Auf das Zeichen einer vermummten Demo-Teilnehmern hin, löste sich ein Mitglied des schwarzen Blocks aus seinen Reihen und ging direkt auf mich zu. „Wenn das Foto gedruckt wird, dann weißt Du, was passiert!“, drohte er. Ich gab ihm freundlich, aber bestimmt zu verstehen, dass er sich wieder, pardon, verpissen kann. Das tat er dann auch und ging zurück in seinen Trupp.
"Wir haben Dich auf dem Schirm!"
Am Marienplatz, dem Ende des Demonstrationszugs angekommen, kapselte ich mich schnell von den Demo-Teilnehmern ab und stellte mich weit abseits, um meine Fotos anzusehen und meine Notizen kurz zu überfliegen. Da kniete sich ein dicker Langhaariger einige Meter vor mir auf den Boden und fotografierte mich. Mit einem Nicken verschwand er wieder. Die Nachricht war angekommen: Wir haben Dich auf dem Schirm! Als Reaktion darauf verschwand ich schnellstmöglich in der U-Bahnstation und fuhr davon. Ich glaube, das war der Tag, an dem der Konservative in mir zu wachsen begann. Seitdem weiß ich in etwa, dass Linksextremismus eben kein aufgebauschtes, sondern ein reales Problem ist, über das kaum einer spricht.
Im Juli 2017 findet nun der G20-Gipfel in Hamburg statt. „Hamburg Aktuell“ berichtet: „Die Polizei Hamburg rechnet für Juli mit den schlimmsten Krawallen aller Zeiten in der Hansestadt. Deutlich schlimmer noch als die Mai-Krawalle im vergangenen Jahr“, sagt der Moderator. „Spätestens ab April befürchten die Beamten zunehmend mehr Straftaten, die in Verbindung mit dem Gipfeltreffen stehen. Es gibt erste vorsichtige Schätzungen, die von 8.000 Militanten, Gewaltorientierten, Gewaltbereiten ausgehen.
Aus einem internen Papier der Polizei geht hervor, dass es auch zu Anschlägen auf die Infrastruktur kommen soll, auf den Hafen, den Elbtunnel, auf Strom- und Telefonmasten. „Das ist kein normaler Straßen-Krawall, das ist organisierter und strukturierter Krawall, der auf die Straßen getragen wird. Und das ist gefährlich“, sagt Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft in Hamburg. „Ist Hamburg auf so etwas vorbereitet?“, fragt der Moderator. „Nein, sind wir nicht. Und wir werden es unmöglich mit unserer eigenen Landespolizei schaffen“, antwortet Lenders. Und dann fügt er diesen einen, entscheidenden Satz hinzu: „Wenn ich kein Polizist wäre, würde ich die Stadt verlassen.“ Das klingt nun aber gar nicht nach einem aufgebauschten Problem.
Ben Krischke, Jahrgang 1986, lebt und arbeitet als Journalist und freier Autor in seiner Wahlheimat München. Er schreibt über Politik, Medien und die Schattenseiten der Political Correctness. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog hier.