Immer wieder wird man in letzter Zeit mit schlimmen Nachrichten über das deutsche Bildungsniveau konfrontiert. Professoren raufen sich die Haare. Lehrer schwitzen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung klagt: Selbst „Germanistikstudenten können nicht richtig schreiben“. Bei Pisa liegt das Land der Dichter und Denker ohnehin nur noch irgendwo hinter Slowenien und Australien, klar abgehängt von Chinesen, Esten, Finnen.
Aber was sagen solche Statistiken schon aus? Stimmt es denn, daß der intellektuelle Nachwuchs des Landes das Interesse an Politik und Kultur verloren hat, daß er geistig verlottert, daß er nichts Anständiges mehr liest?
Nein, das stimmt nicht. Es gibt sogar ein Online-Magazin, das sich ausdrücklich an diese Zielgruppe wendet: „Jung, urban und gebildet! Menschen, die zwischen 18 und 30 Jahre alt sind und deren Zuhause das Internet ist, sind die Zielgruppe von bento.de.“
Diese jungen und urbanen Leute interessieren sich sogar für „politische Zusammenhänge“ und haben einen „Schulabschluß“. Klar, denn: „Bei bento dominiert relativ seriöser Journalismus.“
Schauen wir also nach, wie seriöser Journalismus für urbane und gebildete Menschen heutzutage so aussieht. Gerade hat „Bento“ zum Beispiel eine ganz fiese Type portraitiert: „Michael Limburg ist Klimaskeptiker. Wenn es nach ihm ginge, würden wir einfach weiter Öl und Kohle verbrennen, anstatt Windräder aufzustellen.“
Das ist ja ein heißes Eisen, das sie da angepackt haben. Da kennen die drei Bento-Reporter nichts. Diesen gemeinen Kerl haben sie sogar selbst getroffen: „Wie tickt so jemand? Wir haben uns mit ihm zum Interview verabredet. Er kommt mit dem Flugzeug von Berlin nach München, im beigen Trenchcoat und mit Business-Rollkoffer. Er sieht ein bisschen aus wie ein Agent.“
Toll, daß die drei Reporter nicht gleich schreiend weggerannt sind. Es gehört aber auch Mut zu so einer Story: „Zu seinen Anhängern zählen auch Menschen, die Lügenpresse sagen.“ Und noch schlimmer: „Das Leugnen des menschgemachten Klimawandels hat er sich selbst beigebracht.“
Klar, daß die Bento-Rechercheure kritisch nachhaken. Darf er das überhaupt? Warum macht er den Mund auf? „Michael Limburg ist 76 Jahre alt. Eigentlich könnte er ein ruhiges Rentnerleben führen. Zug fahren, aus dem Fenster gucken, Müll trennen.“
Stattdessen ist er ein böser Mann geworden, den sogar die Kollegen von den „öffentlich-rechtlichen Sendern“ für „einen komischen Vogel halten“, der „zur Begrüßung grinst“ und „gegen die Wissenschaft kämpft“. Limburg glaubt sogar dem amerikanischen Physiker Fred Singer, der Strategien entwickelt habe, „um gezielt Menschen zum Thema Klimawandel zu verunsichern“. Einmal wurde es sogar richtig gefährlich mit dem Rentner: „Wenn jemand seine Meinung anzweifelt, kann er störrisch werden.“
Was für ein Glück, daß die Bento-Truppe die brisante Begegnung überlebt hat. Jetzt wartet sie auf den Kisch-Preis. Warum auch nicht? In der Story ist alles enthalten, was man für so eine Auszeichnung braucht: flotte Schreibe, tolle Infos und die richtige Denke. Und wir wissen jetzt: Um die urbanen und gebildeten Menschen in diesem Land ist es doch nicht so schlecht bestellt, wie uns die Bildungsbürger vom Philologenverband glauben machen wollen.
„Do you want to have a handshake?“ (Worte der Großen Vorsitzenden)