Um das “System Putin” noch besser zu verstehen, sollte man sich unbedingt auch psychlogisch weiterbilden. Da würde man bald erkennen, dass es nicht ohne den Kontext einer “Primacy” um jeden Preis beanspruchenden “Supermacht” gedacht werden kann. Hier zum Appetit anregen mal was von Wiki, welches zwar scheinbar über individuelle Phänomene spricht, welche aber offensichtlich auch für kollektive Subjekte gelten: “Projektion ... Kombination von innerpsychischen und interpersonellen Vorgängen, bei dem das Gegenüber (unbewusst) so beeinflusst wird, dass es bestimmte Erwartungen erfüllt. Im subjektiven Sinne „negative“ Selbstanteile (in der Regel Aggressionen) werden erst abgespalten, dann auf das Gegenüber projiziert – wenn das Gegenüber sich unbewusst mit den abgespaltenen, projizierten Anteilen identifiziert und so handelt, wie es der Erwartung entspricht (z. B. aggressiv) werden durch diese Externalisierung unangenehmer oder unerträglicher Selbstanteile so innere Konflikte in der Außenwelt inszeniert, um das innerpsychische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, was jedoch die Beziehungen zu anderen stark belasten kann.” (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Abwehrmechanismus) Hoffen wir, dass alle geopolitischen Akteure und Reakteure und ihre Multiplikateure zur Vernunft kommen oder bei selbiger bleiben, bevor es richtig “knallt”.
Putin verstehen und entsprechend mit ihm umgehen oder auch auf ihn eingehen, wäre vielleicht aber eine erfolgreichere Politik Europas, als seine Argumente ständig damit zu bestätigen, daß man Nato-Truppen immer näher ohne Puffer an die russischen Grenzen schiebt. Die letzte Idee, zur Abschreckung Rußlands Bundeswehrsoldaten in Litauen zu stationieren, dürfte der russischen Armee nun nicht vor Angst die Haare zu Berge aufstellen, wird aber auch sicher von Putin entsprechend als Maßnahme des Westens im Rahmen des von diesem gegen Rußland wieder aufgenommenen “Kalten Krieges” medial und argumentativ ausgeschlachtet werden, vor allem im eigenen Land. Und das Patroullieren von US-Kriegsschiffen vor der russischen Ostseeküste als normal, das dortige “Auftauchen” russischer Militätjets als unangemessene Provokation zu beschreien, ist aus meiner Sicht nichts anderes als NATO-Propaganda, sicher nicht zielführend im Sinne einer anzustrebenden besseren Nachbarschaft und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem östlichen Nachbarn der EU. Vielleicht sollte man bei der Bewertung Putins auch ins Kalkül ziehen, daß die allgemeine Bewertung, es könne nicht schlimmer kommen, sich in der Geschichte immer wieder als Trugschluß erwiesen hat. Wer will heute sagen, welche Person oder welche Gruppe nach einem Abgang Putins in Rußland an die Macht kommen könnte, um den von vielen Russen offenbar als nicht hinnehmbar und damit rückgängig zu machenden Verlust an Territorium, wirtschaftlicher und militärischer Macht zu gunsten Rußlands zu korrigieren. Dann wird sich eine amerikanische Panzerbrigade irgendwo in Polen u. ein Trupp Bundeswehr im Baltikum als kaum mehr als eine militärische Fußnote erweisen.
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