Michael Wolffsohn, Gastautor / 17.09.2014 / 18:37 / 19 / Seite ausdrucken

Raed Saleh ist der Richtige für Berlin

Michael Wolffsohn

Nach der Wowereit-Ära hat Berlin die Wahl: Weltstadt oder Posemuckel? Und damit ist klar, wer der nächste Regierende Bürgermeister sein muss.

Raed Saleh, 37, ist Fraktionschef der SPD. Im Westjordanland geboren, wuchs er in Spandau auf und machte schnell Parteikarriere. Seit drei Jahren ist er Fraktionschef im Abgeordnetenhaus. Nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit bewirbt er sich gemeinsam mit SPD-Chef Jan Stöß und Stadtentwicklungssenator Michael Müller um die Nachfolge als Regierender Bürgermeister.

Berlin, „watt haste dir vaändert“. Einst galt unser Berlin – zurecht oder nicht – als der Ort und Hort des Preußentums. Das Wort „Preußentum“ hatte dabei (zu Unrecht) einen negativen Klang. Wie auch immer. Jedenfalls galt Berlin lange als „Deutschland im Quadrat“, wobei mit Deutschland vor allem dies verbunden wurde: Hochleistung, Effizienz, Tüchtigkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Zack-Zack und Ähnliches. Auch im Negativen. Berlin war die Zentrale des Holocaust, die Stadt des Schreckens. Nach 1945 waren wir sozusagen Hauptstadt des Kalten Krieges. „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“, hatte unser legendärer Bürgermeister Ernst Reuter im September 1948 in die Welt gerufen.

Sie schaute auf uns, und die Freie Welt, allen voran die USA, schützten uns. Zugleich waren wir als ideologische Frontstadt das Symbol der Freien Welt gegen die DDR und alle anderen kommunistischen Diktaturen. Es war daher folgerichtig, dass US-Präsident John J. Kennedy im Juni 1963 der jubelnden Menge am Schöneberger Rathaus zurief: „Ich bin ein Berliner“. Mit dem Fall der Mauer endete auch diese welthistorische Rolle.

Viele in der Welt bekamen nach Mauerfall und Wiedervereinigung erneut Angst vor diesem größeren Deutschland und erst recht vor dessen Hauptstadt. Das Angstbild über Deutschland wurde auf die alt-neue Hauptstadt, Berlin, übertragen. So weltbildlich gesehen, war gerade die „arm, aber sexy“, leistungsferne, Larifari-, kommste-heut-nich-kommste-morgen-Ära unter Klaus Wowereit geradezu ein Glückfall für Berlin. Nun versinnbildlichte unsere Stadt die (vermeintliche) „Leichtigkeit des Seins“. Wir wurden Party-Welthauptstadt, und dennoch blieb unsere Stadt auch als Metropole weitgehend die Summe unserer Kieze. Einem der Kieze entstammte Wowi. Den „Duft der großen weiten Welt“ überlagerte auch zu Wowis Zeit der Kiez-Mief. Für weltkulturelle Frischluft hatte Kultur-Staatssekretär André Schmitz gesorgt.

Doch nicht erst seit dem BER- und auch Tempelhofdebakel ist uns und aller Welt klar: Die Party ist vorbei. Jetzt ham wa den Salat. Katerstimmung herrscht. Im In- und Ausland macht man sich über uns lustig. Das ist bisweilen sogar liebenswert und ganz charmant. Wenn aber eher über kurz als über lang nichts mehr im Alltag klappt, ist Schluss mit lustig. Jetzt steht Berlin am Scheideweg. Will es als Mega-Kiez Posemuckel werden oder sich weiter zu einer echten Weltstadt entwickeln?

Das künftige Berlin braucht weiterhin die Verbindung von Welltluft plus Kiez.

Das künftige Berlin braucht auch weiterhin die neu-Berliner Leichtigkeit des Seins - jedoch ergänzt um Ernsthaftigkeit, Zuverlässigkeit, Dynamik und Leistung in allen Lebensbereichen, allen voran Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur.

Das künftige Berlin braucht einen Regierenden, der trotz Partys Ordnung und damit auch Polizisten schätzt und nicht geringschätzig Bullen nennt.

Das künftige Berlin braucht einen Regierenden, der zwar oben sitzt, aber genau weiß, wie es unten zugeht und der weiß, wo und wen „der Schuh drückt“.

Das künftige Berlin braucht Wirtschaftsfreundlichkeit plus ein Herz für Soziales.

Das künftige Berlin braucht einen Regierenden, der, wie einst Willy Brandt und Gerhard Schröder, den Weg von unten nach ganz oben geschafft hat und damit unausgesprochen sagt: „Ja, ihr könnt’s auch.“ Dieser Zuruf muss nicht zuletzt für Berliner mit Migrationshintergrund glaubwürdig, also gelebt worden sein. Sonst verkümmert das Gerede von Integration zur Phrasendrescherei.

Das künftige Berlin braucht einen unideologischen, pragmatischen Regierenden Bürgermeister, der durch Herkunft und Werdegang Tradition, Innovation sowie Integration personifiziert.

Das künftige Berlin braucht einen Brückenbauer. Es braucht eine Persönlichkeit, die über Parteigrenzen hinweg ganz viele Berliner miteinander verbindet und somit an unsere Stadt bindet: die Berliner verschiedenster Generationen, Nationen, Religionen, Konfessionen und Schichten.

Raed Saleh steht für all das. Er ist der Richtige für Berlin.

Zuerst erschienen auf tagesspiegel.de

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Leserpost

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Joachim Willert / 17.09.2014

Rolf Eden for Bürgermeister!!! Arm aber Sexy ist nicht seine Welt.  Wohl aber eine Überdosis an Geschäftssinn und Sex. Mit ihm als Bürgermeister wäre das BER Abenteuer nicht passiert. Mit seinen Nightclubs bewies er , daß man in einem provincialen Nest die angesagtesten Promis beherbergen kann. Mit seinen über 20 Mietshäusern half er die perpetuelle Wohnungsnot zu lindern. Mit der vorbildlichen Versorgung seiner 7 Kinder zeigt er uns sein soziales Engagement. Die meisten unserer heutigen jungdynamischen Volksvertreter werfen frühzeitig das Handtuch. Rolf ist mit seinen 84 (Vierundachtzig ) Jahren erst Mitten drin. Und was ist das Erfolgsrezept? Lernen, im rechten Moment das richtige zu tun, und die Naivität anderen zu überlassen. Unser neuer Bürgermeister täte gut daran, Edens Schatzkästchen anzuzapfen. Munter bleiben

Boris Biller / 17.09.2014

Ich verstehe nicht, weshalb nun auch die Achse sich an der Propaganda des Tagesspiegel beteiligt. Wer Saleh einmal live gehört hat und Zeuge seiner sprachlichen Hölzernheit wurde, der kann ihn nicht ernsthaft für das Amt des Bürgermeisters empfehlen - es sei denn, ihm liegt es an der totalen Blamage der Berliner SPD für die kommende Abgeordnetenhauswahl. Ich weise außerdem daraufhin, dass in der Online-Umfrage des Tagesspiegel Saleh bei sagenhaften 3% (ja, drei) Unterstützern gelandet ist. Das alles ist nur noch eine große Farce!

hildegard behrendt / 17.09.2014

Nein Herr Wolfssohn,  Herr Saleh ist genau das falsche Signal für Berlin und die schweigende Mehrheit im Lande,  die sich so bewiesen hat am Sonntag beim Aufruf gegen Antisemitismus. Und Saleh als Palästinenser ist auch für die Migranten ein völlig verqueres Signal. Ich begreife Sie hier überhaupt nicht. Die Migranten mit islamischem Hintergrund werden noch mehr Anpassung der Deutschen an die islamische Kultur verlangen. Das Einfalltor für mehr Scharia wäre noch größer. Wir haben in diesem Land doch wohl noch christliche oder jüdische Politiker,  die solche Posten ausfüllen können. Ich möchte kein Berlinistan.

Axel Wahlder / 17.09.2014

Lieber Buschkowsky.

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