Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat einen Bildungsauftrag. Früher wurde der von Mathematiklehrern mit hässlichen Pullis un Bauchansatz erfüllt, die einst binomische Formeln, den Satz des Thales und dergleichen erklärten. Den Typus sieht man heute nicht mehr, höchstens bei William Cohn als Anmoderator für Böhmermann. Aber dennoch gibt es ihn, den Bildungsauftrag, noch jedenfalls, etwas fescher, mit offenem Hemd und schickem Langhaarschnitt. Precht heißt er und Recht hat er, jedenfalls denkt er das.
Allerdings wird Bildung eben nicht mehr objektiv und sachlich präsentiert, sondern als Legierung mit hohem Gesinnungsanteil. Wurde in den 90ern noch Robert Atzorn als Lehrer Dr. Specht von Staffel zu Staffel in immer düstere Gegenden des Landes strafversetzt, übernimmt die Rolle des Oberlehrers jetzt Richard David Precht, der das Licht der Erkenntnis bringen solle. Im Gegensatz zum Telekolleg kann sich Precht selbst aussuchen, was er unterrichtet. Und genau da liegt der Fehler, den man beim ZDF begeht, ist doch Precht ein klarer Fall von Gesinnungsethiker.
Ein dummer Popanz nach dem anderen
Als Beispiel nenne ich sein Buch „Über die Kunst, kein Egoist zu sein“. Er entfaltet darin wirtschaftstheoretische Ansätze und beginnt nach anfänglich durchaus sachlicher Beschreibung dessen, was Andere erdacht hatten, einen dummen Popanz nach dem anderen aufzubauen. Precht ist für mich der Inbegriff des Tendenziösen, des scheinbaren Experten für alles, des Einäugigen, der Blinde leiten soll. Das durchaus interessante Buch „Wer bin ich – und wenn ja: wie viele?“ blieb durchaus sachlich.
Aber wenn man sich seine philosophische Talkshow im ZDF ansieht, kann man ein immer wiederkehrendes Strickmuster entdecken. Er lädt sich mit ganz wenigen Ausnahmen stets Gäste ein, die entweder seiner Meinung sind. Dann fragt er nicht, sondern monologisiert über Minuten, dass sein Gegenüber nur noch sagen muss: „Ja, Sie haben Recht“.
Oder er lädt gezielt Fachfremde ein. Jean Claude Juncker saß in seiner Sendung und war eine thematische Fehlbesetzung zum Thema Geld. Ich unterstelle eine bewusste Fehlbesetzung, Precht holt sich gern Stichwortgeber ohne Ahnung, zumindest in jenen Themenkomplexen, die er entweder nicht genau kennt oder die er aus ideologischen Gründen nicht mag.
Worthülsen wie Neoliberalismus oder Kapitalismus
Juncker saß da, weil Precht einem Ökonomen vom Schlage Hans Werner Sinns nie und nimmer gewachsen wäre. Mit Worthülsen wie Neoliberalismus oder Kapitalismus kommt man da nicht weit, bei Juncker hingegen schon. Insofern ist Precht wie ein zweitklassiger Stürmer im Fussball, der dafür sorgt, dass er gegen drittklassige Abwehrspieler antritt.
Ein weiteres Strickmuster ist, dass Precht eine Handvoll Herzensthemen hat, die er per Taschenspielertrick als objektiv und wissenschaftlich darzustellen versucht. Diese Themensetzung ist Ausdruck purer Gesinnung, die er mit Versatzstücken fremder Denker, Philosophen und Wissenschaftler anreichert. Er bringt insofern in seinen Büchern keine eigenen Gedanken zu Papier, sondern die großer Denker. Allerdings bemerkt Lieschen Müller dies nicht.
Erstens treibt ihn das Thema Schulbildung an. Noten und nach Leistungsstärke gestaffelte Schulen sind ihm ein Dorn im Auge. Es ginge, so Precht im Dauermonolog mit dem Bildungsforscher Hüther als Zuhörer, allen Schülern so viel besser, sie hätten dann mehr Leidenschaft, wenn es keinen Wettbewerb gäbe, sondern eine Einheitsschule ohne Noten. Überhaupt ist die Wettbewerbsfeindlichkeit ein Grundmotiv Prechts.
Ständig werden Andersdenkende pathologisiert
Nicht allen, gesteht er dann, ginge es besser. Diejenigen, die es heute aufgrund des mehrgliedrigen Schulsystems auf eine Eliteuni geschafft hätten, hätten natürlich in einem solchen Einheits-System keine Chance mehr hierauf, aber wozu benötige man diese Elitestudenten schon. Er ist schlicht gegen Elite. Und was so überflüssig ist, kann ja auch gleich ganz weg. In seinen Augen ist er selbst offensichtlich die einzige Elite, die es geben darf. Warum also noch weitere Elite?
Ein zweites Thema ist die Ablehnung von Fleisch als Nahrungsmittel. Forscher, die sich mit der Wesensähnlichkeit von Menschen und Affen auseinandersetzen, sind ihm die liebsten. Sie kommen fast durchweg gut weg. Ist das Tier dem Menschen recht ähnlich, verbietet sich ja fast automatisch sein Verzehr.
Im Grunde pathologisiert er ständig Andersdenkende, ist insofern eine männliche Juli Zeh und betreibt damit eine Ausgrenzung, die man, wäre er nicht grundsätzlich links ausgerichtet, als Populismus bezeichnen würde. Seine politische Ausrichtung bewahrt ihn vor schlechter Presse. Allenfalls die lückenhafte Patchworkmethode findet Kritik, nicht hingegen seine fast sektenhafte politische Tendenz.
Die politische Ausrichtung bewahrt vor schlechter Presse
Überhaupt passt der Begriff des philosophischen Populisten auf Precht wie maßgeschneidert, wie ich meine. Die akademische Philosophie hat jede Bodenhaftung verloren, weshalb er sozusagen die Marktlücke schließt, indem er Kurzschlüsse schaltet, halbwegs verständlich formuliert, aktuelle Themen grob anleiert und einen Parforceritt durch die Geistes- und Naturwissenschaft durchzieht. Populär reicht nicht, es muss noch gesteigert sein, daher populistisch.
Die permanente Tendenz, sich genau die Versatzstücke von Denkern herauszusuchen, die seinem Weltbild entsprechen, macht ihn eigentlich zum Unphilosophen. Es ist keine redliche Abwägung festzustellen, wie ich meine. Auf der Leipziger Buchmesse sagte mir ein Gesprächspartner, Precht lache nie bei öffentlichen Auftritten, um sich eine Aura der Ernsthaftigkeit zu geben, dass man ihn auch in Kreisen wirklicher Philosophen für ebenbürtig hielte.
Mir scheint das recht plausibel zu sein. In Abwandlung des lateinischen Sprichwortes barba non facit philosophum könnte man sagen: Philosophen dürfen durchaus lachen und Ernsthaftigkeit macht noch keinen zum Philosophen. Oder bezogen auf die mediale Welt im ZDF-Kosmos: steht die Sonne tief, werfen auch Zwerge einen großen Schatten.