Steffen Meltzer, Gastautor / 14.11.2017 / 06:25 / Foto: Alestivak / 15 / Seite ausdrucken

Polizei-Konflikte: Eine Innenansicht

Von Steffen Meltzer.

Gegen die Führung der Berliner Polizei gibt es inzwischen eine lange Liste von Vorwürfen. Eine Schießstand-Affäre mit toten und erkrankten Polizisten, Vorkommnisse an der Polizeiakademie, Strafanzeigen und gefälschte Zeugnisse werden immer wieder medial genannt. Der Umgang mit diesen Problemen, kommt mir auch als Brandenburger Polizeibeamter sehr bekannt vor.

Statt einer Konfliktbewältigung und Fehlerkultur erscheint mir ein altbekanntes Muster, eine  Erfolgsmelde-und Schönschreibekultur. Es ist scheinbar überall das Gleiche. Unmengen an zahnlosen Papiervorlagen, Führungsleitlinien mit trivialen Inhalten und wichtigtuerische Workshops mit viel Tamtam prägen in der Theorie das Leitbild. Ein archaisches Konfliktverhalten aus dem vergangenen Jahrtausend ist dagegen nicht selten die Realität. Kein Wunder, dass viele Beamte den anonymen Weg über die Medien bevorzugen, um nicht Mut mit Leichtsinn zu verwechseln.

Denn der Beamte muss mit Pranger oder Verbannung rechnen. Konkret mit der Versetzung an einen von zuhause weit entfernten Dienstort. Das entspricht  der weit verbreitete Kultur des Mobbings. „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht“ …wusste schon Kurt Tucholsky zu berichten.

In Brandenburg 10 Prozent Krankenstand bei Polizeibeamten

Geändert hat sich seitdem nach meiner Wahrnehmung nichts. Wer als Beamter meint Überbringer schlechter Nachrichten sein zu müssen und innerhalb der Behörde fair Missstände klären zu können, läuft Gefahr seine Offenheit bald an einem anderen Ort praktizieren zu müssen. Alte und neue Verwaltungen und Polizeiführer kommunizieren dann eifrig untereinander, um dem Sachkritiker am nunmehr neuen Dienstort eine liebevolle Betreuung angedeihen zu lassen..

Hierfür wurde von dem Psychologen und Professoen für Arbeits- und Organisationspsychologie Dieter Zapf der Begriff „Systemmobbing“ geprägt. Die Folgen können schwere Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Herzinfarkt sein, wenn nicht gar der Freitod gewählt wird. Die hohen Krankenstände in der Polizei sprechen eine deutliche Sprache, in Brandenburg betreffen diese seit Jahren kontinuierlich mehr als 10 Prozent der Belegschaft. Jedes Unternehmen würde daran zugrunde gehen.

Man darf sich in solchen Fällen einen Anwalt nehmen und die Auseinandersetzung auch öffentlich machen – wenn man innerhalb seiner Behörde kein Gehör findet und dadurch persönlich geschädigt wurde. Ursula Sarrazin hat das eindrucksvoll bewiesen, allerdings als pensionierte Lehrerin. Über die Folgen muss man sich allerdings im klaren sein.

Wenn sich Kollegen wegen Mobbings an mich wenden rate ich ihnen, sich auf keinen Fall an die behördlichen „Mobbingbeauftragten“ innerhalb der Polizei zu wenden. Deren Aufgabe ist es eher, Mobbingfälle unauffällig zu entsorgen. Diese müssten nämlich gegen den Dienststellenleiter ermitteln, dem sie zugleich unterstehen. Ein hausgemachter Treppenwitz. Deshalb gibt es offiziell auch keine menschenverachtenden Umgangsweisen innerhalb der Polizei. In Brandenburg werden erst gar keine Statistiken über Mobbingbeschwerden erstellt.

Die Berliner Art Konflikte in hierarchischen Strukturen zu lösen, dringt auch immer mal wieder nach draußen. Eine konstruktive Kritik sei bei dieser Polizeiführung nicht erlaubt, berichtet das das Mitglied des Innenauschusses Maik Penn, ein ehemaliger Berliner Polizist. Aussitzen, abstreiten, mit Strafanzeigen drohen sind in solchen Fällen oft die Mittel der Wahl. Die Karriere des Betreffenden ist ohnehin kein Thema mehr. Da ist es wirklich angebracht, lieber einen anonymen Brief zu schreiben. Oder noch besser in Deckung zu bleiben, will man am bestehenden Dienstort überleben. In den Chefetagen nimmt man nach meiner Wahrnehmung Kritik als Majestätsbeleidigung auf und keineswegs in der Sache. Man sollte sich deshalb wirklich gut überlegen überlegen, ob man remonstriert.

Statt mehr Stellen eine kurierte Statistik

Spötter sagen, die Anzahl narzisstisch geprägter Führungskräfte mit Ellenborgenmentalität korreliere mit dem Stellenabbau in der Polizei. So erklärte einst ein Brandenburger SPD- Innenminister den verblüfften Gewerkschaftsmitliedern der Gewerkschaft der Polizei (GdP) allen Ernstes, dass man nach der Grenzöffnung nach Osteuropa nicht mit einem Anstieg der Grenzkriminalität gerechnet habe.

Parallelen zur Flüchtlingskrise sind keineswegs zufällig. Statt Stellenaufwuchs erfolgte  Stellenabbau und eine vorteilhaftere Art der Erfassung der Brandenburger Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Vor allem aufgrund des öffentlichen Drucks musste die einst so schöne PKS wieder „korrekt“ nach den Vorgaben des BKA geführt werden.

Nur wenige Menschen sind zum Helden geboren und selbst die abgeminderte Form davon, man nennt sie „Zivilcourage“ kann schnell existenzbedrohend werden. Ein geschicktes System von „Lob und Tadel“ verhindert, dass Konflikte hervor geholt werden, um diese produktiv zu klären.

Dabei sind Konflikte gar nichts schlechtes, sie tragen dazu bei, dass sich Institutionen und ihre Mitarbeiter weiter entwickeln können. Nur dort, wo noch die antiquierte Strategie „Ober sticht Unter“ vorherrscht, in denen Dienststellungen über Sachinhalte obsiegen, Vorgesetzte ungehindert ihre Macht gegenüber Unterstellten missbrauchen, herrscht das beklemmende Klima von Duckmäusertum, Denunziation und der Doppelmoral.

Das Beamtenprinzip „Eignung, Leistung und Befähigung“ wird ad absurdum geführt, wenn „Beurteilungen“  im Öffentlichen Dienst folgenlos als Repressionsmittel eingesetzt werden können, solange dabei keine Formfehler begangen werden. Ein vorgesetzter Hauptkommissar hat schlußendlich die Macht, einem Mitarbeiter verminderte kognitive Fähigkeiten zu bescheinigen. Kritik über heißt in vielen Fällen immer noch: „Karriere beendet“ – egal wie verdient ein Kollege auch sein mag.

Steffen Meltzer, Buchautor von „So schützen Sie Ihr Kind! Polizeitrainer vermittelt Verhaltensrichtlinien zur Gewaltabwehr“ und „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“.

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Leserpost

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Ramon Sanchez / 14.11.2017

Traurig aber leider wahr. Leider ist dieses System auch nicht auf B und BB beschränkt. Ähnliches kann ebenso in allen anderen Bundeländern beobachtet werden.

Rainer Nicolaisen / 14.11.2017

Tja, in Deutschland gibt’s eben so etwas wie Staatsrachekultur an denen, die sich dem “Es kann -nicht-sein-was-nicht-sein-darf” der “Oberen” verweigern.

Klaus-Dieter Ohström / 14.11.2017

Hallo Herr Metzer, man köönte ja bei Ihrem Artikel fast meinen, die armen Polizisten. Nur, in 99 % aller Behörden in Deutschland geht es doch ähnlich zu.  Ich erinnere mich noch an eine Personalversammlung in einer bedeutenden Behörde (den Aufgaben nach, nicht der Größe) als der Leiter einem Kollegen, der etwas bemängelte sagte ” Herr Kollege, wir sehen Ihrer Kündigung mit Freude entgegen”.  Beadrf das noch nähere Erläuterungen ?

Nico Schmidt / 14.11.2017

Sehr geehrter Herr Meltzer, wir können uns bald bei den Polizeiführungen in Südamerika einreihen. Ich hoffe für uns alle, dass Sie maßlos übertrieben haben, zumindest sagt das ja die Polizeiführung von Berlin. MfG Nico Schmidt

Christian Goeze / 14.11.2017

Ach wie wohltuend ist es, wenn echte Fachleute Artikel schreiben!

Jürgen Müller / 14.11.2017

Zu diesen Vorgehensweisen erinnere ich “alte” Zeilen von Günter Kunert: Weil ich gesagt habe: Hier stinkt’s wurden über meinem Kopf einige Nachttöpfe entleert: als Gegenbeweis. (Günter Kunert - 1977)

Christian Loroch / 14.11.2017

Die Besonderheit des Preußischen Beamtentums war einmal, dass die Beamten auf das Recht eingeschworen waren und mit Selbstbewusstsein politischer Einflussnahme entgegen getreten sind. Im berühmten Fall des Müllers Arnold haben sich die Beamten sogar eher in Festungshaft begeben, als auf Druck des “Alten Fritz” das Recht zu beugen. Das ist vom Tisch, die Polizeioberen liefern das, was der Minister gerne sehen möchte. Die Zeit, in der sich Vorgesetzte vor Ihre Untergebenen gestellt haben, ist vermutlich weitgehend vorbei, wenn ich das so richtig interpretiere. Allerdings muss man auch sehen, wie die Polizei heutzutage durch Medien, Politik und Bürger unter Druck gesetzt werden. Jeder (auch nur vermeintliche) Fehler wird skandalisiert, ohne zu sehen, welchen Belastungen Polizisten ausgesetzt sind. Immer nur einstecken zu müssen führt zu übervorsichtigem Verhalten und verstärkt die Neigung zum unter-den-Teppich-kehren. Daher halte ich trotz Vorbehalten sehr viel von dem Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Herrn Wendt. Der macht sich wirklich zum Sprachrohr für seine Beamten - und nimmt Prügel in Kauf. Wir bräuchten mehr von diesen Leuten, welche querschießen und das Kreuz durchdrücken können, und zwar in den Führungsetagen. Von den einfachen Polizisten kann man das zuletzt verlangen.

Thomas Schmied / 14.11.2017

Hatte im Einsatzgeschehen früher täglich, vor Ort, mit der Polizei zu tun. Wer glaubt, Rettungsdienst und Feuerwehr seien die gefährlichsten Jobs, hat nie mal Polizeiarbeit real erlebt. Da steht oft die Gesundheit und die körperliche Unversehrtheit der Polizisten im wahrsten Sinne auf Messers Schneide. Das ist teilweise russisches Roulette. Hinzu kommt noch, dass Polizei von allen Einsatzkräften die größte Aggression auf sich zieht. Provokationen der Polizei sind fast schon die Regel. Die üblichen Verdächtigen unter den Migranten spielen dabei stets die Hauptrolle (sorry, so ist es eben). Für sie ist es wie ein lustiger Machtkampf. Für die Polizisten ist es ungeheuer anstrengend. Man möchte da fast manchmal die Polizisten schützen. Es gibt keinen Respekt mehr auf der Straße. Respekt kann Polizei nur noch mit klarer Übermacht und/oder Waffe im Anschlag herstellen. Dann werden sie als “Nazi” beschimpft. Das wird nicht besser, das wird immer schlimmer -  so meine Erfahrung. Ja, unter diesen Umständen bin ich froh, heute kein Polizist zu sein und auch aus dem Einsatzdienst raus zu sein. Idealismus? Vergesst es besser!

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