Vera Lengsfeld / 10.01.2015 / 17:18 / 18 / Seite ausdrucken

Politiker im Tal der Ahnungslosen

Bild jubelt: 35 000 Dresdener vor der Frauenkirche für ein weltoffenes, tolerantes Dresden! Aufstand der Anständigen auf sächsisch.

Aufgerufen haben MP Tillich und die Dresdener OB Orozs. Das hätten sie als Privatpersonen gern tun können, aber sie taten es in ihrer Funktion als Regierende der Stadt und des Landes. Als Amtsträger sind sie aber zur Neutralität verpflichtet. Aus eben diesem Grund hat das Verwaltungsgericht in Düsseldorf dem Düsseldorfer OB Geisel (SPD) eine Demonstration gegen Degüda verboten.

Entsprechende Texte auf der Internetseite der Stadt Düsseldorf müssten entfernt werden, entschied eine Kammer des Gerichts am Freitagabend, wie die Welt meldet.

Geisel hatte auf der offiziellen Seite der Stadt Unternehmen und Geschäftsleute dazu aufgerufen, während der für Montag geplanten Demonstration die Beleuchtung abzuschalten. Außerdem hatte er zur Teilnahme an einer Gegendemonstration aufgerufen, was er laut Gerichtsentscheidung ebenfalls nicht darf. Er dürfe auch keine städtischen Ressourcen nutzen.

Im Tal der ahnungslosen Politiker hat es sich diese Neutralitätspflicht von Regierungsamtsinhabern noch nicht herumgesprochen.

Es wurden von Stadt und Land Vereine und Institutionen angeschrieben mit der Aufforderung, sich an der Demo zu beteiligen. Wem seine Subventionen lieb sind, der wird sich beteiligt haben. Gut bezahlte Helfer verteilten breit Demoaufrufe. Angeblich soll sich die Entlohnung für sie von 10€ beim letzten mal auf 25€ erhöht haben.  Auch Kulturschaffende sind dabei. München hatte bei einer solchen Gelegenheit Konstantin Wecker aufgeboten, der auf eine ähnliche Drogenkarriere zurückblicken kann, wie Lutz Bachmann, was bei Wecker aber von keinem Qualitätsjournalisten kritisch vermerkt wurde. Dresden hat Roland Kaiser präsentiert.

In München waren bei der nächsten Gegendemo ohne Gratiskonzert nur noch ein paar hundert Menschen dabei. In Dresden war im Dezember die Teilnehmerzahl der Gegendemo ohne staatliche Hilfe von offiziellen 11000 auf 3000 zurückgegangen, etwa die Anzahl, die „Dresden nazifrei“ aufbieten kann.

Was ist eine staatlich verordnete Kundgebung wert? Nicht viel, wie die Erfahrungen aus der DDR zeigen. Man geht hin, um keinen Ärger zu bekommen. Warum werden solche Kanonen aufgefahren, obwohl die Pegida- Leute nicht mehr als (Dreck)spatzen sein sollen?

Es ist wohl das richtige Gefühl, dass es eben nicht um ein paar durchgeknallte Außenseiter geht, die zur Räson gebracht werden müssen. Es ein Konflikt der selbsternannten Eliten und dem Volk, das sich nicht mehr alles bieten lassen will, was ihm von Politik und Medien als alternativlos zugemutet wird. Es wird spannend, wie viele es am Montag sein werden, die aus eigenem Entschluss auf die Straße gehen.

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Sebastian Trosse / 12.01.2015

Ich kann leider nicht erkennen, warum der Aufruf zu einer Veranstaltung “für Toleranz und Weltoffenheit” die politische Neutralität verletzt? Ich kann in dem Schreiben von Stadt und Land auch keine Aufforderung erkennen an der Veranstaltung teilzunehmen. Für mich und meine Freunde (alles Arbeitnehmer keine politischen Funktionen, also Teile des “normalen” Volkes) nehme ich in Anspruch vollkommen freiwillig am Samstag in DD gewesen zu sein. Bei allem Respekt vor ihrer Vita, ihr Artikel hat mir doch einen Tick Polemik zu viel. P.S. Ich habe im übrigen auch nicht das Gefühl, dass es sich um einen Konflikt zwischen Politik und Volk handelt, sondern um den zwischen ein paar Unfähigen auf der einen und ein paar Unzufriedenen auf der anderen Seite.

Jörg Scheibe / 12.01.2015

Frau Lengsfeld, ich stimme Ihren Ansichten, weiß Gott, selten zu, aber diesmal sage ich ausdrücklich DANKE für diese klaren Worte!

Hjalmar Kreutzer / 11.01.2015

Die Mechanismen der Machtausübung aus DDR- Diktaturzeiten feiern fröhliche Urständ! Vom Staatsapparat wird Betrieben und Institutionen und dem Bürger, dem seine wirtschaftliche Existenz lieb ist, vorgeschrieben, wogegen sie zu demonstrieren haben! 1976 gab es im Neuen Deutschland anläßlich der Ausbürgerung Biermanns dutzendweise bestellte Artikel und Leserbriefe, die sich über Biermann und die Künstler empörten, die Biermann unterstützt hatten und im Falle Dieter Noll eine schleimtriefende Ergebenheitsbekundung enthielten. Eine sachliche Auseinandersetzung mit der Petition der Künstler oder Biermanntexten fand öffentlich nicht statt. Der Blockflöten-CDU-Funktionär Tillich hat es offenbar nicht verlernt. Sollte die Ver(sch)wendung von städtischen oder Landesgeldern für diese Kampagne juristisch belegbar sein, wäre unabhängig von der Erfolgsaussicht eine Anzeige bei der Dresdener Staatsanwaltschaft wegen Untreue zu erstatten. Wer kann es belegen und wer tut es?

Max Wedell / 11.01.2015

Wer kann das noch ernst nehmen, wenn Politiker und Medien sich über “Wir sind das Volk”-Rufe von 20.000 als “Anmaßung” aufregen oder das sonstwie verhöhnen, aber nach Gegendemonstrationen von zwar mehr, aber auch nicht so viel mehr Menschen ganz stolz verkünden: “Die deutsche Gesellschaft hat gezeigt, daß sie anders denkt”. Aha, habe ich das also richtig verstanden, 20.000 Pegida-Demonstranten sind zwar überhaupt nicht “das Volk”, aber einige zehntausend Gegendemonstranten wären dann “die deutsche Gesellschaft”? Man kommt teilweise aus dem Lachen nicht mehr heraus…

Matthias Reis / 11.01.2015

Auf der Suche nach der Wahrheit So so, man hat also amtsmissbräuchlich, zu einer Kundgebung aufgerufen! Das geht aus meiner Sicht gar nicht! Auf der Suche nach der Wahrheit finden sich jedoch viele solcher Behauptungen und eben so viele Gegenbehauptungen. Das reicht von 10 Euro für jeden Teilnehmer bis hin zu 10 Euro für ein paar Luftballonverteiler. Was stimmt denn nun? Ich weiss es nicht! Ein Fall aus dem Norden habe ich jedoch gefunden. Da wurde ein Schreiben eines Landrates veröffentlicht, der seine Mitarbeiter zu einer Gegendemo aufgerufen hat und dieser deshalb mit viel Häme überschüttet. Ein Skandal, wenn es denn wahr gewesen wäre! Schon wenige Stunden später musste man das Foto des Schreibens wieder entfernen, da für jeden leicht erkennbar war, dass es sich um die plumpe Fälschung auf der Basis eines Knöllchens handelte. Nunja, ich werde weiter suchen, denn unbelegten Behauptungen glaube ich schon lange nicht mehr - zumindestens versuche ich es. Leider bin ich auch in diesem interessanten Beitrag hier nicht fündig geworden. Vielleicht sehe ich aber auch die Schuld vor lauter Beweisen gar nicht. Dennoch freue ich mich, diese Seite für mich entdeckt zu haben! Weiter so!  

Claudia Cometh / 11.01.2015

Die interessante Frage ist ja, ob die staatlicherseits aufgeforderten / organisierten Gegendemonstranten Anspruch auf Mindestlohn haben und wie die Arbeitszeit bemessen wird.

Dr. Wolfgang Hintze / 11.01.2015

Die heutige Tagesschau (10.01.15 20:00 ARD) berichtete ausführlich über die Demonstration gegen Pegida in Dresden. Eine echte Überraschung für den Zuschauer war die von Ministerpräsident Tillich im Interview verkündete Zielstellung der Demonstration: den Teilnehmern an den wöchentlichen Pegida-Demonstrationen einen Dialog anbieten. Wörtlich sagte er “ich glaube, dass wir eine Vielzahl von Plattformen, von Möglichkeiten haben, wo das schon stattfindet, aber wir werden diese erweitern, d.h. zusätzliche Angebote schaffen, damit wir mit denjenigen ins Gespräch kommen können,die mit ihren Ängsten am Montag Abend auf die Straße gehen” Haben wir das richtig verstanden? Also nicht Demo und ein Zeichen setzen GEGEN Pegida, sondern Angebot zum Dialog MIT Pegida. Es scheint inzwischen reichlich Konfusion bei den Pegida-Gegnern zu herrschen ... Die Medien können einem bei diesem Schlingerkurs beinahe leid tun, denn sie fühlen sich ja bekanntlich der Wahrheit und nur der Wahrheit verpflichtet.

Ralf Tetzner / 10.01.2015

Ja, das wird spannend. Allerdings wird es auf die Dauer nicht viel nützen. Die Frequentierer der Tröge werden im Zweifel immer wieder ähnliche Momente herbeiführen, bei denen PEGIDA oder vergleichbare Äußerungen des Bürgerwillens in Entscheidungssituationen gebracht werden, wo sie ihre Existenberechtigung über permanent steigende Besucherzahlen nachweisen müssen. In dem Moment, wo diese Zahlen geringer werden, ist das Schicksal besiegelt. Unsere Liga der Selbstgerechten wird sich dann nicht die Chance entgehen lassen, auch noch das letzte Faß Jauche (“Wer ist jetzt das Volk?!”) anzustechen. Übrigens ähnlich wie 1989, da wäre bei sinkenden Demonstrantenzahlen auch schnell Schluß gewesen. Und das nicht nur, weil der Staat dann aufgetrumpft hätte - so mancher Opportunist hätte dann eine 360-Grad-Wende hingelegt.

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