Beda M. Stadler, Gastautor / 26.03.2008 / 15:48 / 0 / Seite ausdrucken

Placebo forte

Zu Ostern gibts Geschenke, nicht so viele wie zu Weihnachten, man hofft aber, keine faulen Eier zu erhalten. Wegen einer neuen Publikation könnten im übertragenen Sinn vermehrt faule Eier in den Verkauf geraten. Die Homöopathen werden möglicherweise die Preise für ihre Wässerchen und Kügelchen erhöhen. Der Grund dafür ist die erwähnte Studie im amerikanischen Ärzteblatt («Journal of the American Medical Association»). Die beteiligten Forscher stammen von angesehenen Institutionen, wie etwa dem Massachusetts Institute of Technology und der Stanford Universität. Sie haben herausgefunden, dass ein Placebo besser wirkt, wenn die Probanden glaubten, dass es zwei Dollar fünfzig statt zehn Cent kostet…

Das erstaunt nicht. Wir sind alle Opfer von irrationalen Verhaltensweisen. In meinem Kleiderschrank hängen auch Designerkleidung und Luxusgegenstände, obwohl ich weiss, ein T-Shirt mit einem Krokodil drauf ist weder besser noch schöner. Eigentlich sind die Krokodile sogar hässlich.
Es hat sich hoffentlich in der Zwischenzeit herumgesprochen, dass ein homöopathisches Wässerchen auf dem «C30» draufsteht, x Milliarden Mal weniger als nichts drin hat. Das Erstaunliche ist, dass solche «Medikamente» mit weniger als nichts drin verkauft werden dürfen. Wenn ein Krokodil auf meiner Brust mir ein besseres Gefühl gibt, kann es sein, dass Leute, die homöopathische Kügelchen schlucken, sich auch besser fühlen. Solche «Medikamente», die keine Wirkstoffe enthalten, nennt man Placebos. Normalerweise sind Placebos auch nicht teuer. Beim Homöopathen kosten die die Kügelchen ziemlich viel. Umgerechnet auf den Zuckergehalt macht dies immerhin einen Kilopreis von fast 3000 Franken für den Zucker. Ein Liter Hahnenwasser beim Homöopathen kommt ebenfalls auf 500 bis 3000 Franken. Ein lukratives Business also.
Die wissenschaftliche Studie zeigt somit, dass die «Placebowirkung» verstärkt werden kann, indem man den Preis anhebt. Es stellt sich nun die Frage, ob zuerst die Pharmamultis oder die Alternativmediziner zu einer Preiserhöhung schreiten werden. Wer möchte schliesslich nicht Medikamente, die noch stärker wirken? Tatsache ist, die Pharmaindustrie spielt schon lange mit dem Placeboeffekt. Weisse Tabletten sind am unteren Ende der Wirksamkeitsskala, farbige Pillen suggerieren spezifischere Wirkungsweisen. Grüne Placebos helfen besonders bei Angstzuständen, blaue mehr bei Erregungszuständen, gelbe mehr bei Depressionen, rote bei jeder Art von Schmerzen und Entzündungen. Neben diesen normalen Placebos könnte nun also «Placebo forte» auftauchen.
Was haben faule Eier zu Ostern mit den Alternativmedizinern zu tun? Es macht Spass, Feste zu feiern, auch wenn Leute in meinem Alter nicht mehr an den Osterhasen glauben. Jeder, der sich ein wenig Wellness gönnt, etwa ein Bierchen zu viel zu den Ostereiern oder einen Schokoladeosterhasen als Fruchtbarkeitssymbol, bewegt sich am Rande der Irrationalität. Aber wehe, ich kriege zu Ostern einen Schokohasen ohne Schokolade oder ein faules Ei mit einer gesalzenen Rechnung.

Kolumne, erschienen in der Berner Zeitung vom 22. März 2008

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