Adolf Grünbaum liest seinen Namen nicht selten in der Zeitung. Der 83-jährige Philosophie-Professor aus Pittsburgh (USA) ist ein bekannter Wissenschaftler, unter anderem ist er Ehrendoktor der Universität Konstanz. Aber vergangene Woche war der 1923 in Köln geborene Grünbaum dann doch überrascht. Mehrfach tauchte sein Name in der „New York Times“ auf - in einem Text über eine Hitler-Komödie, die gerade in die deutschen Kinos gekommen war. Dass er nicht gemeint sein konnte, war Grünbaum sofort klar. Irritiert nahm er zur Kenntnis, dass Regisseur Dani Levy sich für Hitlers Gegenspieler im Film „Mein Führer“ ausgerechnet seinen Namen ausgesucht hat.
„Warum, das würde mich sehr interessieren“, sagt der echte Grünbaum im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ich nehme an, es war keine Absicht. Adolf war ja nahe liegend, und Grünbaum war zwar kein häufiger, aber auch kein ungewöhnlicher Nachname deutscher Juden.“ Verstimmt ist der Professor dennoch. Denn er ist der erste Treffer, wenn man „Adolf Grünbaum“ in die Internet-Suchmaschine „Google“ eingibt. Zwar beteuert „X Filme“-Produzent Stefan Arndt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, man habe „alles gecheckt“. Offenbar im Gegensatz zu den Filmemachern hat der Berliner Politikwissenschaftler Clemens Heni aber auch im Internet nachgesehen, den Professor entdeckt und ihm eine E-Mail geschrieben. „Er hat mir sofort geantwortet und schien ehrlich erregt“, sagt Heni. Denn die Namenswahl wirkt vor dem historischen Hintergrund eher peinlich*.
Adolf Grünbaums Familie floh 1938 aus Nazi-Deutschland in die USA. Adolf war damals 15, seine Schwester Susi 10, der Bruder Norbert 9. Im Zweiten Weltkrieg diente Adolf Grünbaum in der US-Army. Als Soldat betrat er die Villa am Berliner Wannsee, in der Funktionäre und Beamte des Dritten Reichs die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen hatten. Die Online-Datenbank der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem verzeichnet vier Menschen namens Adolf (oder Adolph) Grünbaum, die im Holocaust ermordet wurden.
Der fiktive Schauspiellehrer, gespielt von Ulrich Mühe, in Levys Film streckt Hitler mit einem Faustschlag zu Boden. Aber am Ende kann man den Film so verstehen, dass er den „Führer“ wegen dessen schwieriger Kindheit verschont. Über diesen psychologischen Ansatz seines „Namensvetters“ (und des Regisseurs) ist Adolf Grünbaum empört. „Mit dem Namen könnte ich leben, aber diese Entschuldigung für Hitler ist nicht o. k.“ Grünbaum hat sich in einem Buch kritisch mit Freuds Psychoanalyse beschäftigt und hält nichts von vereinfachten Schlüssen aus Freud’schen Theorien. „Ich glaube nicht, dass jemand da jemand sauer sein kann“, hält Arndt dagegen.
Grundsätzlich findet Grünbaum es richtig, über Hitler zu lachen, „wenn dabei entlarvt wird, was das für ein Verrückter war“. Sich nur „drüber lustig machen“, lehnt er aber ab. In welche Kategorie Levys Werk fällt, konnte Grünbaum bisher nicht beurteilen. Er will sich den Film ansehen, falls er je in ein Kino in Pittsburgh kommt. Vermutlich wird er nicht so lange warten müssen. Arndt hat angekündigt, dem Professor eine Kopie von „Mein Führer“ zu schicken. Als Entschuldigung sieht der Produzent das aber nicht. „Da müssten wir uns ja bei allen Lieschen Müllers entschuldigen, die in Filmen vorkommen.“
Kölner Stadt-Anzeiger, 18.1.07
*Weitere Anmerkungen zu dem Fall gibt es auf den geschätzten Internetseiten derjenigen, die Grünbaum zuerst gegoogelt haben: Gudrun Eussner und “Editrix”.