Dirk Maxeiner / 10.12.2015 / 04:10 / 3 / Seite ausdrucken

Paris, unser Lebensstil und die Selbstzweifel

Paris ist eine seltsame Stadt in diesen Tagen. Wie auf einer Drehbühne folgt ein Akt des Weltgeschehens auf den anderen. Dem Publikum kann es ganz schwindlig werden, denn die Bühne dreht sich unablässig. Die Kulissen verschwimmen und man weiß mitunter gar nicht mehr, in welchem Teil des Stückes man sich gerade befindet. Das Überthema bleibt aber einstweilen das gleiche. Es wurde in die Formulierung gegossen: „Es geht um unseren Lebensstil“.

Mit den Terroranschlägen vor vier Wochen, so hieß es,  zielten die Attentäter auf unsere Freiheit und unseren Hedonismus, auf die sich in der Öffentlichkeit küssenden Pärchen, auf ein pulsierndes, lautes und hell erleuchtetes Großstadtleben mit seinen Straßencafes und verschwenderischen Luxusboutiquen, seinen Feierabendstau und seine in die Weltmetropolen jettenden Touristen. Die Formulierung „unser Lebensstil“ wurde geradezu trotzig ausgesprochen, im Sinne von „jetzt erst recht“ und „wir lassen uns das nicht kaputtmachen“.

In diesen Tagen, auf dem Pariser Klimagipfel, geht es erneut um diesen Lebensstil. Diesmal allerdings im eher umgekehrten Sinne. Der westliche Lebensstil mit seinen Autos und Fernflügen, seinem Luxus und seiner Verschwendung gilt plötzlich als die Wurzel allen Klima-Übels. Zehntausende von Delegierten sind sich einig in Ihrer Forderung nach Einschränkung und Begrenzung, nicht wenige halten gar demokratische Prozesse für ungeeignet, um solche Maßnahmen ins Werk zu setzen.

Kapitalismus- und Konsumkritik sind das Gebot der Stunde. Nun komme bitte niemand auf die Idee, diesen Forderungen mit einem trotzigen „jetzt erst recht“ oder „wir lassen uns das nicht kaputtmachen“ entgegen zu treten.  Aber warum auch. Es ist ja nicht das Schlechteste, die Reihen gegen Feinde zu schließen und gleichzeitig Selbstkritik daran zuzulassen, wie wir mit Ressourcen und der Natur umgehen.

Das Zulassen des Selbstzweifels ist ja letztendlich auch ein Stück der Überlegenheit freier Gesellschaften. Nur wer sich selbst immer wieder überprüft und sein eigenes Handeln in Frage stellt, bleibt offen für Veränderungen und Verbesserungen. Warum soll nicht jemand an der Nutzung der Atomkraft zweifeln? Oder an der Art wie wir unseren Verkehr organisieren? Oder an der Massentierhaltung? Vielleicht kommt ja am Ende etwas Besseres dabei heraus, das unsere Freiheit und unsere Möglichkeiten nicht einschränkt, sondern sogar vergrößert.

Voraussetzung dafür ist allerdings ein Denken, das den Menschen nicht nur als Zerstörer und Verbraucher wahrnimmt, sondern ihm auch in seiner Rolle als kreativer Problemlöser Vertrauen entgegenbringt. Andernfalls kommt man zu geradezu nihilistischen Schlüssen, wie beispielsweise in einem Aufsatz, den die Wissenschaftszeitschrift »Climatic Change« veröffentlichte. Darin geht es um die »externen Treibhaus-Kosten« eines Neugeborenen. Jedes Baby, so die Forscher, werde Treibhausgase produzieren und damit zum Klimawandel und in der Folge zur Schädigung der Gesellschaft beitragen. Für Industrieländer taxieren sie den Schaden (!) eines neuen Erdenbürgers auf 28 200 Dollar, in einem Entwicklungsland auf 4400 Dollar. Auf die Idee, dass unter diesen Kindern ein genialer Erfinder oder Forscher sein könnte, der die Menschheit voran bringt, kommt man gar nicht mehr.

Das ist der Punkt an dem Selbstzweifel oft in Selbsthass umschlägt. Der Biologe Paul R. Ehrlich veröffentlichte 1968 sein berühmtes Buch mit dem Titel „The Population Bomb“ („Die Bevölkerungsbombe“), dessen Geist vielfach heute noch weht.  So sollte sich die Zahl der Menschen nach einem kontrollierten Massensterben („die-back“) bei etwa zwei Milliarden einpendeln: „Kennzeichnend für die damalige Bevölkerungsdebatte ist es, dass Ehrlich Geburtenraten ausschließlich nach verursachten gesellschaftlichen Kosten bewertete“, schreibt die Wissenschaftshistorikerin Sabine Höhler dazu, „Familien mit mehr als zwei Kindern bezichtigte er der Verantwortungslosigkeit“. Sie hätten ihre finanziellen Belastungen künftig selbst zu tragen, etwa durch „Luxussteuern“ für Babyausstattungen. „Nötigung? Vielleicht, aber zum Wohle der Genötigten“, rechtfertigte Ehrlich seine Vorschläge, schließlich gehe es um das schiere „Überleben“ der Menschheit auf einem begrenzten Globus.

Dieses Denken geht auf den schottischen geistlichen Thomas Malthus zurück, der im 18. Jahrhundert gleichsam ein Naturgesetz entdeckt zu haben glaubte, demnach die Bevölkerung eines Landes immer schneller wachse als das Nahrungsmittelangebot. Malthus wurde inzwischen durch die menschliche Schaffens- und Erfindungskraft vollkommen widerlegt. Sein Denken ist aber immer noch lebendig, wenn es darum geht, „Grenzen des Wachstums“ aufzuzeigen. Der inhumane Grundgedanke seines Werkes, dass der Mensch selbst das Problem der Menschheit sei, findet auch heute auf dem Pariser Klimagipfel bei vielen Delegierten und Beobachtern Anklang.

Beinahe lupenreinen Malthusianismus verbreitet auch der Leiter des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung Joachim Schellnhuber, der sich als Papst- und Kanzlerinnenberater in Szene setzt. Er sieht die Menschheit in einer „Zivilisationskrise”, die nur durch die Verbindung von Glaube und Vernunft zu bewältigen sei - und zwar im Rahmen einer wie auch immer gearteten „großen Transformation“.

Sein neustes Buch trägt den Titel „Selbstverbrennung“ und dreht die Klima-Erzählung ins Religiöse. „Selbstverbrennung“, so heißt es im Vorwort, “erscheint im selben Jahr wie die Enzyklika ‘Laudato si’, mit der Papst Franziskus wort- und gedankengewaltig in die Umweltdebatte eingegriffen hat.” Und natürlich war es Schellnhuber, der das päpstliche Dokument zusammen mit “zwei der höchsten Repräsentanten” im Sommer in Rom der Weltöffentlichkeit vorstellte.

Der Pariser Klimagipfel wird in diesem Weltbild zum päpstlichen Konzil. Wissenschaft fungiert als eine Unterabteilung der religiösen Botschaft, die vom Fegefeuer über den Ablasshandel bis zur Ketzerei auf Bewährtes zurückgreift. Der Papst muss sich gar nicht umstellen, sondern kann schlicht das gleiche verkünden wie seit vielen Jahrhunderten. Während einer Klima-Demonstration ließ er sogar seine Schuhe als Reliquie auf dem Place de République ausstellen.

Die Mutation zum Glaubensgebäude bringt es allerdings mit sich, dass der Selbstzweifel nicht mehr gerne gesehen wird. Skepsis könnte sich ja auch gegen den ein oder anderen Aspekt der Klima-Religion richten. Denkverbote und Selbsthass sind aber keine guten Ratgeber für die pragmatische Lösung von Problemen. Das gilt übrigens für den Terrorismus und das Klima.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Jürgen Althoff / 10.12.2015

Warum hat Herrn Schellnhuber, dessen “Große Transformation” zu einer “dekarbonisierten” Welt die Lebensgrundlagen von ca. 5 Milliarden Menschen vernichten würde, noch niemand wegen Aufrufs zum Völkermord angezeigt? Und solch ein Unmensch wird von Frau Merkel bezahlt - aber angesichts aktueller Entwicklungen “passt” das schon bald….

Dieter Tesch / 10.12.2015

„Sein neustes Buch trägt den Titel „Selbstverbrennung“ und dreht die Klima-Erzählung ins Religiöse.“ Das ist ja auch die logische Konsequenz, wenn man den Weg der Naturwissenschaft verlässt. Nur im esoterischem und pseudo-religiösen Wachkoma, kann man die CO2-Klima-Märchenerzählung ertragen. Vorher sollte man allerdings möglichst allen Naturgesetze abschwören.

rolf reubold / 10.12.2015

Menschen wie Schellnhuber, leider ist er keine Einzelerscheinung, bereiten mir mehr Sorgen als der Klimawandel. “Selbstverbrennung”, mein Gott, was für ein bekloppter Titel…..

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