Dirk Maxeiner / 05.04.2016 / 11:48 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 6 / Seite ausdrucken

Panama-Papers: Eine Sternstunde des Verdachts-Journalismus

Kein Zweifel, diese Skandal-Suppe ist mit den besten Zutaten gewürzt. Da ist zunächst mal der Name. „Panama-Papers“, das klingt doch schon rein phonetisch nach Skandal, Korruption, Drogen und Mafia. Alternativ kann man auch „Panama-Leaks“ sagen, das bringt noch ein bisschen Spionage und Edward Snowden rein. Anregend auch der Begriff „Offshore-Firmen“, macht gleich klar, dass irgendwo da draußen auf hoher See schmutziges Geld gewaschen wird. Und die Namen und Adressen erst. Alijew-Klicke aus Aserbaidschan! Wladimir Wladimirowitsch Putin! Aber noch besser: Sergej Rolgudin, der Cellist von Putin.  Man hört im Hintergrund bereits die Melodie, als habe man "Godfather" von Ennio Morricone aufgelegt.

Und dann der gewaltige Aufwand, den eine beherzte Armada furchtloser Medienmenschen getrieben hat. 400 Journalisten des «International Consortium of Investigative Journalists» (ICIJ) haben weltweit über ein Jahr an dieser Enthüllung gearbeitet! Da war ich schon sehr gespannt, was einer von ihnen, Hans Leyendecker von der Süddeutschen-Zeitung, gestern abend in den Tagesthemen in einem Interview enthüllen würde. Aber was soll ich sagen: Der Mann enthüllte NICHTS. Rien. Nulle. Nada. Niente. Nichego.

Leyendecker erzählte absolut NICHTS, was nicht jedem Menschen, der seinen Verstand halbwegs beisammen hat, längst bekannt wäre: Ja, lupenreine Demokraten wie Putin und seine Freunde kommen in kurzer Zeit zu viel Geld. Selbst untere Chargen haben nach kürzester Zeit genug davon, um ein nasses Muli damit zu verbrennen. Und sicher doch: Beim Vermögenschaffen ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Genau wie in den anderen Despotien und Kleptokratien, die in den Panama-Papers auftauchen. „Alles alte Bekannte“ würde ein Kriminalkommissar sagen.

Dass auch Politiker westlicher Demokratien nicht unbedingt im Club der sauberen Hände heimisch sind, hat selbst der deutsche Michel im letzten Funkloch der Republik begriffen. Dafür braucht es keine 400 Journalisten. Und auch nicht den verdächtigten isländischen Regierungschef. Es reicht vollkommen unser in Berlin amtierender Finanzminister. Jener Wolfgang Schäuble also, der 100.000 Mark im dezenten Umschlag eines Waffenhändlers entgegen genommen hat.

Ja, aber gibt es jetzt irgendwelche konkrete neue Tatbestände? Ist Putin überführt?  Leyendecker: Putin stehe zwar nicht selbst auf der Liste, aber Leute aus seinem Umfeld. Genaueres könne man nicht sagen. Wow! Und deutsche Namen? Leyendecker: Ja, da stehen auch viele auf der Liste. Aber das könne auch legal sein. Wow! Ja aber wo liegt dann das Problem? Leyendecker: Die Frage sei doch, warum diese Leute ihr Geld überhaupt außer Landes bringen. So etwas tue doch nur derjenige, der etwas zu verheimlichen habe. Ende des Interviews. Das Wetter.

Ich habe mich dann erst mal in den Oberschenkel gekniffen. War das wirklich die Substanz der Panama-Papers? Wenn ja, dann könnte man die „Affäre“ so zusammenfassen: 400 Journalisten, die offenbar schlecht ausgelastet sind und nichts Besseres zu tun haben, verwechseln ihre Rolle mit jener der Steuerfahndung. Anschließend interviewen sie sich selbst im Fernsehen. Sie rühren altbekannte Hintergründe zu einer neuen Affäre an und bestätigen, was alle Welt weiß: Es gibt Steuerhinterziehung und Geldwäsche auf diesem Planeten. Nicht nur in Panama, sondern überall.

Mangels konkreter strafbarer Fälle verlegt man sich auf den Generalverdacht gegen Unternehmer und wohlhabende Bürger: Wer sein Geld oder seine Firma außer Landes bringe, habe offensichtlich etwas zu verbergen. Das ist juristisch die Umkehr der Beweislast und journalistisch das Gegenteil von Recherche-Journalismus. Es ist die reine Verdachts-Berichterstattung. Journalisten, die sonst das hohe Lied auf den Datenschutz singen und beispielsweise auf das Zeugnis-Verweigerungsrecht pochen, frönen hier einem Jagdinstinkt, der mit der Schrotflinte arbeitet. Irgendeinen wird der Schuss schon zu Recht treffen.

Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich soll derjenige, der vorsätzlich Steuern hinterzieht, bestraft werden. Aber in den meisten Fällen, in denen Geld außer Landes gebracht wird, geht es gar nicht darum. Das simple Studium der Wirtschaftsnachrichten liefert genug Argumente, versteuertes Geld in einem sicheren Hafen zu deponieren. Die Eurokrise ist keineswegs vorüber, Griechenland immer noch und Italien demnächst Pleite. Anschließend wird Frankreich akut. Und EZB-Chef Mario Draghi will am liebsten frisch gedrucktes „Helikoptergeld“ vom Himmel regnen lassen. Und dabei - und so herum wird auch ein Schuh aus den Panama-Papers - stören natürlich Bürger, die sich Draghi & Co nicht ausliefern wollen und mit ihrem Vermögen das Weite suchen.

Genau wie bei der Abschaffung des Bargeldes geht es darum, den gläsernen Untertanen zu schaffen, der auf die Zuteilung staatlicher Wohltätigkeiten angewiesen ist. Und deshalb müssen solche staatsfeindlichen Umtriebe unbedingt unterbunden werden. Wenn die Gesetze das nicht hergeben, dann muss die moralische Stigmatisierung mittels des Generalverdachts her. Und der kommt ausgerechnet von Leuten, die auf anderen Gebieten stets vor generellen Verdächtigungen warnen. Es gibt in diesem Land offenbar einen anständigen und einen unanständigen Generalverdacht.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Bernd Rothaemel / 08.04.2016

Ich empfand die ganzen Panama-Papers mehr als Ablenkung von tatsächlichen Problemen.In der SZ werden seit Montag 4.4 eigene Beilagen diesem Thema gewidmet.Briefkasten-firmen gibt es seit mindestes 20 oder 30 Jahren.Alle 5 bis 6 Jahre poppt das Thema mal wieder auf.Was interessiert mich in DE tatsächlich an Putins Geldgeschäften und ob vielleicht ein Cellist als Putin-Freund Briefkästen für Fan-Post oder dergleichen in Panama unterhält.Es gibt “Steuersparmodelle” in Luxemburg, Niederlande ,Schweiz, Deutschland ,USA ..... Für mich wird durch diese Veröffentlichungen die mediale Aufmerksamkeit auf andere Probleme gelenkt und ein anderer Personenkreis in den Mittelpunkt gestellt, siehe Putin, deutsche Wohlhabende, andere Politiker aus Island, Ukraine oder von sonstwo.Wirtschaftlich und insbesondere gesellschaftlich ist aber die Flüchtlingsproblematik und die Isolierung von DE in dieser Sache viel wichtiger!

Wolfgang Richter / 06.04.2016

Auch wenn es in der Karibik und dem in der Region liegenden Panama klimatisch derzeit angenehmer ist als im alt ehrwürdigen Europa, muß man nicht dorthin, um sog. Briefkastenfirmen zu finden. Da reicht ein kleiner Tanktrip ins benachbarte Luxemburg. Und wer sich dort offenen Auges umsieht, wird nachwievor fündig. Die rechtlichen Grundlagen hat ein gewisser Herr Juncker geschaffen, als er in dem Ländle noch Regierungschef war. Vielleicht ist darin auch der Grund zu suchen, warum die sonst Dauerempörten Juncker, Asselborn, Schulz etc. medial z,. Zt. abgetaucht sind u. . zu dem Steuerparadies “Panama” gerade mal nichts äußern und das Feld der juristischen Speerspitze Maas überlassen. Auch witzig, daß in allen Überschriften der Saubermedien die Reizfigur Putin an erster Stelle genannt wird, obwohl man zum Ende der Artikel feststellen darf, daß man bezüglich seiner Person dort bisher nicht fündig geworden ist. Und vermögende US-Amerikaner, wie auch Briten findet man auf den veröffentlichten Listen nicht, liegt vielleicht daran, daß die Amerikaner zur Nutzung Steuern sparender Fimenkonstrukte nicht ins Ausland ausweichen müssen. Entsprechende Möglichkeiten bieten ihnen z. B. die rechtlichen Rahmen in den US-Staaten Nevada und vor allem Delaware. Vielleicht sollten sich die Super-Aufklärer und Retter des Steuerrechts als ausgleichende Maßnahme demnächst auch mal dort umsehen. Oder auch nicht, weil man Gefahr laufen könnte, dort auf die Namen von Personen zu treffen, die man nun nicht gerade medial an den Pranger stellen möchte.

Guido Wekemann / 06.04.2016

Werter Herr Maxeiner, ergänzend zu Ihren Ausführungen darf ich auf den Artikel vom gleichen Tag in der Südwestpresse hinweisen: „Dubiose Methoden“ ist der Titel für den Leitartikel in der Südwestpresse am 05. April, der sich mit den „Panama Papers“ auseinandersetzt. Steuersparen sei auf dem Boden der Gesetze zwar legal, bekundet der Leitartikler, und schränkt dies ein mit der hypothetischen Frage, ob es auch legitim sei.  In der Schlußbewertung schreibt die SWP, dass Steuerhinterzieher auf einer Linie mit Terroristen stünden, weil sie für ihr Geld die „gleichen Wege“ nutzen. Wer seine Steuerschuld nicht begleicht, ist nach dieser Darstellung ein Terrorist. Diese Zeitung bereitet ein neues Hetzmuster vor: Der Anruf „Du Terrorist“ ist allumfassend und stellt den so Beschuldigten außerhalb jeglichen Rechtsrahmens. Wem das anhaftet, der ist vogelfrei. Ein mittelalterliches Rechtsverständnis blitzt hier durch. Der Vergleich des Leitartiklers missachtet die Begriffe: Terroristen möchte durch Morde eine Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzen und durch ihre öffentlichen Ankündigungen das Angstgefühl erhalten und steigern. Anders derjenige, der keine Steuern abführen möchte; er will auf keinen Fall Aufsehen erregen. Seine Taten will er im Verborgenen halten und hofft, dass sie nie öffentlich werden. Und deshalb wird er alles unternehmen, dass sich niemand vor im ängstigt, denn das könnte ihn verdächtig machen. Der Steuerhinterzieher will Ruhe nicht Aufruhr! Klar muss dennoch sein: Wer gegen Gesetze verstößt, muss sich dafür verantworten.

Wolfgang Schmid / 05.04.2016

Sie wollen Steuern sparen? Nennen Sie sich “Journalist” oder gründen Sie einen “Verlag” - und schon bekommen Sie durch den ermäßigten Umsatzsteuersatz auf Ihre Produkte und Leistungen (7 statt 19%) satte Steuergeschenke. Ganz legal. Und beißen Sie niemals die Hand des Staates, der Sie füttert…

Karla Kuhn / 05.04.2016

Herrlich, dieser Beitag ist Satire pur. Ich habe mich köstlich amüsiert. Allerdings ist die Tatsache, mit was für Mitteln gearbeitet wird, mehr als traurig. Diese Vorverurteilung durch die Medien ist einfach nicht mehr akzeptabel. Früher sagte man, naja, die Bildzeitung, schreibt das, da weiß man ja, was es wert ist. Aber heute und das ist schlimm, werden Behauptungen sogar noch in den Talkshows breitgetreten. Mit einer richtigen Wolllust. Ich frage mich , kennen diese Menschen, die an diesen Zerfleischungsprozessen teilnehmen keine andere Befriedigung? Der anständige und der unanständige Generalverdacht erinnert mich fatal an den “Aufstand der Anständigen.” Es gibt so viel Schönes im Leben aber nein, ich habe den Eindruck, daß eine gewisse Kaste sich selber und leider auch anderen das Leben vergällen müssen. Für mich sind das arme Menschen.    

Detlef Dechant / 05.04.2016

Auch ich finde diesen Aufschrei übertrieben. Hier wird wieder eine altbekannte Sache aufgebauscht und skandalisiert, bevor irgendwelche handfesten Erkenntnisse vorliegen. Und dann auch noch Panama? Böse, böse! Dabei kann man doch sein Geld auch in den USA hervorragend in Briefkastenfirmen verstecken, noch dazu mit der Möglcihkeit, eventuell auch an eine Green Card zu kommen. Auch die niederländischen Antillen (EU über Niederlande) bieten gute Möglichkeiten. Und ich kann es den Wohlhabenden nicht verdenken. Wenn ich sehe, mit welcher Energie unsere Politiker unsere Steuergelder verschwenden, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, muss ich doch diesen Staatsapparat nicht auch noch füttern. Und wer schimpft in dieser Gesellschaft am meisten über die Steuerverminderungsmentalität? Diejenigen, die keine oder nur wenig Steuern bezahlen und nun mangels Steuereinnahmen Angst haben, im Zuge der Umverteilung von oben nach unten zu kurz zu kommen oder auch noch irgendwann zur Kasse gebeten zu werden.

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