Die neueste Witzfigur in der Galerie berühmter deutscher Englisch-Verhunzer ist Günther Oettinger. Muss sich der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg nun schämen? Es täte ihm vielleicht ganz gut. Aber dann müssten mit ihm viele andere rot werden.
Der ranghöchste Englisch-Radebrecher war bekanntlich Heinrich Lübke. Das ihm angedichtete “equal goes it loose” ist aus der deutschen Folklore nicht mehr hinweg zu denken. Denn es beschreibt kurz und prägnant ein Problem, das immer dann auftaucht, wenn einer aus heimatlicher Idylle unerwartet auf die Weltbühne befördert wird, ob nun aus der Landwirtschaft ins Bundespräsidialamt, oder aus Stuttgart in die Brüsseler EU-Kommission.
Dann nämlich entsteht auch beim bisher unbeschwerten Nichtbesitzer der englischen Sprache das Bedürfnis, sich über Nacht ihrer als mächtig zu erweisen. Der unversehens ins internationale Leben Geworfene spürt einen absurden Erwartungsdruck, dem er weder widerstehen noch gerecht werden kann. Unter diesem Druck entsteht das Equal-goes-it-loose-Englisch. Man meint, man muss, man merkt, man kann nicht, und was explosionsartig herauskommt, ist qualvoll.
Hans-Dietrich Genscher war eine rühmliche Ausnahme. Im Rückblick gilt er ja als hauptberuflicher deutscher Außenminister. Tatsächlich wurde er aber vor seinem Wechsel vom Innen- ins Außenamt als nicht amtstauglich kritisiert, weil er kaum englisch sprach. Was tat der so Getadelte? Machte er einen Oettinger? Keineswegs. Er zog sich, bis er die Sprache später einigermaßen intus hatte, elegant aus der Affäre, auf deutsch und mit Sprüchen wie diesem: “Mit der englischen Sprache geht es mir wie mit meiner Frau. Ich liebe sie, aber ich beherrsche sie nicht.” Und sprach weiter deutsch.
Diese Größe besitzt kaum einer, nicht einmal Guido Westerwelle. Der holt nach angestrengtem Zögern ganz groß zu einem ganz kleinen englischen Satz aus, um ihn dann nach einer weiteren Denkpause auf deutsch zu beenden, weil ihm das englische Wort für Aufschwung nicht einfällt. Nun hat er den Salat. Man nennt ihn Westerwave.
Günther Oettinger kennt - anders als Guido Westerwave - kein Zögern. Er stößt seine englisch gemeinten Wort-Fetzen wie Maschinengewehr-Salven hervor, so dass man ihre Verballhornung erst bemerkt, wenn man vom ganzen Satz am Ende kein Wort verstanden hat.
Damit ist Oettinger der Prototyp jener Gattung nassforscher sprachlicher Zupacker, die ganz Selbstbewusstsein sind, auch dann, wenn bescheidene Zurückhaltung am Platze wäre.
Es ist eine völlig unnötige, sehr deutsche Forschheit. Wer sagt denn, dass man sich bei ersten Auftritten vor internationalem Publikum als Zampano der englischen Sprache beweisen muss? Die meisten, die meinen, dass sie es sind, sind es ohnehin nicht. Englisch ist - entgegen seinem Ruf - keine leichte Sprache. Es lohnt sich, sich Zeit zu lassen, bis man sie einigermaßen beherrscht. So lange kann man sich ein Beispiel an französischen Politikern nehmen. Die sprechen bei offiziellen Gelegenheiten einfach - französisch. Und ihre Reden klingen deutlich besser als die einiger ihrer englisch stammelnden deutschen Kollegen.
Wie wär’s also mit “einfach mal deutsch sprechen”? Das ist ja auch eine ganz schöne Sprache, in der man vieles ausdrücken kann. Ganze Weltliteraturen sind auf deutsch geschrieben worden.
Aber ist schlechtes Englisch nur schlecht? Keineswegs. Es kommt - wie immer - auf die Situation an. Treffen europäische Manager, Wissenschaftler oder auch Politiker unterschiedlicher Nationalität zusammen, dann bedienen sie sich ganz locker einer anerkannten lingua franca. Sie heißt: “Bad english”. Bad English ist die Sprache des modernen Europa. Sie ist praktisch und sie hat den Charme der Unvollkommenheit.
Erst wenn sie pompös ins Mikrophon gedonnert wird, wird aus dem charmanten bad English peinliches schlechtes Englisch.
Aber vielleicht tut man Oettinger ja unrecht. Vielleicht wollte er gar nicht als Souverän der englischen Sprache auftreten. Vielleicht hat er auf Grund mangelnder Musikalität nur nicht den richtigen Ton getroffen und ist eigentlich bekennender und bescheidener Bad-English-Sprecher, also Europas Sprache der Gegenwart und Zukunft.
Siehe:
http://www.youtube.com/watch?v=4rJiVHnjUZk