Wolfram Weimer / 12.01.2017 / 06:20 / Foto: Pete Souza / 8 / Seite ausdrucken

Obama-Bilanz: Ein Showstar des Guten

In Europa ist er fast so beliebt wie John F. Kennedy. Ein US-Präsident für das Bilderbuch der Herzen. Auf Europäer wirkt Barack Obama zwischen George W. Bush und Donald Trump geradezu wie ein Kuschelbär zwischen zwei Handgranaten. Nach dem bleiernen Bush und vor dem polternden Trump bleibt Obama vor allem als smart, mitfühlend, liberal und cool in Erinnerung. Der erste schwarze Präsident der USA agierte wie ein Showstar des Guten. Doch genau darin lag auch sein Problem. Denn die Bilanz seiner Politik ist nur in der B-Note der Äußerlichkeiten wirklich gut. Reden, Auftritte, Fotos, Gesten – alles wie in Hollywood erfunden. Bei den meisten harten Fakten der Politik aber fällt über seinen Abgang ein Schatten der Enttäuschung.

Auf der Erfolgsliste von Obamas Präsidentschaft stehen drei Dinge: Erstens haben die USA unter seiner Regierung die schwere Wirtschaftskrise überwunden. Er lancierte ein Konjunkturprogramm von 800 Milliarden Dollar und rettete die US-Autoindustrie mit allerlei Staatshilfen. Die Arbeitslosenquote wurde von 10 Prozent im Jahr 2010 auf zuletzt 4,6 Prozent gedrückt. Zweitens hat er gegen den erbitterten Widerstand der Republikaner die gesetzliche Krankenversicherung der US-Amerikaner ausgeweitet. Mit “Obamacare” sank der Anteil der Bürger ohne Krankenversicherung von 16 auf knapp 9 Prozent. Drittens hat er außenpolitisch neue Brücken gebaut, insbesondere in den Beziehungen zu Kuba und Iran ist die Eiszeit beendet worden. Der Friedensnobelpreisträger sucht neue Akzente auch in der Klimaschutzpolitik und pflegte insgesamt eine freundliche Tonalität von Ausgleich und Konzilianz – doch immer wieder erwuchs just aus seinem sanften Zaudern ein hartes Problem.

So beendete Obama zwar flugs den unpopulären US-Militäreinsatz im Irak. Infolgedessen versank der Irak aber in einem brutalen Bürgerkrieg. In Syrien führte seine wankelmütige Neutralität eher zu einer Verschärfung des Konflikts als zu einer Befriedung. Mal drohte er Syriens Staatschef Baschar al-Assad mit US-Militärangriffen, dann verzichtete er wieder darauf. Von Israel bis zu den Kurden bekamen sie seinen Wankelmut zu spüren. Seine unbedachte, zaudernde Außenpolitik im Mittleren Osten führte letztlich zu einer Ausbreitung der massenmordenden Dschihadistenmiliz Islamischer Staat.

Auch die Nato ist am Ende der Ära Obama schwächer

Insgesamt haben die USA unter seiner Ägide an weltpolitischer Vormacht eingebüßt. Russland ist in das Vakuum vorgedrungen. China zeigt neue Dominanz, Saudi-Arabien führt regionale Stellvertreterkriege gegen Iran, die Emirate befeuern islamistische Umtriebe, die Ränder des gesamten islamischen Raums sind blutig geworden. Eine schlüssige Containment-Strategie gibt es nicht.

Auch die Nato ist am Ende der Ära Obama schwächer als zu deren Beginn. Das Bündnis wirkt plötzlich gar wie ein Auslaufmodell, Obama hat es weder geschätzt noch gepflegt oder gestärkt – wie die atlantischen Beziehungen insgesamt merkwürdig abgekühlt sind. Zugleich hat sich das Verhältnis zwischen den USA und Russland unter seiner Präsidentschaft drastisch verschlechtert, es wird wieder mit Säbeln gerasselt wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Das liegt wesentlich am Potentatentum Putins. Doch der Ausbruch des Ukraine-Krieges trägt auch die Handschrift einer ungeschickten US-Außenpolitik. Der Tiefpunkt wurde zuletzt durch die russischen Hackerangriffe während des US-Wahlkampfs erreicht. Eine von Obamas letzten Amtshandlungen waren Sanktionen gegen Moskau, darunter die Ausweisung von 35 Diplomaten.

So bekommt vieles seiner Politik im Rückblick eine tragische Note. Der erste Friedensnobelpreisträger im Weißen Haus wollte Kriege vermeiden und entfesselte dadurch welche. Der erste afroamerikanische US-Präsident wollte ein Versöhner sein. Stattdessen haben sich Rassenkonflikte verschärft. Tödliche Polizei-Einsätze gegen Schwarze lösten wütende Proteste aus. Er ließ Al-Kaida-Chef Osama bin Laden töten und duldete den Aufstieg des IS zur größte Terrorgefahr für die westliche Welt.

Die USA sind polarisierter als je zuvor

Ein Debakel erlitt der Präsident auch mit dem Vorhaben, rund vier Millionen illegalen Einwanderern ein Aufenthaltsrecht zu geben. Sein Dekret wurde vom Obersten Gericht abgeblockt. Er wollte die USA innerlich versöhnen, doch das Land wirkt heute gespaltener denn je. Der spektakuläre Wahlerfolg Donald Trumps ist am Ende auch eine Abrechnung mit Obama – und ein Indiz für sein Scheitern. Unter seiner Ägide sind die USA polarisierter als zuvor. Ausgerechnet der große Versöhner wurde also ein ungewollter Spalter. Weder die Waffengesetze konnte er reformieren noch sein Versprechen einlösen, das umstrittene Gefangenenlager in Guantanamo auf Kuba zu schließen. Das Land und seine Mehrheiten folgten ihm einfach nicht.

Obama hat offensichtlich zu wenig Akzeptanz für seine Politik schaffen können, darum droht ihm nun sogar eine Rückabwicklung der wenigen Änderungen. Er fürchtet daher zu Recht, dass sein politisches Erbe von Nachfolger Donald Trump großteils liquidiert wird. Auch Obamacare kommt nun wieder auf den Prüfstand, denn das neue System kränkelt am starken Anstieg von Versicherungszwangsbeiträgen.

Und so fügt sich seine Gesamtbilanz zu einem bedrückend brüchigen Bild. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Handels- und Zahlungsbilanzen sind tiefrot und der Wirtschaftsaufschwung wird mit einer atemraubenden Neuverschuldung erkauft. Die US-Staatsverschuldung hat 20 Billionen Dollar erreicht – was bedenklichen 108 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Bei Obamas Amtsantritt 2009 betrug die US-Staatsschuld noch 10,6 Billionen Dollar. Die mehr als 9 Billionen neuen Schulden in einer einzigen Präsidentschaft sind ein historisches Fanal. Obama hat damit so viele Schulden angehäuft wie alle US-Regierungen von George Washington bis Bill Clinton zusammengenommen. Ja, er hat die USA in wenigen Jahren so stark verschuldet wie nie ein Staat zuvor in der Menschheitsgeschichte. Und so liegt am Ende seiner Amtszeit ein Blues in der Luft, dass der coole, samtweiche Showman einen Riesenhaufen harter Probleme hinterlassen hat – inklusive eines unberechenbaren Nachfolgers.

Dieser Text erschien zuerst auf The European hier.

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Karla Kuhn / 12.01.2017

Obama wurde von der Presse hochgejubelt und hat die Erwartungen und seine Versprechen nicht erfüllen können. Das hätte er, er ist klug, wissen müssen. Aber er ist auch sehr eitel, Fehler passen da nicht ins Bild.  Trump kenne ich nicht, die negative Presse, die Trump seit Monaten begleitet, sieht eher nach Neid aus, als nach wirklichen Ängsten. Die Suppe wird niemals so heiß gegessen, wie sie gekocht wird. Wer weiß, wie Trump noch überrascht. Obama hatte seinen Überraschungmoment mit dem Satz “Yes we can” verspielt.  Er wurde lange Zeit daran gemessen, hat aber leider fast gar nichts verändert. Aber die Amerikaner müssen sich im Gegensatz zu uns Deutschen nicht jahrelang mit einem Präsidenten rumquälen, nach acht Jahren ist Schluß. Bei uns gehts munter weiter, na dann guten Rutsch.

Ralf Orth / 12.01.2017

“Auch Obamacare kommt nun wieder auf den Prüfstand, denn das neue System kränkelt am starken Anstieg von Versicherungszwangsbeiträgen.” Herr Weimer, da hätte ich vom früheren WIWO Chef aber etwas mehr Substanz erwartet. Obamacare krankt nicht an starkem Anstieg der Kosten sondern an dem gewählten System! Man sehe sich nur die unüberschaubare Menge von bürokratischen Regelungen des Systems an. Der Kostenanstieg ist nicht eine Kolatrealschaden sondern im falsch angelegten System angelegt. Es gibt hier in den USA auch Leute die annhemen, dass die Demokraten das System extra so angelegt haben, dass sie später eine völlig staatlich organisiertes für alle ersetzten können.

Detlef Huter / 12.01.2017

Um es kurz zu machen - Obamas Praesidentschaft war eine einzige Katastrophe. Warum kann ich das sagen? Weil ich in den USA lebe und politisch sehr interessiert bin. Obama ist ein Dampfplauderer, ein Showstar und ein Narzist vor dem Herrn. Und damit hat sich’s. Er hat es nie geschafft, sich mit der republikanischen Opposition zu arrangieren, er wollte es auch gar nicht. Bereits nach zwei Jahren seiner Praesidentschaft verlor er bzw. seine Partei eine Wahl nach der anderen (trotz seiner Wiederwahl zum Praesidenten ging aber das Repraesentatenhaus als auch der Senat schliesslich an die Republikaner). Die so hoch gelobte Krankenversicherung hat sich als Debakel epischen Ausmasses erwiesen (auf die Einzelheiten will ich hier nicht eingehen). Herr Weimer, sie haben nach anfaenglicher Laudatio zu ObamaCare ja noch die Kurve gekratzt, wenn Sie darauf hinweisen, dass die Beitraege explosionsartig gestiegen sind. Das ist aber nur ein Bruchteil der Probleme. Letztendlich ist zu konstatieren, dass diese Praesidentschaft jetzt - dem Herrn sei’s getrommelt und gepfiffen - endlich vorbei ist.

Christian Huber / 12.01.2017

Leon de Winter, ein niederländischer jüdischer Publizist und deshalb in Deutschland ungern gelesen (er könnte ja islamophob sein), hat in “De Telegraaf” vom 5. Oktober 2016 eine noch vernichtendere Bilanz (“Der Scherbenhaufen von Barack Obama”) gezogen. Zu Obamacare zitiert er Bill Clinton (noch nie ein Freund Obamas): “Die Menschen, die in diesem Deal auf der Strecke bleiben, sind kleine Selbständige und Individuen, die exakt etwas zu viel verdienen, um Unterstützung zu erhalten”. Verhältnis von Schwarz und Weiss: “Er wurde nicht der Präsident, der den Nachwehen der Sklaverei definitiv ein Ende bereitete, nein, er vergrösserte den Mythos, dass einer der Gründe für die heutige schwache sozioökonomische Position schwarzer Amerikaner das rassistische Verhalten von Polizisten sei.”  Was er mit dem IRS, also der Steuerbehörde, getan habe, um republikanische Gegner auszuschalten, erinnere an Methoden in faschisischen Diktaturen. Er habe den Weg geebnet für ene iranische Atombombe, für die völlige Anarchie, in welcher sich Libyen befinde, und für die neue Runde von Kriegen zwischen den Arabern und den Iranern. Er habe die Armee geschrumpft und Teile der Leitng entlassen, die Staatsschulden aufgebläht und illegale Immigration ungehindert weiterwuchern lassen. Obama werde wohl deshalb in den meisten Medien beweihräuchert, weil er in einer Art spreche und sich verhalte, die den Journalisten und Kommentatoren vertraut sei. In kuturellem und ideologischem Sinn sei er einer von ihnen. Ein republikanischer Präsident mit den gleichen Leistungen wäre, so de Winter, medial längst vernichtet worden.

Michael Scheffler / 12.01.2017

Es ist erstaunlich, auf der Achse so eine Eloge auf Obama zu lesen. Die Schulden sind Ergebnis der linksmotivierten und dirigistischeren Eingriffe in den Staat, wozu auch Obamacare zählt. In den USA verdient ein Arbeiter so viel wie hier ein Ingenieur, zahlt geringere Steuern und aus welchem Grund soll er sich nicht selbst versichern können? Auch außenpolitisch ist Obama der schlechteste Präsident aller Zeiten. Mehr Kriege als sein Vorgänger angefangen, obwohl er mit der Vorschusslorbeere des Friedensnobelpreises geehrt wurde. Dass Putin die Interessen der Russsen vertretritt, ist normal, nachgerade im Ostteil der Ukraine, wo weit über 50% Russen leben, auf der Krim sind es gar über 90%. Die schlimmste Hypothek, die Obama hinterlassen hat, ist die Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, für die wir Europäer schwer zu zahlen haben. Die Flüchtlingskatastrophe ist direkte Folge der Politik der Obama-Administration.

Wilfried Cremer / 12.01.2017

Die Kehrseite des “American way of life”, das Leben über die Verhältnisse, ist das Problem. Da kann der Präsident Obama, Trump oder Mickey Maus heißen.

Roland Müller / 12.01.2017

Wenn man den riesigen Rostgürtel im Norden der USA und einige andere Schandflecke(marode Infrastruktur so weit das Auge reicht) ignoriert, hat er eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betrieben. Ansonsten ist er mir alles andere als sympathisch, da ich im Gegensatz zum Herrn Weimer nicht gewillt bin, die von ihm angeleierten Schweinereien in Syrien, in Libyen und im Irak unter den Teppich zu kehren. Für mich ist er lediglich ein Lakai der Wall Street und damit ein für allemal unten durch.

Thomas Schlosser / 12.01.2017

So so….in den Beziehungen zu Kuba und dem Iran ist also “die Eiszeit beendet” worden….. Herr Weimer, wenn Sie damit meinen, dass die Obama-Administration zwei der repressivsten Regime der Welt legitimiert und mit dem schmutzigen Iran-Deal Israel der Gefahr einer iranischen Atombombe ausgesetzt hat, dann haben Sie natürlich völlig recht…. Den Oppositionellen in Havanna und Teheran wird das zwar sehr schaden, aber hey, was soll’s: Hauptsache, die “Eiszeit” wurde beendet…

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