Cora Stephan / 07.12.2015 / 15:24 / 3 / Seite ausdrucken

Nur noch schnell die Welt retten

Politiker sind Menschen mit ganz wahnsinnig viel Lust – Lust auf Politik, auf die Macht, aufs Regieren, aufs Gestalten. Darauf, etwas „für die Menschen“ zu tun. Das ist nicht immer ganz leicht, man denke an etwas so Schlichtes wie eine Steuerreform (oder auch nur den Abbau der kalten Progression), auf die wir seit Merkels Regierungsantritt 2005 warten. Denn gedankt – ach! – gedankt würde es ihnen nicht, weil sich ja immer jemand benachteiligt fühlt, womöglich diejenigen, die keine oder nur wenig Steuern zahlen und deshalb weniger „Entlastung“ genießen würden.

Also Finger weg und lieber an ein weniger anspruchsvolles Ziel gehen, zum Beispiel an die Eurorettung (erinnert man sich noch? Da war doch irgendetwas mit Griechenland, lange nicht mehr drüber geredet…). Oder an die Rettung der Menschheit, die ist in Arbeit, scheitert aber derzeit an den vorhandenen Kapazitäten.

Was bleibt? Die Klimarettung.

Und so sitzen sie wieder einmal zu Tausenden beisammen, die „Entscheider“ aus aller Welt, hinterlassen in und auf dem Weg nach Paris einen deftigen ökologischen Fußabdruck dank allerhand klimaschädliche Gase absondernden Verkehrsmitteln und der massenhaften Verdauung edler Speisen und produzieren vor allem viel heiße Luft.

Hybris, denkt da der religiös inspirierte oder auch nur naturwissenschaftlich bewanderte Mensch: das Klima ist dem Einfluss des Menschen entzogen, es macht, was es will. Grandiose Selbstüberschätzung, denkt der Geizhals, auch diese Laberkonferenz hätten sie sich sparen können. Klimalügner, denkt manch Skeptiker und sagt es besser nicht laut, denn so ein „Klimaleugner“ ist nicht gern gesehen, schon der Eisbären wegen.

Dabei gibt es so viele Fragen, und über die Antworten sind sich die Wissenschaftler durchaus nicht einig.  Erwärmt sich das Klima auf der Erde wirklich, obwohl das seit fünfzehn Jahren nicht nachweisbar ist? Wurden Daten gefälscht, um zum erwünschten Ergebnis zu kommen?  Wenn es aber wirklich eine globale Erwärmung gäbe - wäre das gut oder schlecht? „Klimawandel“ gab es immer schon, und während des mittelalterlichen Klimaoptimum (ca. 900 bis 1350) ging es den Menschen entschieden besser als während der kleinen Eiszeit (ca. 1600 bis 1700). Hieße „Klimapolitik“ nicht recht eigentlich, sich auf den Wandel des Klimas einzustellen?

Woher stammt überhaupt die These, dass es höchstens eine durchschnittliche Erwärmung von zwei Grad geben dürfe, sonst – was? Der deutsche Klimapapst Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, rühmt sich, „Vater des Zwei-Grad-Ziels“ zu sein – wie kommt er auf die Zahl? Hat er sie ausgependelt? 

Schließlich, und das ist natürlich die wichtigste Frage: Gibt es einen für die mögliche Erwärmung ursächlichen Faktor? Kandidaten sind die Sonnenaktivität und El Nino, ein Wetterphänomen, das mit starken Niederschlägen und Stürmen einhergeht. Der Favorit aber ist und bleibt – der Mensch in seiner ganzen Unersättlichkeit, der die Vorräte an fossilen Energieträgern plündert und damit ein eher harmloses Spurengas produziert, das zu etwa 0,04 % zur Luft beiträgt und das Pflanzen zum wachsen brauchen – „Klimakiller“ Kohlendioxid (CO2).

Die Wissenschaftler sind sich da ganz und gar nicht einig. Für Politiker aber ist die Antwort klar, weil es ihnen auf die Botschaft ankommt, und die lautet: Gefahr droht, Abhilfe muss her, hier kann man „gestalten“ und auf „die Menschen“ einwirken - Mensch, bescheide dich! Schon fühlen sich die idealistische Jugend und der rechtschaffene Bürger an ihrem protestantischen Ethos und dem immerwährenden Schuldgefühl gepackt und rufen zur Einkehr auf.

Das tut man hierzulande gewohnheitsmäßig und gern. Klaglos nehmen die Bürger eine Energie“wende“ hin, die dank einer raffinierten Subventionspolitik zugunsten des ökologisch-industriellen Komplexes unfassbar teuer wird, aber kaum etwas bringt. Der Jubel über den „Ökostrom“ übersieht den Primärenergieverbrauch eines Landes, zu dem sämtliche (fossilen) Treibstoffe gehören. Alles in allem decken die deutschen Windkraftanlagen gerade mal 1,5 Prozent des gesamten Energieverbrauchs ab. 

Ist die Rettung des Klimas also womöglich doch ein wenig komplizierter als eine vernünftige Steuerreform? Und ist es überhaupt Aufgabe einer demokratisch gewählten deutschen Regierung, die Welt zu retten?

Nein, wir wollen der Kanzlerin nicht unterstellen, dass es ihr allein um einen wohlwollenden Eintrag ins Geschichtsbuch geht: „Klimakanzlerin“. Denn Retten ist die Lieblingsbeschäftigung fast aller Politiker. Die Rettung der Menschheit hat ein paar unschätzbare Vorteile: Gattungsfragen sind nicht verhandelbar, unterliegen also nicht der Konkurrenz unterschiedlicher Interessen. Wer auf der Seite der Umwelt/Natur/Frauen/Menschheit steht, muss sich der Parteienkonkurrenz nicht stellen und macht sich unangreifbar. Auch winkt bei Gefahr der übergesetzliche Notstand – nur einer „ethischen Elite“, postulierte Klimapapst Schellnhuber einst, könne man Menschheitsfragen anvertrauen, denn bei „Kernfragen“ müsse man eben auch mal gegen die Mehrheit entscheiden.

In Paris, verkündet Francois Hollande, wird das „Schicksal der Menschheit“ verhandelt. Darüber sind sich alle Anwesenden offenbar einig, ganz egal, ob sie einer Diktatur oder einer anderen Regierungsform vorstehen. Es handelt sich also recht eigentlich nicht um eine Klimakonferenz, sondern um ein systemübergreifendes Versöhnungsprojekt. Denn wenn es um die Rettung der Menschheit geht, muss man auch mal gegen die Menschen handeln.

 

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Andreas Rühl / 10.12.2015

Ich hatte ja auch die Befürchtung, die in Paris Versammelten hätten den irren Plan, die Welt zu retten, aber die aus Paris an mein Ohr träufelnden kryptischen Botschaften scheinen doch eher darauf hinauszulaufen, dass ein wenig Geld umverteilt wird - von den “reichen” Ländern in die gierigen Klauen mehr oder weniger blutrünstiger Kleptokraten in den “armen” Ländern. Nichts Neues also, halb so wild. Wer diese Konferenz, ihre Ziele, die Methoden, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, noch ernst nimmt, hat ein offenkundiges Wahrnehmungs- und Denkdefizit. Nicht das “Weltklima” steht in Wahrheit auf dem Spiel, sondern der gesunde Menschenverstand - und zwar nicht bei denen, die an diesem Unsinnsspektakel teilnehmen oder davon berichten, da ist Hopfen und Malz verloren offenbar - sondern bei denen, die mehr oder weniger gezwungen werden, sich diesen Quark tagtäglich unters Kinn reiben zu lassen. Also bei mir. Genug? Genau! Die erwähnte “kleine Eiszeit” ab Mitte des 16. Jahrhunderts gilt bekanntlich für eine der Hauptursachen der Hexenverfolgungen in Mitteleuropa. Auch da herrschte der Wahn vor, der Mensch könne Wetter machen, indem er sich “teuflischer” Hilfe bediene. Gewisse strukturelle Ähnlichkeiten - insbesondere, was die Anwendung des oben erwähnten vom Aussterben bedrohten gesunden Menschenverstandes angeht - mit der “Klimadebatte” unserer Tage sind übrigens nicht von der Hand zu weisen.

Helfried Richter / 08.12.2015

“Die Welt ist nicht genug” - in Anlehnung an James Bond werden wir bald Zeugen der Rettung des Mondes, welcher sich jedes Jahr ein Stück von der Erde wegbewegt und damit langfristig die Gezeiten und das Klima verändert. Und dann wird es höchste Eisenbahn, sich der schwefelhaltig-giftigen Atmosphäre der Venus zu widmen…

Matthias Strickling / 07.12.2015

Schellnhubers Postulat ist interessant. Denn es erklärt seit Jahren die Entscheidungswege der Deutschen Politik, welche gegen die Volksmehrheit entscheidet. Europolitik, Griechenlandpolitik, Energiepolitik, Flüchtlingspolitik. Steuerpolitik Die Liste der Entscheidungen gegen die Volksmehrheit ließe sich weiterführen. Interessant die vielen Grünen Projekte, wobei diese gerade mal 6 % der Wählenden abbildet ( ca 10% Ergebnis bei 60% Wahlbeteiligung). Ob die Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, die Wälder Deutschlands abzuholzen um die freiwerdende Gegend mit Vogelschrädderanlagen (Windrädern ) zuzupflastern ? Oder fast alle Euroländer dauerhaft querzusubventionieren, nach dem Modell des hierzulande bekannten Länderfinanzausgleichs? Ich schlage vor man bildet einen sich selbst ernennenden Senat, welcher die Legislative darstellt und die Nachfolge alle 4 Jahre festlegt. Das spart den lästigen und auch teuren Umweg über die Wahlen

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