Wussten Sie, dass wir uns im Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs befinden? Nein? Ich auch nicht. Wo wir aber schon bei der Angelegenheit sind, hier ein Beispiel. Spiegel Online beginnt ein Interview mit dem Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu mit folgender Frage: „Herr Zaimoglu, Sie waren mit Ihrem neuen Buch für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Leider haben Sie ihn nicht bekommen, aber ist allein die Nominierung für einen deutschen Literaturpreis für Sie eine Anerkennung als deutscher Autor?“ Dass die Frage stilistisch nicht ganz einwandfrei daherkommt, wollen wir nur am Rande erwähnen…
Wie’s in dem Gespräch weiter geht? Wie es eben weitergehen muss: Zaimoglu dementiert alles, bezeichnet sich selbst als Deutschen und führt zum Beweis seine Liebe zur Romantik an, die seien neuen Roman „Liebesbrand“ grundiere. Was er dann aber über den Begriff Romantik sagt, ist so trivial, dass sich Novalis im Grabe umdrehen würde, könnte er seinen anatolischen Erben aus dem Holsteinischen hören. Um dem Missverständnis gleich zu begegnen: Nicht seine türkische Herkunft ist es, die Zaimoglu von Novalis trennt, sondern die Unwissenheit, die er mit zahlreichen Deutschen, die in den Genuss des postachtundsechziger Bildungssystems gekommen sind, teilt. Defizite verbinden.
Da nun schon mal das Jahr des interkulturellen Dialogs ausgerufen ist, kommen wir auch nicht um die neueste Islamkonferenz herum. Sie wissen, man trifft sich bei Innenminister Schäuble. Nun schon zum dritten Mal. Auch er hat seine Lektion gelernt. Nicht anders als seine Gäste. Man hat sich diesmal, trotz anhaltender Meinungsverschiedenheiten, anscheinend sogar darauf einigen können, dass das Grundgesetz zu achten sei. Selbst die Sprecher der „konservativen“ Verbände hätten sich dem Statement angeschlossen.
Wir verzichten auf die Frage, was an den Betreffenden, im europäischen Verständnis, konservativ wäre und kommen zu den strittigen Details, zu den Themen, bei denen man sich auch diesmal nicht einigen konnte. Beispiel: „Dürfen muslimische Mädchen am Schwimmunterricht teilnehmen?“ Dazu fällt uns zunächst nur eine Gegenfrage ein: Worauf gründet, angesichts eines solchen Problems, die Zustimmung zum Grundgesetz, das schließlich die Gleichstellung der Geschlechter festschreibt?
Angeblich leben drei Millionen Muslime in Deutschland. Genaueres weiß man nicht. Es wäre ja auch nicht politisch korrekt, einschlägige Statistiken zu führen, keine Behörde würde es wagen, die Bevölkerung nach ethnischen oder religiösen Kriterien zu erfassen. Das dürfen nur die Marktforscher und deren Daten stehen weder uns noch dem Innenminister zur Verfügung.
Angesichts der ideologisch bedingten Unübersichtlichkeit haben es diverse selbsternannte Sprecher der Einwanderer leicht, sich zu profilieren. Interessant ist, dass der hilflose Staat diesen Organisationen stillschweigend kollektive Vertretungsansprüche zuerkennt. Was aber legitimiert die Selbsternannten zur Inanspruchnahme ganzer Einwanderergruppen? Wieso hat eine religiöse Einwandererorganisation darüber zu entscheiden, ob Mädchen an einer Klassenfahrt teilnehmen dürfen oder nicht? Wo bleiben die individuellen Rechte der Betroffenen? Der interkulturelle Dialog darf nicht auf Kosten der Verfassung geführt werden.