Wolfgang Röhl / 21.12.2017 / 06:25 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Notleidende Medien, ran an die Staatsknete!

Fernsehschrott verkauft sich mal so, mal so. Warum, wissen seine Produzenten nicht. Kürzlich hat der Mediendienst DWDL sage und schreibe 80 TV-Flops des Jahres 2017 aufgelistet; Serien, Reihen, Shows oder Pseudo-Dokus, die krachend im Quotenkeller gelandet waren. Warum eine Shopping-Nummer mit der im Unterschichtenmilieu beliebten Brustpräsentiererin Daniela Katzenberger bei RTL II floppte? Ein Rätsel. Weshalb „Das Pubertier“, in Buch- und Kinofilmform ein Riesenerfolg, als ZDF-Serie baden ging? Fragen Sie was Einfacheres. Was ist der Grund, warum die Castingshow „The Voice“ auf Sat1 funktionierte, das ähnlich gestrickte „Duell der Stars“ aber in die Hose ging? So viele Mysterien im Hinterhof des „Nullmediums“ (Hans Magnus Enzensberger über das Fernsehen).

Wer glaubt, wenigstens Qualitätsjournalisten wüssten besser, was ihr Publikum interessiert, der irrt gewaltig. Nahezu die gesamte Presselandschaft floppt, mit Ausnahme einiger kleiner Blätter wie „Der Freitag“ oder „Junge Freiheit“. Sie floppt auf Raten. Seit Jahren ist jede Vierteljahresmeldung der IVW, welche die verkauften Auflagen misst, nichts als ein Jammertal für Medien von „Bild“ bis „Spiegel“. Zu den Lebenslügen des Presshandwerks zählt, „das Internet“ sei daran schuld. Dessen verfluchte Gratiskultur, auf die sich die Verlage dummerweise einstmals eingelassen hätten, bewirke die heutige Kaufenthaltung am Kiosk. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Der womöglich größere Teil: Vielen Medienschaffenden ist der Kontakt zur Lebenswirklichkeit anderer Zeitgenossen vollständig abhanden gekommen. Aus überwiegend linksgrün gepolten Kadettenanstalten wie der Henri-Nannen-Schule oder direkt aus ideologisierten Unis in die Redaktionen geströmt, leben sie in ihrem eigenen Bullerbü. As happy as a monkey in a monkey tree, um es mit Randy Newman zu sagen. Die unverzagte Affenliebe zur Willkommenskultur, das Schönschreiben des Energiewendedesasters oder das Aufpumpen von Schadstoffemissionsbeschiss zur nationalen Jahrhundertschandtat sind nur einige Symptome des grassierenden Realitätsverlustes der chattering class.

Das Knalltrauma deutscher Federführer

Besessen von Donald Trump, den nicht verhindert zu haben offenkundig das Knalltrauma deutscher Federführer darstellt, sägen sich Letztere notfalls ratzfatz den sowieso schon ächzenden Ast ab, auf dem sie sitzen. Das fünfte oder sechste Trump-Cover des „Spiegel“ aus der Werkstatt eines von Trump auf pathologische Weise faszinierten kubanisch-amerikanischen Illustrators (darstellend die blonde Tolle des Potus, welche Capitol und Weißes Haus umwirft), trat das Hamburger Magazin in ein Sechs-Wochen-Tief. 185.045 im Einzelhandel verkaufte Exemplare – der ehemalige Spiegel-Chef Stefan Aust wäre da glatt vom Rassegaul gekippt. Aber es kam noch schlimmer: mit seinem Türkei-Titel landete der Spiegel vor Kurzem im Allzeit-Quotenkeller.

Ein anderes Magazin der Hansestadt brachte einen Me-Too-Titel zur #metoo-Hysterie. Dass das aus amerikanischen Genderseminaren nach Deutschland gehypte Thema nicht sehr vielen Menschen den Schlaf raubt, lernte die Redaktion des „Stern“ auf die harte Tour. Das mit 141.582 Exemplaren am schlechtesten verkaufte Stern-Heft aller Zeiten mit der Titelzeile: „Sexismus im Job? Kenne ich!“ zeigte noch dazu eine Schriftstellerin auf dem Cover, die sich entgegen dem erzeugten Anschein nie über Belästigung am Arbeitsplatz beschwert hatte. Stattdessen beschwerte sie sich beim Stern. Die Moral von der Geschicht’ hat Alexander Wendt treffend formuliert: „Wer seine Leser mit Kampagnenjournalismus belästigt, muss offenbar mit der Reaktion rechnen: #Mit mir nicht.“

Den herbsten Flop neueren Datums erlebte die „Süddeutsche Zeitung“ mit der Veröffentlichung der „Paradise Papers“ im November 2017. Das Konvolut von Unterlagen über Steuerminderungstricks von Großfirmen und Reichen blieb nur ganz kurz im öffentlichen Gespräch. Trotz größter Anstrengungen der Staatsmedien, das Thema auf der Agenda zu halten, war es schon nach ein paar Tagen ziemlich sang- und klanglos verdunstet. Auch die Veröffentlichung der „Panama Papers“ im April 2016 hatte nach Beobachtung von Medienjournalisten eine „erstaunlich geringe Halbwertzeit“ besessen.

Wie konnte das angehen? Wo doch allein im Paradise-Fall, so jubelten SZ, NDR, WDR & Co. superlativistisch, „13,4 Millionen Dokumente“ ausgewertet wurden?

Das weitreichende Desinteresse an den Enthüllungen lag schlicht daran, dass sie rechtlich nicht relevant waren. Keiner der aufgezeigten Steuertricks war streng genommen illegal, niemandem konnte daraus ein gerichtsfester Strick gedreht werden. Es gab wegen der Paradise Papers keine Razzien in Firmenhauptquartieren, es stürzten darüber keine CEOs oder Politiker. Keiner der genannten Promis – nicht mal Seine Scheinheiligkeit Bono von U2 – fiel darob nachhaltig in Ungnade. Was der ungeheure Fleiß der SZ-Datenbienen aufgedeckt hatte, entpuppte sich als olle Kamelle: Ja, auf der großen weiten Welt existieren weiterhin Steueroasen. Und ja, sie werden logischerweise genutzt.

Real existierende Menschen interessieren sich für andere Dinge

Die Empörung des gemeinen Lesers über Steuervermeider hält sich ohnehin traditionell in Grenzen. Er, der Leser, erlebt ja als größtmöglichen Abgreifer seinen eigenen Staat. Wer von jedem verdienten Euro 50 Cent an den Fiskus abdrücken muss, wird Steuertrickser womöglich beneiden, doch kaum für moralische Monster halten. Real existierende Menschen interessieren sich für ganz andere Dinge. Von welcher Art die sind, könnte ein findiger Journalist in Erfahrung bringen, ohne gleich 13,4 Millionen Dokumente zu wälzen. Er müsste sich nur mal unter die richtigen Leute begeben.

Der Flop mit den Paradise Papers hat eine Debatte neu angefacht, die laut dem „Deutschen Journalisten-Verband“ seit Ende der Nuller Jahre „sporadisch unter verschiedenen Vorzeichen geführt“ wird. „Stütze vom Staat für ‚systemrelevante’ Medien?“ lautet das Stichwort. Der linke österreichische „Standard“ brachte es auf den Punkt:

Bleibt den Panama- und Paradise Papers die gesellschaftliche Anerkennung verwehrt, so bleiben die Werbeerträge aus und die investigativen Medien auf ihren Aufwendungen sitzen.(...)Lassen sich solch teure Recherchen nicht mehr über direkte Erträge der User und auch nicht mehr über Werbeerlöse finanzieren, so ist an einen dritten Weg zu denken. Österreich hat mit der Einführung der Presseförderung diesen Weg schon vor 40 Jahren eingeschlagen.

Klartext: Wer was recherchiert und publiziert, das die Leser leider einen Feuchten schert, soll nicht etwa in die Verlegenheit kommen, sich breitentauglichen Themen zuzuwenden. Nein, der Rechercheur soll seine Steckenpferde weiter reiten dürfen, aber dafür künftig mit Staatsknete ausgestattet werden. Kurz gesagt, hier kommt die überfällige Idee, das Zwangsfinanzierungssystem der Staatssender („Demokratieabgabe“) auf bestimmte Felder der privaten Medienlandschaft auszudehnen.

Angedachter Run auf staatliche Alimente

Natürlich nicht auf alle Felder! Dass die Autoren des Standard-Artikels unter „investigativem Journalismus“ respektive „Enthüllungsjournalismus“ Recherchen im Dunkelfeld der Migrationsindustrie, des libanesischen Clanwesens deutscher Großstädte oder des lobbymächtigen ökologisch-industriellen Komplexes verstehen, darf man zu ihrer Ehrenrettung wohl ausschließen.

Beim angedachten Run auf staatliche Alimente handelt es sich wie gesagt erst um zarte Vorstöße. Doch die Debatte läuft. Je schlechter es Tageszeitungen, Wochenschriften und Magazinen geht, desto lauter dürften die Stimmen derer werden, die unter Verweis auf ihre – spätestens seit September 2015 ja tatsächlich evidente – Systemrelevanz einen pekuniären Schutzschirm einfordern.

Damit hätten unsere notleidenden Blätter endlich ein Privileg erreicht, welches ihre Kollegen im öffentlich-rechtlichen Sendebetrieb längst genießen: die Emanzipation der Meinungsführer, Themensetzer und Tendenzschreiber vom Ballast querulatorischer Rezipienten. Man könnte Feigenblatt-Räume wie die berüchtigten Leserforen dichtmachen, wo sich ohnehin viel zu viel widerständiges Pack breitmacht. Und teure Alibi-Kolumnisten entlassen, welche bloß die redaktionsinterne Harmonie stören. Ach das könnte schön sein.

In einem Magazin, für das ich lange gearbeitet habe, pflegten wir zur vorgerückten Stunde bei einer guten Flasche zu scherzen: Was haben wir für einen tollen Job! Wenn bloß die blöden Leser nicht wären. Heute weiß ich, es war gar kein Witz. Erst dort, wo die Drohung Ich kündige mein Abo! nicht mehr greift, beginnt für den Journo das Reich der Freiheit. Der Freiheit vom dumpfen, tendenziell rechten Lesermob.

Foto: Pixabay

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Rupert Drachtmann / 21.12.2017

Die Inhalte der ÖR TV Medien kann man ja schon lange nicht mehr ertragen. Es ist eine echte Bereicherung hier konsequent Verzicht zu über. Das befreit und macht den Kopf klar. Dass wir über die GEZ Zwangsabgabe dieses Propagandawerkzeug ungefragt finanzieren dürfen ist wohl hinzunehmen ? Der Druck in den Online-„Print“-Medien muss wohl enorm sein. Wenn mindestens alle halbe Stunde eine neue Headline erzeugt werden muss, kann nur Schrott rauskommen. Fundierte Recherchen sind unter diesen Randbedingungen nicht erwartbar. Dass diese Medien nunmehr alternative Finanzierungsmöglichkeiten suchen ist ja total verständlich. „Wenn wir schon für die Machterhaltung der Etablierten sorgen, ist es doch angemessen dass diese auch die Rechnung zahlen“. Man fragt sich allerdings schon weshalb die mit dieser Idee so lange gebraucht haben. Andere Industriezweige der „privaten“ Wirtschaft haben das schon längst realisiert: Die arme Bank- und Finanzindustrie, die bemitleidenswerte deutsche Automobilindustrie welche ihre Kundschaft massiv betrogen hat. Das ist dann halt „Schummeln“.  Also wenn die Medien derartige Betrügereien dem Volk so verkaufen können, dass keiner mault - dann ist doch längst eine Belohnung fällig. Danke für Ihren Artikel und schöne Weihnachten Ihnen allen. Super Arbeit !

Svenja Gerwing / 21.12.2017

Dramatischer journalistischer Qualitätsverlust wird glücklicherweise marktwirtschatlich abestraft! Dazu siziere ich einfach mal meine Heimatzeitung, die einst konservative, CDU-nahe Rheinische Post: Diese Tageszeitung besteht zu einem ganz großem Teil nur noch aus plumpen dpa-Meldungen, die man wortgleich im Focus ect lesen kann! Investgtiv, exklusiv? Gar nichts! Warum sollte der Konsument da noch zugreifen? Zugegeben, regierungstreue Merkelfans bekommen hier zuverlässig ihren kritiklosen ‘Refugees welcome’-Starschnitt. Diesen kann man sammeln, ausschneiden und überlebensgroß über seinem Bettchen aufhängen- wie zu Teenagerzeiten, herrlich, forever young! Nein so plump und infantil ist der deutsche Michel in der Masse nicht und es wird sich langfristig einfach nur Qualität durchsetzen!!! Danke, liebe ‘Achse’ für Mut und Qualität! Macht bitte weiter so: Live and let die.

Stefan Bley / 21.12.2017

Vielleicht wäre eine Zwangsabgabe für ausgewählte Printmedien gar nicht so schlecht. Auf diese Weise würde evident, das gewisse Schmierblätter Staatspropaganda betreiben. Ich kenne eine Menge Leute die Glauben bspw. der Spiegel würde unabhängigen Qualitätsjournalismus betreiben und dabei die Realität ausblenden dass die Printmedien auch nur die Pelze der Eliten waschen. Wie sonst käme man exklusiv an Interviewpartner? Doch nicht etwa durch eine verunglimpfende, kritische Berichterstattung.

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