Das Plakat hat sich offenbar als Renner erwiesen, Sie können es nicht mehr bestellen, es ist vergriffen, aber angucken können Sie es, falls Sie es nicht schon gesehen haben: Eine Frau mit Kopftuch und dem Text: “Diskriminierung? Gebürtige Türkin, Muslimin, Kopftuchträgerin und Frau… Noch Fragen?”
Ja. Habe ich. Aber erst möchte ich bemerken, dass mir der Ton unfreundlich vorkommt. Das „noch“ in „noch Fragen?“ legt nahe, dass bereits Fragen gestellt und auch beantwortet wurden, als wäre jemand so tollpatschig gewesen und hätte ganz dumm gefragt: „Entschuldigung, sind Sie vielleicht zufällig eine Frau und ist das, was sie da umhaben, womöglich ein Kopftuch?“ Gut: Die Antwort wissen wir.
Wir wissen aber nicht, ob die abgebildete Frau versteht, in welchem Kontext diese Formel bei uns so gerne benutzt wird – nämlich so, als erwarte man sowieso keine Antwort mehr. Ein patziges „Noch Fragen!“ hat dann den Charakter von „Basta!“ Fragen kommen danach nicht. Es gibt eine berühmte Ausnahme. Das war - lang ist es her - auf der Pressekonferenz, bei der Sophia Loren in Hollywood als schönste Frau der Welt vorgestellt wurde und der Moderator mit der Schlussbemerkung „Gibt es noch Fragen?“ den Fototermin beenden wollte. Da meldete sich Groucho Marx: „Wie heißt die Hauptstadt von North Dakota?“
Ich habe eine andere Frage. Und eine Zusatzfrage. Meine Frage: Gehört diese Frau womöglich zu den Müttern, die ihren Töchtern untersagen, in der Amerika Gedenkbibliothek Hausaufgaben zu machen? Da gibt es in der Kinderabteilung einen halb offenen, extra dafür eingerichteten Raum. Das Problem: Es gibt nicht nur diesen Raum, es gibt dazu auch studentische Hilfskräfte zur Betreuung - und unter denen könnten Männer sein.
Vielleicht gehört sie gar nicht zu diesen Müttern, die solche Hilfskräfte - sofern sie männlich sind - ablehnen, aber vielleicht kann sie mir sagen, was sie davon hält. Vielleicht kann mir auch die Antidiskriminierungsstelle helfen: Soll man diesem Wunsch nachgeben und - wie gefordert - eine „männerfreie“ Zone einrichten oder nicht? Ja oder nein?
Nein! Denn: Das Motto der Aktion ist Vielfalt. Zur Vielfalt gehören auch junge Männer. Die Bibliothek ist ein öffentlicher Raum, in dem keine geschlechtsspezifische Apartheit herrscht. So ist das bei uns. Basta. Außerdem kommen die Mädchen gerade aus der Schule, wo sie sowieso mit Jungen und männlichen Lehrern zu tun haben.
Ja! Denn: Gerade die Kopftuch tragenden muslimischen Mädchen verdienen unser besonderes Entgegenkommen. Das sind wir ihnen schuldig, auch wenn wir dabei auf lieb gewonnene Traditionen verzichten müssen. Schließlich haben wir in unserer offiziellen Frauenpolitik auch eine Tradition der Ausgrenzung von Männern - angefangen von Frauenparkplätzen, Leseecken und Computerkursen „nur für Mädchen“ bis hin zum Girls’ Day, an dem durch die Abwesenheit von Jungs den Mädchen ein Aha-Erlebnis verschafft wird und sie sich plötzlich für Berufe begeistern, in denen Männer dominieren.
Ich habe eine Meinung dazu. Ich halte das Ansinnen, eine exklusive Mädchen-Hausaufgabenbetreuung durchzusetzen für eine Diskriminierung, die in beide Richtungen wirkt: Die Mädchen werden verängstigt und sollen künstlich aus der Gesellschaft herausgehalten werden, die männlichen Studenten wiederum werden allein aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit in einer Weise benachteiligt, die dem Grundgesetzt widerspricht. Doch was meint die Antidiskriminierungsstelle dazu?
Ich frage sie hiermit. Wenn sie mir nicht antworten, wird sich mein Verdacht erhärten, dass dieses „Noch Fragen?“ als Abwürgen von Fragen gemeint ist und nicht als Einladung zum Diskurs.
Meine Zusatzfrage: Heißt es „Muslimin“ oder „Muslima“? Der Sprachgebrauch auf der Seite der Regierung ist da nicht eindeutig.
Auf eine Antwort bin ich gespannt. Dann verrate ich auch, wie die Hauptstadt von North Dakota heißt. Mit freundlichen Grüßen!