Dirk Maxeiner / 20.01.2016 / 12:14 / 5 / Seite ausdrucken

Noch eine Kerbe am grünen Colt: Die Erdgasindustrie verlässt Deutschland

Der ökoindustrielle Komplex mag keine Konkurrenz, die billigere Energie verspricht. Und deshalb muss alles weggebissen werden, was den staatlich geförderten Subventionssegen schmälern könnte. Erdgas, eine der umweltverträglichsten Formen fossiler Energie, steht schon lange auf der Abschussliste. Nein, nicht wenn es aus Putins Reich zu uns transportiert wird (oder vielleicht auch mal nicht), sondern wenn das Gas aus Deutschland kommt. Sozusagen aus regionalem Anbau.

Regionale Versorgung ist super, solange man es schafft, irgendwie die Silbe „öko“ oder „bio“ davor zu setzen. Aber wehe wenn das Wort „fossil“ ins Spiel kommt, da hört der achtsame Zeitgenosse sofort die Brunftlaute gefährlicher Dinosaurier, die die wertvolle Kultur-Landschaft umpflügen. Statt dessen wird sie nachhaltig mit Windrädern, Solarpanelfeldern oder Maisgasfabriken zugestellt. Motto: Regt euch nicht auf, einen Tod muss man halt sterben, Leute.

Spätestens seit dem Nonsens-Film „Gasland“, in dem Stichflammen aus Nachbars Wasserhahn lodern, hat jeder, der an eine Erdgasförderung in Deutschland denkt, den Zorn leicht entflammbarer Wutbürger an der Backe. Das ist eine Folge jahrelanger medialer Desinformation. Wissenschaftler, die über Expertise auf dem Gebiet verfügen, wurden vorsichtshalber kaum in die Berichterstattung einbezogen. Und auch die Tatsache, dass die Wasserqualität aktuell nicht etwa durch Schiefergasgewinnung beeinträchtigt wird, sondern durch Lecks in Biogasanlagen, die ganze Bachläufe vergiften und zahlreiche Fischsterben verursachten bleibt unerwähnt. Das passt nicht ins bierseelige Klischee vom guten Landleben und Biotechnik.

Dabei wären gerade Gaskraftwerke besonders gut geeignet, Windkraftanlagen zu ergänzen, weil sie, wenn der Wind nicht weht, besonders schnell hoch - und danach auch wieder runter - gefahren werden können. Außerdem verbrennt Erdgas viel schadstoffärmer als beispielsweise Kohle. Nun geht die Erdgasgewinnung in Deutschland allmählich zurück, weil die konventionellen Vorräte knapp werden. Statt dessen springt faktisch der Genosse Wladimir aus Moskau ein, der bei der nächsten Krise nur ein bisschen am Gashahn drehen muss und schon machen die Deutschen brav Männchen.

Mit der Förderung inländischen Schiefergases könnte der Rückgang der Erdgasgewinnung in Deutschland nun abgefedert werden. Die Methode der Wahl hört auf den im Deutschen unschön klingenden Begriff „Fracking“.  Hydraulic Fracturing wird bereits seit fünf Jahrzehnten in Deutschland ohne umweltrelevante Probleme in Sandsteinen unterschiedlicher geologischer Formationen durchgeführt,  was bis vor kurzem aber niemandem aufgefallen ist. Es ist ja auch nie was böses passiert. Dass dies auch weiterhin so gehandhabt werden könnte, ergaben bislang sämtliche relevanten Studien, die zu dem Thema angefertigt wurden.

Fast alle in der Öffentlichkeit diskutierten potentiellen Gefährdungen werden von den Wissenschaftlern in das Reich der Phantasie verwiesen. Doch die entwarnenden Studien sind im deutschen Umwelt Juste Milieu so willkommen wie ein Besuch des Marders im Hühnerstall.

Als eine im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie zu dem Ergebnis kam, Fracking sei hierzulande durchaus verantwortbar, log Maria Krautzberger, die Amtsleiterin höchstpersönlich, das Ergebnis in einer Pressekondferenz um.

Vor ein paar Tagen erschien nun eine weitere Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) die zu der eindeutigen Aussage kommt: Trinkwasserschutz und Fracking sind vereinbar.

Spätestens jetzt müsste derjenige, der sich als Amtsleiter oder Politiker auf die Forschung beruft, stante pede einen gesetzlichen Rahmen für das Fracking gestalten, in dem dieses Verfahren zugelassen werden kann. Stattdessen belegt man es mit einem faktischen Moratorium, dessen Ende noch nicht absehbar ist.  Es gibt nach 5 Jahren Diskussionen immer noch keinen neuen Rechtsrahmen, trotz erneut positiver Studie. Die Folgen sind verheerend: weiterer Rückgang der Fördermengen, steigende Importabhängigkeit bei einem der wichtigsten Energieträger im Energiemix, Arbeitsplätze und Know-how gehen bereits verloren.

Es ist weiterhin offen, wann der Bundestag das Thema auf die Tagesordnung setzt. Zuletzt ist es vor der Sommerpause wieder runtergeflogen, seitdem folgt eine Sitzungswoche auf die andere und im März startet die Landtagswahl-Saison - und da wird sich keiner mit dem Thema Frackiing in die Nesseln setzen wollen. Ohne nachvollziehbaren Grund ist die Politik weiterhin bestrebt, die Möglichkeiten zur Durchführung des “Hydraulic Fracturings”  komplett einzuschränken.

Das heißt, dass die inländische Erdöl-Erdgasindustrie wegen der seit inzwischen 5 Jahren anhaltenden Debatte um ein bewährtes Verfahren, keine Planungssicherheit für Investitionsentscheidungen mehr hat. Dieser Umstand hat zur Folge, dass seit fast vier Jahren keine Frackmaßnahme in Erdgaslagerstätten mehr durchgeführt wurde und Anträge nicht bearbeitet werden, obwohl sich die Gesetzeslage nicht geändert hat. Dadurch hat sich der seit etwas mehr als 10 Jahren zu verzeichnende Förderabfall beschleunigt.

Anberaumte Projekte wurden auf Eis gelegt oder sogar komplett in den Orkus geworfen, so dass inzwischen Bohrkontraktoren wie die im niedersächsischen Celle beheimatete ITAG Kurzarbeit einführen mussten oder bei Mitbewerbern wie der KCA Deutag Kurzarbeit ansteht. Hinzu kommt, dass sich der Erdgas-Eigenversorgungsanteil von einst 20 Prozent auf jetzt lediglich nur noch 10 Prozent weiter verringern wird.

Das vorgesehene Gesetzgebungspaket enthält schon jetzt Anforderungen und Einschränkungen, die weltweit die schärfsten sein dürften und nicht vergleichbar sind mit dem, was anderen Industrien auferlegt wird. Und dennoch geschieht auf politischer Ebene nichts. Praktisch werden aber Fakten geschaffen und eine weitere Industrie mit wertvollem Know-how aus Deutschland vertrieben.

Kurz zusammengefasst heißt das: Bei der für den Industriestandort Deutschland enorm wichtigen Energiefrage orientierten sich die Verantwortlichen nicht mehr an der Wissenschaft.

 

 

 

 

 

 

 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Richter / 21.01.2016

Und daß die öko-Super-Wasserkraftwerke massenhaft Fische, vor allem Aale Schreddern u. dieser Fischart einen Platz auf der Liste der bedrohten Arten eingebracht haben, ist ein im Gesamtzusammenhang zu vernachlässigender Kollateralschaden, genauso wie durch Windanlage erschlagene Großvögel u. die infolge der durch sie verursachten Luftdruckveränderung platzenden Lungen der Fledermäuse.

Thomas Mayer / 21.01.2016

Der öko-industrielle Komplex wird bei Erdgas und Kohle dieselben bewährten Methoden wie zur Vernichtung der Kernenergie nutzen: Angst, Unsicherheit und Zweifel. Nicht weil das eigene Produkt besser wäre, sondern es soll in den Köpfen der Ungläubigen quasi als alternativlos erscheinen. Ein effektives Mittel, um auch jenseits des eigenen Milieus Zustimmung zur eigenen Weltanschauung, und damit Energiepolitik zu erhalten.

Frank Urbansky / 21.01.2016

Die 10 % Eigenversorgung stimmen schon jetzt nicht mehr. Von Januar bis November 2015 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Detuschland 75,5 Millionen MWh Erdgas gefördert (Vorjahreszeitraum: 90,1 Millionen MWh). Importiert wurden in dieser Zeit 894,2 Millionen MWh (Vorjahr: 738,6 Millonen MWh). Aktuell werden also nur noch 8,4 % des deutschen Bedarfs vor Ort gefördert. Tendenz (wie im Artikel beschrieben): weiter abwärts. Frank Urbansky www.enwipo.de

Peter Schuh / 20.01.2016

Genau soo ist es: Wieder eine Kerbe am Colt oder ein Sargnägelchen für die deutsche Industrie - ganz wie es beliebt. Aber unser Gabriel hat ja schon zur Kompensation dieser marginalen Beeinträchtigung unserer Wirtschaft eine Lösung parat: Mit einer kleinen Orgie an Anschubfinanzierung für das technologisch-prähistorische Elektroauto schaffen wir es garantiert den finanziell notleidenden Eliten zu einem 100.000 Euro - Kraftfahrzeug zu verhelfen - natürlich auch um sicherzustellen dass nach dem vollständigen Abzug der produzierenden Wirtschaft auch noch jemand da ist der den Ökostrom abnimmt. Auf Kosten des Steuerzahlers vesteht sich.

Michael Scheffler / 20.01.2016

Frau Krautzberger ist doch die mit dem großen Dienstwagen? Warum fährt sie nicht ohnehin im ÖPNV?

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 14.04.2024 / 06:15 / 62

Der Sonntagsfahrer: Der Augsburger Gasballon

Augsburg ist eine Stadt von Friedensfreunden. Die schritten vergangene Woche aber zur Generalmobilmachung. Grund: Das Gasnetz soll früher oder später weg. Wenn es um Friede,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 07.04.2024 / 06:00 / 119

Der Sonntagsfahrer: Betteln um die Pleite

Trotz der gescheiterten E-Auto-Wende betteln einflussreiche Autohersteller darum, das Verbrennerverbot nicht infrage zu stellen. Die Wünsche der Kunden sind längst egal. Wer hält länger durch? Die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 31.03.2024 / 06:15 / 58

Der Sonntagsfahrer: Ich will nachhause telefonieren

Der erhobene Zeigefinger liegt schon länger voll im Trend. Nationalspieler Antonio Rüdiger machte den ET und auch allerhand weitere Berühmtheiten gestikulieren, bis der Arzt kommt.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 24.03.2024 / 06:15 / 88

Der Sonntagsfahrer: UN verbietet VW-Up

Handelt es sich bei einigen Autos, darunter beliebte Volkswagenmodelle, um gemeingefährliche Cyberwaffen? Nach UN-Vorschriften ja. Deshalb dürfen sie ab Juli in Europa nicht mehr verkauft werden. Was…/ mehr

Dirk Maxeiner / 17.03.2024 / 06:15 / 72

Der Sonntagsfahrer: Glückskekse von Habeck

Die Äußerungen führender Ampelpolitiker wirken wie die Botschaften, die in chinesischen Glückskeksen enthalten sind. Der Konfuzius dieser Stilrichtung ist Robert Habeck und sein treuer Knappe…/ mehr

Dirk Maxeiner / 10.03.2024 / 06:05 / 57

Der Sonntagsfahrer: Das Verbrenner-Aus-Aus

Die EU will das Verbrenner-Aus beenden und der Bundesrechnungshof charakterisiert die Energiewende als Blindgänger. Das Aus-Aus wird zum direkten Nachfolger des Doppelwumms. Als Zweikreisbremsanlage wird…/ mehr

Dirk Maxeiner / 03.03.2024 / 06:15 / 79

Der Sonntagsfahrer: E-Autos in Quarantäne

Die Mobilitätswende ist mausetot. Jetzt steigt auch noch Apple mit seinem gehypten Autoprojekt aus. Was wirklich wächst, ist die Zahl der Abstellflächen für waidwunde E-Mobile.…/ mehr

Dirk Maxeiner / 25.02.2024 / 06:10 / 53

Der Sonntagsfahrer: Brandmauer unter dem Meeresspiegel entdeckt!

In dem mitteleuropäischen Landstrich, den wir vorübergehend als Deutschland bezeichnen, scheinen Brandmauern und Schutzwälle schon mal unterzugehen. Das macht Hoffnung auf die Endlichkeit des grünen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com