Roger Letsch / 06.10.2017 / 17:02 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 11 / Seite ausdrucken

Friedensnobelpreis für Eulen-Nach-Athen-Träger

ICAN, die „Internationale Kampagne für ein Atomwaffenverbot“, erhält den diesjährigen Friedensnobelpreis – ich gratuliere! Es ist gut und lobenswert, Atomwaffen und insbesondere deren Test und Poliferation für ein Problem zu halten. Echt. Nach Hiroshima, Nagasaki, Mururoa, kaltem Krieg, Kim III. und wiederholten Vernichtungsdrohungen des iranischen Regimes in Richtung Israel kommt endlich mal jemand darauf, wer hätte das gedacht! Das wurde aber auch langsam mal Zeit! Welch mutige Entscheidung!

Stößt doch das selbstlose und gefährliche Engagement der ICAN-Aktivisten gegen die allseits geliebten Atomwaffen international auf großen Widerstand und ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, um den Menschen begreiflich zu machen, von diesen Dingern besser die Finger zu lassen – oder etwa nicht? Gehört womöglich gar kein Mut dazu, sich für die Ziele der ICAN einzusetzen? Höchstens vielleicht in Nordkorea, aber dort ist die ICAN ja wohlweislich nicht aktiv, sieht man von harm- und wirkungslosen Protesten vor nordkoreanischen Botschaften ab, denen man für den politischen Proporz gern zeitgleich Proteste vor US-Botschaften beigesellt.

So kommt es, dass die ICAN weltweit nur Freunde hat und mit 468 Partnern in 101 Ländern an einer atomwaffenfreien Welt arbeitet, wozu auch die mutmaßlich letzten hinzugekommenen Atommächte Indien und Pakistan gehören, die, wenn sie nicht gerade auf ICAN-Konferenzen den Träumen von Abrüstung lauschen, sich gegenseitig den atomaren Revolver an die Schläfe drücken, um sich des Wohlwollens des jeweils anderen zu versichern. Mutmaßlich letzte Atommächte, fragen Sie sich? Ja, denn auf diese Einschränkung könnte man kommen, wenn man den Text des ICAN Germany vom August 2017 anlässlich des Gedenkens an den Atombombenabwurf auf Hiroshima liest.

Dort heißt es: „Der Wissenschaftler Abdul Qadir Khan hat beispielsweise Pläne aus Urencos Urananreicherungsanlage in den Niederlanden geschmuggelt und so Ländern wie Iran und Nordkorea zur Atombombe verholfen.“ – Ein Faktum, dass alle Unterzeichner des Iran-Deals anders darzustellen versuchen. Nicht zuletzt der Iran selbst, der steif und fest seine absolut friedlichen atomaren Absichten beteuert – Drohungen in Richtung Israel betrachtet man ja gern als etwas schrullige Comedy. Diese lustigen Perser, sag' ich Dir! Kennst’e einen, kennst’e alle!

Die Nordkoreaner haben von ICAN noch nie etwas gehört

Seit dem Iran-Deal scheint das Mullah-Regime jedenfalls komplett vom Radar der ICAN verschwunden zu sein und selbst die Proteste der ICAN gegen die Atomwaffentests Nordkoreas stehen immer zusammen mit dem Protest gegen das Atomwaffenpotenzial der USA. Diese Herangehensweise betrachte ich eher als Ermutigung, sich mit diesen Waffen zu versorgen, als davon Abstand zu nehmen – denn wozu nukleare Enthaltsamkeit, solange die USA noch Nukes besitzen? 

Und wäre es nicht an der Zeit, dass die USA mit gutem Beispiel vorangehen und sämtliche Atomwaffen abschaffen würden, damit die Welt freiwillig in eine strahlende Zukunft folgen kann? Was meinen Sie, keine gute Idee? Man könne die Polizei nicht vor der Mafia entwaffnen? Sie Kleingeist glauben eben nicht an das Gute in jedem Kim und Khomeini. Deshalb bekommt den Friedensnobelpreis ja auch die ICAN und nicht Sie.

Doch Spaß beiseite. Gegen Atomwaffen zu sein, sollte in einer zivilisierten Welt längst Konsens sein und das ist es ja auch. Weder im Kreml noch im Weißen Haus lässt man – entgegen so mancher Unterstellungen – erwartungsvoll den Finger über dem Abschussknopf kreisen, um endlich mal wieder einen hübschen Atomkrieg vom Zaun brechen zu können. Aktuell gibt es nur ein Land, das ungeniert weiter testet und droht und noch mehr testet und noch mehr droht: Nordkorea. Doch ausgerechnet die Nordkoreaner haben von dieser kuscheligen NGO namens ICAN noch nie etwas gehört oder halten deren Aktivisten für das, was sie sind: Einhornstreichler und Eulen-Nach-Athen-Träger.

Bei der Gelegenheit möchte ich auch gleich einen Preisträger für 2018 vorschlagen: „Alle Menschen, die nichts Böses im Sinn haben.“ Die hatte nämlich erstaunlicherweise noch niemand auf dem Zettel und das Komitee könnte ein weiteres Mal auf Nummer sicher gehen. Total-Ausfälle wie „Ich-komme-in-Frieden“-Arafat und „Drohnenkrieger“-Obama kann man sich nämlich nicht mehr leisten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Roland Stolla-Besta / 06.10.2017

Ihr Vorschlag im letzten Absatz würde auch das Problem lösen, alljährlich nach neuen Kandidaten für diesen – pardon – Micky-Maus-Preis Ausschau zu halten

Axel Kilian / 06.10.2017

Der Friedensnobelpreis hatte schon immer eine Sonderstellung. Alfred Nobel wurde erst von Bertha von Suttner überzeugt, den noch hinzuzunehmen. Einige Preisträger waren nach meinem Gefühl einfach zur rechten Zeit am rechten Ort. Und dann Obama, da hat er gar nichts genützt, der Präsident hat weiter gebombt. Vielleicht sollte man diesen Preis nicht ganz so ernst nehmen, aber den Frieden um so ernster.

Wolfgang Richter / 06.10.2017

Woran liegt es, daß ich in den Medien bisher keine Lichtketten und ICAN-Aktivisten mit Plakaten der einschlägigen Parolen zur Negierung von Atomwaffen aus Pjöngjang oder den Grenzbereichen zu Nord-Korea gesehen habe. Gibt es die nicht, verhandelt das ICAN-Büro Pjöngjang derzeit gerade rund um die Uhr mit Kim dem Kleinen und hat daher für derartige Aktionen keine Zeit oder muß man sich gerade um die wichtigen Dinge im Leben kümmern, wie z. B. Spenden einsammeln für den guten Zweck?

Evelyn Puhlst / 06.10.2017

Was bin ich froh und erleichtert, dass die gottgleiche Angela Merkel bei der Vergabe des Friedensnobelpreises nicht berücksichtigt wurde. Aber vielleicht spricht ja der Papst unsere Kämpferin aus der Uckermark noch heilig für ihren unermüdlichen Kampf gegen Faschismus und Intoleranz.

Patrick Häsner / 06.10.2017

Offene Türen einrennen und dafür den Nobel Preis kassieren. Naja geschenkt. Die besten Wettquoten hatten Papst Franziscus und Angela Merkel, folglich ist da noch ein gar riesiger Kelch an uns vorübergerollt.

Hubert Bauer / 06.10.2017

Ich möchte noch einen anderen Aspekt beleuchten. Hätte Nordkorea keine Atomwaffen, wären die USA vielleicht schon einmarschiert. Dass die Regierung kommunistisch ist, hat den USA oft schon als Grund für einen Einmarsch (bzw. Stellvertreterkrieg) ausgereicht. Aber ein Land mit Atombomben wurde bisher noch nie angegriffen. Was wäre, wenn die USA (unter Obama und Clinton) in Nordkorea einmarschiert wären? Würde es den Nordkoreanern heute besser gehen? Schwer zu sagen, weil wir nicht mal genau wissen, wie es ihnen heute geht. Aber die Menschen in Afghanistan, Irak und Libyen werden den Einmarsch der USA nicht unbedingt positiv bewerten. Vielleicht würde es den Bewohnern von Afghanistan, Irak und Libyen heute besser gehen, wenn sie vor dem Einmarsch der USA Atomwaffen besessen hätten (nur zur Abschreckung - nicht zum Einsatz!). Vielleicht bewahren die nordkoreanischen Atomwaffen die Bewohner von Nordkorea doch vor Schlimmeren.

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