Manfred Haferburg / 27.03.2016 / 13:48 / 10 / Seite ausdrucken

Nicht nur der Herr Jesus, auch Erich Mielke ist wieder auferstanden

Ostern feiern wir die Auferstehung von Jesus Christus. Das weiß heute jedermann. Doch weiß noch jemand, wer Erich Mielke war? Für die jungen Leute, die das Gott sei Dank nicht mehr wissen: Erich Mielke befehligte in der DDR ein Heer von ein paar hunderttausend Spitzeln und Anschwärzern der Stasi, die man damals verniedlichend informelle Mitarbeiter – IM – nannte. Mit den Ergebnissen der Spitzelei wurden feindlich negative Elemente plattgemacht – das hieß „Zersetzung“. Vorgegangen wurde beim Spitzeln und Zersetzen natürlich streng nach staatlichen Vorgaben und Regeln:

Minsterium für Staatssicherheit, Der Minister Erich Mielke

Januar 1976 Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV)

2.6 Die Anwendung von Maßnahmen der Zersetzung 2.6.1 Zielstellung und Anwendungsbereiche von Maßnahmen der Zersetzung sind auf das Hervorrufen sowie die Ausnutzung und Verstärkung solcher Widersprüche bzw. Differenzen zwischen feindlich-negativen Kräften zu richten, durch die sie zersplittert, gelähmt, desorganisiert und isoliert und ihre feindlich-negativen Handlungen einschließlich deren Auswirkungen vorbeugend verhindert, wesentlich eingeschränkt oder gänzlich unterbunden werden. …

…2.6.2 Formen, Mittel und Methoden der Zersetzung …

 Bewährte anzuwendende Formen der Zersetzung sind:

  • systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben;
  • systematische Organisierung beruflicher und gesellschaftlicher Misserfolge zur Untergrabung des Selbstvertrauens einzelner Personen;

Bei der Durchführung von Zersetzungsmaßnahmen sind vorrangig zuverlässige, bewährte, für die Lösung dieser Aufgaben geeignete IM einzusetzen.

Ich möchte den verehrten Lesern nicht das ganze 50igseitige Dokument zumuten, obwohl sich eine Lektüre für masochistisch veranlagte Menschen durchaus lohnt.

Mielke feiert in unseren Tagen fröhliche Auferstehung. Es wird denunziert und angeschwärzt, was das Zeug hält. Ob es die Doktorarbeiten unliebsamer Politiker sind, oder ob ein Busfahrer ein Poloshirt des falschen Herstellers trägt, irgendein Spitzel liegt auf der Lauer und meldet es voller Inbrunst. Und jede Menge Journalisten machen sich mit reißerischen Skandalberichten zu Spitzelhelfern, natürlich im Dienst der guten Sache.

Und wenn sich das feindlich negative Element partout nichts zu Schulden kommen lassen will, dann wird eben etwas Passendes erfunden: „auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben…“

So ist der AfD-„Schießbefehl“ entstanden, so landen Handgranaten im Asylbewerberheim und Rohrbomben in Flüchtlingsunterkünften, so überfallen Nazi-Messerstecher linke Jungpolitiker oder ritzen Hakenkreuze in die Haut unschuldiger Backfische. So wird mit Hilfe „unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer diskreditierender Angaben“ sogar aus dem unschuldig-komplizierten Wallehaar-Philosophen Peter Sloterdijk ein waschechter Glatzkopf im Braunhemd.

Ich habe mich schon oft gefragt, wo die vielen eifrigen Denunzianten herkommen. Wer wirbt sie an, wer belohnt ihre Mühen? Machen die das freiwillig? Aus Lust am Denunzieren? Aus Bosheit oder Neid? Aus Dummheit? Warum hängt sich jemand wie IM Victoria Anetta Kahane aus dem Fenster, um allen den öffentlichen Kampf anzusagen, die nicht das Bild des Menschen erfüllen, welches ihre Stiftung sich auf ihre Fahnen geschrieben hat. Warum muss in Deutschland ein Bundespräsident wegen eines Bobbycars zurücktreten?

Wer, um Gottes Willen, unterzieht sich der Mühe, langweiligste Doktorarbeiten mit enormer Akribie auf Plagiate hin zu durchsuchen? Was veranlasst einen Lehrer, seiner ehemaligen besten Schülerin nach 20 Jahren öffentlich herzlose Hinterhältigkeit und krankhaften Ehrgeiz zu unterstellen? (Mal ganz abgesehen von der Küchenpsychologie der drei sendungsbewussten FOCUS-Online Redakteure)

Der größte Erfolg eines Spitzels ist es wohl, einen Shitstorm, zu gut Deutsch – einen Scheißeorkan – mit üblen Konsequenzen für die vermeintlichen Übeltäter zu erzeugen. Zersetzung bedeutet heute einen sozialen Mordversuch. Da haben wir wohl in Deutschland immer noch einen unbestreitbaren Vorrat an jungen sendungsbewussten Talenten mit dem Schlapphut im Schrank, den dazugehörigen Kampagnenjournalisten mit dem nötigen religiösen Eifer und einem scheißeorkanaffinem Publikum.

Ich halte es lieber mit August Heinrich Hoffmann von Fallersleben:Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant.

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Leserpost

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Lufft , Frank / 29.03.2016

Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.  Natürlich sind Kommentare ,in sozialen Netzwerken dabei , die absolut Grenzen überschreiten. Aber der Ärger vieler Menschen , über unsere aktuelle Regierung , lässt es nachvollziehbar erscheinen. Am meisten ärgert mich , daß eine neue Partei, auf das Übelste beschimpft wird , ja sogar der NSDAP gleichgesetzt wird und das auch noch mit Unterstützung der Regierenden. Hier wird nicht mehr sachlich diskutiert, sondern in reißerisch Manier drauf eingeprügelt. Es scheint in der Sache mehr um Verlustängste von Posten und Pöstchen zugehen.

Wolfgang Schlage / 27.03.2016

Autor Haferburg hat Recht. Dieser Hang zum selbstgerechten Ausgrenzen ist auch nicht neu. Vor über 20 Jahren fragte mich eine englische Freundin, die länger in Deutschland gelebt hatte und fließend deutsch sprach, warum die Deutschen ihrem Gesprächspartner nie den “benefit of the doubt” gäben, also warum sie einem jede Äußerung immer schlimmstmöglich auslegen würden. Sie meinte auch, die Deutschen würden erheblich mehr Angst vor dem möglicherweise bösen Urteil ihrer Nachbarn haben als die Engländer. Ich selbst habe 10 Jahre in den USA gelebt und empfand dort eine erheblich größere innere Freiheit als hier. Die Diktaturen der DDR (wie beschrieben) und des Nationalsozialismus haben mit dieser deutschen Lust am Ausgrenzen (“Der gehört nicht zu UNS.”) erfolgreich gearbeitet. Dass diese Neigung jetzt wieder zu so einer Blüte kommen kann wie jetzt und das bei Leuten, die sich für die allerbesten Demokraten halten, lässt mich an der Fähigkeit Deutschlands zur Demokratie zweifeln. Und selbst wenn die demokratischen Formen noch eine Weile gewahrt bleiben: so eine Demokratie, in der jeder Angst haben muss, vernichtet zu werden, weil er “das Falsche” denken könnte, ist keine.

Erich Haug / 27.03.2016

Ach Herr Haferburg Es ist doch so einfach wenn man ein bischen logisch denkt. Die Nachfolger Mielkes sind nicht die verdorbenen lieben kleinen. Seine Nachfolger sitzen schon seit kurz nach der Wende in höchsten Ämtern im deutschen Bundestag. Dies wohl ohne Kontrolle de Bundesnachrichtendienstes. Motto DDR übernimmt BRD. Eine Bundeskanzlerin deren politische Vergangenheit im Dunkel der DDR verschwindet. Wenns wahr ist was man über inoffiziele Quellen liest in Agitation geschult, die früher ohne Probleme die BRD bereisen konnte. Da geht die Mielke Schulung nahtlos weiter! Das Kabinett einschließlich Präsident Ossis und gekaufte Abnicker. Die ganze zweckgerichtete Art politik zu machen. Koste es was es wolle. Mir graut vor dieser DDR 2.0- Wenn einmal herauskommt wer oder was diese Frau steuert wird uns wohl nachträglich das Grauen überkommen. Viele wissens aber keiner hat den Mut dies mal anzusprechen. Dies sagt vieles.

Brigitte Brils / 27.03.2016

Vermutlich die meisten IMs wurden in der DDR zu Spitzeldiensten erpresst. In der neuen Bundesrepublik bedarf es der Erpressung nicht. Verleumdungen und unhaltbare Beschuldigungen haben Konjunktur, auf Facebook zum Beispiel gern über die Nachrichten-Funktion: Dein Freund XY ist Pegida-Fan, AFD-Anhänger, rechtsextrem. Die Denunzianten sind die Guten, sie jagen Faschisten. Und Faschist ist jeder, der nicht auf Linie ist. So etwas muss zersetzt werden. Die Kanzlerin macht es vor, Millionen folgen ihr. Das gibt doch ihrem Leben endlich Sinn! Wer den Islam kritisiert oder gar ablehnt, wird umgehend ausgegrenzt; wenn man ihm argumentativ nicht beikommen kann, tun es auch herabsetzende Behauptungen. Die Kollaborateure sind die “Anständigen”. Die Verfolgung Andersdenkender wird zum Event.

Jedediah M Schmitz / 27.03.2016

Wo die Denunzianten herkommen? Also die miese Sorte, für mich nicht die, die Doktorarbeitsschwindel a la Schavan veröffentlichen. Die Antwort ist doch einfach: “Gutheit” ist eben nicht gleichmäßig über die Menschen verteilt, genauso wie Intelligenz. In einer funktionierenden Gesellschaft würden solchen Kandidaten durch einen funktionierenden Moralkodex und ihre soziale Umgebung eingefangen. In der finsteren Gesellschaft der Honeckers, Pol Pots und Hitlers werden sie gezielt selektiert und gefördert, um frei von Mitleid ihre Mitmenschen zu unterdrücken. Ob aus sadistischem Spaß oder narzisstisch-ideologischer Verblendung, ist dann schon nebensächlich. So etwas passiert, seit es menschliche Geschichte gibt. Und wurde immer wieder beschrieben, “Animal Farm” eines der bekannten Beispiele.

Jürgen Steland / 27.03.2016

Und hier noch die passende Liturgie zum obigen Artikel: “Mielcke, du Lamm Margots, der du trägst die Akten der Welt, gib uns deinen Frieden! In der Nacht, da die DDR verraten ward, nahm er die Akten, zerschredderte sie und sprach: Nehmt hin alle davon, das ist mein Bund des Neuen Deutschlands, das für euch gegeben wird. Solches tut zu meinem Gedächtnis!” In diesem Sinne: Frohe Ostern!

Lubomir Rehak / 27.03.2016

Der weise letzte Satz. Den sollte man auch den Politiker täglich vorlesen.

Mona Rieboldt / 27.03.2016

Denunziantentum ist schon sowas wie Volkssport in Deutschland. Da ist der Rentner, der sofort Falschparker an die Polizei meldet, da waren die Blockwarte in der Nazi-Zeit, Stasi in der DDR. Eine kurze Zeit konnten viele ihrem Hobby “denunzieren” nicht nachgehen. Das hat sich mit den Asylanten wieder geändert. Jetzt kann jeder, der nicht begeistert “Willkommen” schreit, als Nazi und “rechts” bezeichnet werden. Wer das Wort “Neger” benutzt, nicht begeistert ist von “Flüchtlingen”, sie als Belastung bezeichnet, kann sich schon mal von der Gesellschaft verabschieden, manche auch dann von ihrem Job.

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