Archi W. Bechlenberg / 14.09.2017 / 15:23 / Foto: Friedrich Haag / 15 / Seite ausdrucken

Never Mohr

Nach einigem Zögern hat das Lübecker Café „Niederegger“ seine „Mohrenkopftorte“, eine seit einem halben Jahrhundert unter diesem Namen angebotene Biskuit-Vanillecremetorte mit Schokoladenüberzug,  in „Othellotorte“ umbenannt.  Othello? Richtig, der Mohr von Venedig, nachhaltig für Bühne und Film blackgefaced von unter anderem Emil Jannings, Orson Welles, Plácido Domingo und Laurence Olivier. 

Man wolle Rassismusvorwürfe entkräften, so die Sprecherin des Cafés. Es habe immer wieder Beschwerden wegen des Namens gegeben. In welchem Umfang diese Beschwerden eintrafen, ist nicht wirklich klar. So ist in der WELT von „einigen Gästen“ die Rede, was nicht gerade nach einem Aufschrei der Massen klingt. Was allerdings in Sachen Political Correctness  nicht nötig ist – man erinnere sich an die Beschwerde einer einzigen Vegetarierin in Limburg an der Lahn, die sich erfolgreich gegen das Abspielen des Kinderliedes „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ zur Wehr setzte. Und eine einzelne Person, Lehrerin in Elmsbüttel, insistierte bei Niederegger so lange, bis der Konditor nachgab. Und jetzt haben wir die Othellotorte. Und einen neuen, überzeugenden Beweis für das Vorurteil,  Lehrer hätten einfach zu viel Zeit.

Die wird die Pädagogin auch brauchen, denn die Entmohrung des Landes –  nur bezogen auf den Sprachgebrauch  - ist damit noch längst nicht abgeschlossen. Abgründe tun sich auf bei der Beschäftigung mit dem Thema, selbst mir, der ich kein Lehrer bin, dafür also nur ein paar Minuten Zeit habe. Ob sie weiß, dass die Stadt Coburg in ihrem Stadtwappen einen “Mohren” trägt? Selbst auf Kanaldeckeln ist die Figur abgebildet, mit platter Nase, wulstigen Lippen und einem Ring im Ohr.

Ein Unding, dem bisher nur ein Einziger jemals den Garaus machte: der Schutzpatron der Nichtraucher und Vegetarier, jawohl, genau der, verbot den Mohren in Coburg und anderswo. Nach dessen Abtreten 1945 wurde der Mohr sogleich reaktiviert. Die Chance der politischen Korrektheit war für die Stadt somit verspielt. Schlimmer noch: die heutige Darstellung des Coburger Mohren stammt aus dem Jahre 1974, also aus jüngerer Zeit. Ein Abgrund tut sich da auf, nicht alleine auf Kanaldeckeln: „Er taucht fast überall in der Vestestadt auf“ verkündet Coburg auf seiner Website stolz.

Auch Mohrinnen haben ihre Wappen

Auch Zwickau, Bad Sulza, Förderstedt, Krautheim oder Sandau, um nur einige wenige Orte zu nennen, haben ein derart rassistisches Abbild in ihrem Wappen, und die Stuttgart-Möhringer wissen auch, wovon ich spreche… Und dann gibt es auch noch die drei Mohren von Strullendorf! Und den Grumbach´schen Mohr und den Wolffskeel´schen Mohr und und und.

Der Mohr ist keineswegs nur im Süßspeisengewerbe daheim - erst vor wenigen Tagen aß ich in einem nicht-deutschen Eiscafé einen Coup Tête de Nègre -, auch in der Heraldik ist er seit langem eine gern gesehene Erscheinung, so wie Drachen, Löwen, Pferde, Lanzen und Hackebeile. Der Mohr wird in der Wappenkunde als „gemeine Figur” bezeichnet; nicht, weil er besonders böse ist - Coburg verehrt ihn immerhin als Schutzpatron der Stadt -, sondern weil er so verbreitet ist, von Diepoltsdorf über Oberkirchberg und Unterkirchberg und Fahrenzhausen bis Hallerstein und weit darüber hinaus bis ins Wappen von Papst Benedikt XVI. und dem der Pappenheimer. Wenn auch jetzt nicht mehr in Lübeck. Ob die wackere Lehrerin aus Elmsbüttel das weiß? Das kann sie doch unmöglich so stehen lassen. Der Mohr muss weg, ohne Wenn und Aber. Und auch Mohrinnen, die gibt es nämlich auch. Die Mohrin derer von Loeben, derer von Prittwitz und derer von Sack. Ob es geschlechtsneutrale Mohrx gibt, ließ sich auf die Schnelle nicht ergründen, aber wie gesagt, ich bin keine Lehrerin.

Hier muss etwas geschehen. Es wird höchste Zeit, dagegen einzuschreiten. Das hat 1933 in Coburg ja schon einmal funktioniert. Und die Mohrenstraße, die Mohrenapotheke  und der Mohrenweg ebenda können gleich mit weg. Man muss die Mohrenstraße nicht wie damals in „Straße der SA“ umbenennen. Ich schlage „Straße der PC“ vor.

P.S. Hat sich der Zentralrat der Kosaken eigentlich schon gegen den Kosakenzipfel, das beliebte Mokka-Trüffel-Parfait mit einem Zitronencreme-Bällchen empört? Dann wird es aber Zeit.

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Leserpost

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B.Klebelsberg / 14.09.2017

Es gibt sogar Deutsche Weiße die so heißen! Sollte man die nicht gleich am nächsten Baum… ? Schlimm, wie herablassend und arrogant wir doch sind, dass wir die armen Mohren sogar mit unseren eigenen Nachnamen noch diskriminieren wollen !

Thomas Schade / 14.09.2017

Pünktlich zum Oktoberfest sollte doch bitte auch die Weißwurst umbenannt werden, um möglich Zugangshürden zu ihr abzubauen.

Jürgen Wächter / 14.09.2017

Darauf ein leckeres Mohren-Bier aus Vorarlberg…

Leo Lepin / 14.09.2017

Durch die einer Hysterie gleichenden PC geht völlig unter, dass es sehr wohl Begriffe gibt, die unzeitgemäss sind und die man zu Recht nicht mehr benutzt.  “Mohrenkopf” oder “Negerkuss” könnte dazugehören, finde ich. Es ist mir nicht klar, weshalb unsere Sprache ohne diese Wörter ärmer wird. Übertrieben und im Sinne hysterischer PC wäre es z.B., aus älteren Texten diese Wörter streichen zu wollen. Abgesehen davon wird hier aus mir unerfindlichem Grund das Klischee bedient, dass Lehrer zu viel Zeit haben und im Grunde Schwachköpfe sind. Kann ich nichts mit anfangen.

Frank Stricker / 14.09.2017

Jetzt wird wahrscheinlich in Trier beraten, die “Porta Nigra”, schwarzes Tor, in Porta picta, farbiges Tor , umzubennen. Die Political Correctness treibt uns noch in den Wahnsinn…..........

Hubert Bauer / 14.09.2017

Nicht zu vergessen, das Wappen des Landkreises Freising (“Freisinger Mohr”), des Erzbistums München und Freising und das persönliche Wappen - Achtung jetzt kommts - vom Lieblingsbischof von Frau Merkel, Kardinal Marx.

Mag. Friedrich Kamper / 14.09.2017

Der Österreich beliebte “Mohr im Hemd” (doppelt rassistisch: Anspielungen auf die, ähem, Rasse und auf die Armut) heißt in den Speisewaggons der Österreichischen Bundesbahnen neuerdings “Othello im Hemd”. Othellinen sind mitgemeint.  Ebenso das “Zigeunerschnitzel”, das dem “Pikanten Schnitzel” weichen musste, außer es ist wirklich ein Schnitzel vom, ähem, dann müsste es aber zumindest Sinti- bzw. Romaschnitzel heißen. Ich bin zwar ebenfalls kein(e) Lehrx, kann mir aber vorstellen, dass das Aufspüren rassistischer Stadtwappen oder Ortsnamen auch bei Vorhandensein vagbundierender Zeitkapazitäten unzumutbare emotionale Belastungen darstellen. Da böte sich zum Ausgleich das Ausmerzen rassistischer Palindrome an, wie “ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie” oder das Anzeigen von Wiederbetätigungspalindromen, wie “Die Lida tut Adi leid”, beim Amt für (oder gegen) Hass’n Hetze.

Rüdiger Hoffmann / 14.09.2017

Es ist geradezu köstlich, also nicht nur das Zitronencreme-Bällchen, sondern dieser herrliche Brückenschlag vom Schutzpatron der Nichtraucher und Vegetarier zu Loriot. Es gibt noch viele Mohren und als Empfehlung für die wackere Lehrerin aus Elmsbüttel - auch Neger. Vor einigen Jahren lief ein bizzarer Streit in Mainz um das über 70 Jahre alte Logo des Dachdeckerbetriebes Ernst Neger- ein Mohr eben, allerdings mit Dachdeckerhammer. Ältere Fassenachter werden den singenden Dachdeckermeister aus Mainz noch in guter Erinnerung haben. Mittlerweile führen die Enkel das Unternehmen- mit dem Logo!

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