Die Deutsche Bahn lässt Gentests an Mauereidechsen durchführen, die im im Bereich des geplanten Abstellbahnhofs in Stuttgart-Untertürkheim leben. Im Erbgut soll sich zeigen, ob die Echsen Ausländer sind, die eventuell Gene italienischer oder französischer Verwandter in sich tragen, welche einst als blinde Passagiere in Güterzügen ankamen. Das wäre nützlich für die Bahn, denn Bürgerinitiativen könnten den Bau nicht mit Berufung auf geschützte Eidechsen hinauszögern.
Bio-Puristen mögen kein fremdländisches Getier. „Invasive Arten“ nennt das Bundesnaturschutzgesetz solche Einwanderer. Sie sollen in ihrer Ausbreitung gestoppt oder am besten gleich vernichtet werden. In Brüssel wird derzeit eine EU-Verordnung zur Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten diskutiert. Einige Dogmatiker haben schon mal vorgeschlagen, die westdeutschen Biber auszurotten, weil sie von skandinavischen Bibern abstammen, die in den 60er-Jahren ausgesetzt wurden.
Doch jetzt fanden Forscher der Frankfurter Goethe-Universität etwas heraus, was die aufgeräumte Welt der Artenordner schwer erschüttert. Die Spanische Wegschnecke, ein lästiges Weichtier, das sich feuchten Sommertagen über Gemüsebeete hermacht, ist in Wahrheit urdeutsch. Die bei Gartenbesitzern verhasste Schnecke, wurde immer wieder als Musterbeispiel einer schädlichen eingeschleppten Spezies zitiert. Angeblich wurde sie nach dem Zweiten Weltkrieg durch Lebensmittelimporte nach Deutschland verfrachtet. Stimmt nicht, sagen jetzt die Zoologen. Es ist, als müsste die NPD erkennen, dass die germanischen Wälder einst von afrikanischen Juden bevölkert waren.
Bei ihrer aufwändigen Suche fanden die Forscher keine Spanischen Wegschnecken in Spanien und Frankreich. „Diese Art ist definitiv nicht dort heimisch sondern bei uns“, sagt der Erstautor der Studie Markus Pfenninger. Die Wissenschaftler vermuten, dass die auffällige Zunahme dieser Nacktschnecken an veränderten landwirtschaftlichen Anbaumethoden liegt.
Man solle, sagt Pfenninger, mit dem Begriff „invasiv“ künftig vorsichtiger sein. Hoffen wir, dass seine Kritik an einem starren Naturverständnis Gehör findet. Bis sie sich durchsetzt, wird es noch lange dauern. Denn, das wissen wir von Günter Grass, „der Fortschritt ist eine Schnecke.“