Sophie Dannenberg, Gastautorin / 04.02.2014 / 13:56 / 6 / Seite ausdrucken

Narzisse mit Schmollmund

Was Margot Käßmann, Alice Schwarzer, Markus Gäfgen und Andre Schmitz gemeinsam haben

Die narzisstische Störung hat viele Gesichter, aber die Merkmale sind gleich. Wenn Menschen dieses Schlages eine Schweinerei begehen und das dann rauskommt, sind sie beleidigt. Sie halten es für eine Anmaßung, erwischt oder gar bestraft zu werden.

Ein solcher Täter bringt dann zum Ausdruck, dass er andere Regeln für sich beanspruchen darf, als die Gesellschaft es vorsieht, nämlich seine eigenen. Die Gesellschaft darf zwar ruhig ihre Regeln haben. Er achtet auch eifrig darauf, dass sich alle dran halten. Aber die Regeln auf ihn anzuwenden, das ist unhöflich.

Eine, die es geschafft hat, damit zu triumphieren, ist Margot Käßmann. Man kann das nur als Geniestreich bezeichnen: Erst fährt die Bischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Landeskirche nachts sturzbesoffen mit dem Auto quer durch Hannover, dann nutzt sie ihre Tat für eine Selbstbeweihräucherung, die nicht zu toppen ist. 

Schon während des Rücktritts lobt sie sich für ihre Gradlinigkeit, bedankt sich wie ein Filmstar für die vielen Blumen und lässt sich bis heute, Jahre später, immer wieder gern und ausgiebig für ihre moralische Standhaftigkeit feiern. Denn natürlich ist sie nach ihrem Absturz, wahrscheinlich aber schon während der Sauftour, ein uns allen erst recht überlegener Mensch geworden, der sich, anders als die gewöhnlichen kleinen Feiglinge von nebenan, hinstellt und alles verkündet (“Hier stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!”) - so wie ihr Kollege Martin Luther, dem sie ein Vorbild ist. Und sie fällt, wie sie betont, immer in Gottes Hand - die der HERR offenbar persönlich für sie aufhält.

Schrill über diese Grenze tritt zur Zeit Alice Schwarzer. Seit Jahrzehnten ist sie der General Oberst Guru über Recht und Anstand. Oft genug sitzt sie in mehreren Talkshows gleichzeitig und sagt immer das Gleiche, nämlich dass sie Recht hat. Und weil sie immer Recht hat, hat sie auch Recht, wenn sie Unrecht hat.

Dass andere Leute für den Staat buckeln und Steuern bezahlen, obwohl sie es nicht so dicke haben oder nicht immer gut finden, was der Staat damit macht - das Problem hat Alice ganz und gar nicht. Für sie ist der Staat ein Beuteobjekt, und Bürgersinn ist was für Dummköpfe.

Öffentlich kritisiert zu werden, nachdem sie sich doch so anständig selbst angezeigt hat, das ist doch daneben. “Mit welchem Recht also jetzt diese Denunzierung?“ fragt sie.  Und um klarzumachen, dass sie mit ihrer Steuerhinterziehung nur dem Allgemeinwohl dient, will sie - ein bisschen verspätet zwar - eine Stiftung ins Leben rufen. 

Einer, der seinen Narzissmus nicht zu Geld und Ruhm machen konnte, ist Magnus Gäfgen. An ihm lässt sich die Typik dieser Störung am deutlichsten beobachten. Erst mordet er ein elfjähriges Kind und klagt dann auf Schmerzensgeld, weil ihm die Verhörmethoden der Polizei missfallen. Er ist weder reumütig noch kleinlaut, sondern zutiefst empört über den Umgang, den man mit ihm pflegt. Und um allen zu zeigen, was für eine tolle Nummer er ist, plant er eine Stiftung für junge Gewaltopfer. Er ist also nicht wirklich der Täter, sondern das schwer misshandelte Opfer.

Das sind drei für unsere Mediengesellschaft charakteristischen Varianten von Moralverächtern. Dieser Typus scheint unsere Kulturszene immer mehr zu bestimmen, ja, ihr Strukturmerkmal zu sein. Die Steuerhinterzieherin Alice Schwarzer kann sich freuen, dass Berlins (inzwischen ehemaliger) Kulturstaatssekretär André Schmitz sie gerade ablöst. Er hatte es nicht nötig, die Konsequenzen aus seiner Straftat zu ziehen, gerierte sich stattdessen als florentinischer Kulturmäzen und liess sich, ein Fall von Huckepack-Narzissmus, von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit decken. Die Selbstbilder dieser Leute überstrahlen uns alle. Wir haben es verdient.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Jan Korbelik / 06.02.2014

Köstlich, Sophie Dannenberg!!! Jede Zeile, danke! Bin ein gebürtiger Ostblockistani—und diese Verhaltensmuster sind mir irgendwie vertraut… Schönen Tag Jan K.

Amelie Walther / 05.02.2014

@Waldemar Undig Ihre Frage sollte erweitert werden: Wer ist denn der größere Verbrecher, der Staat, der UNGERECHTE Steuern erhebt oder der Bürger, der sie nicht zahlt? Denn Steuern an sich sind ja in Ordnung. Nur gibt es Steuern, die so derart daneben greifen, dass manch ein “Machthaber” dafür ins Gefängnis gehen sollte.

Otis B. Driftwood / 04.02.2014

Zitat: “André Schmitz…liess sich.. von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit decken.” Dann hat er ja, bei allem Ungemach mit dem Finanzamt, wenigstens etwas Spaß gehabt, frei nach dem Motto: Berlin ist arm aber sexy.

Wolfgang Schmid / 04.02.2014

Das eigentliche Problem bei Frau Käßmann war nicht, dass sie alkoholisiert Auto fuhr, sondern dass sie als Bischöfin in der Fastenzeit Wein trank, in der sie und ihre Kollegen dem Volk seit Jahrtausenden Wasser predigen! Und warum schreibt niemand, wer in dieser ominösen Nacht mitten in der Fastenzeit der männliche Narziss an Frau Käßmanns Seite war?

Waldemar Undig / 04.02.2014

Wer ist denn der größere Verbrecher, der Staat, der Steuern erhebt oder der Bürger, der sie nicht zahlt?

Rigobert Pilot / 04.02.2014

Sehr geehrte Frau Dannenberg, genau hier liegt das Problem. Anstatt sich erst einmal zurück zu nehmen und Asche auf das eigene Haupt zu streuen, baut man unumwunden große Verschwörungstheorien auf oder sucht die Schuld bei Anderen bzw. im System. Diese Art von Heuchelei ist unerträglich. In diesem Zusammenhang rege ich auch zum Lesen eines Artikels an, der am heutigen Tage v. Hr. Alexander Gauland auf der Internetseite der AfD veröffentlicht wurde. Thema: „Wir brauchen eine Kultur des angemessenen Handelns“. Abschließend sei angemerkt, dass der von Ihnen präsentierte Personenkreis sicherlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Nunmehr wird uns die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan als Botschafterin beim Papst vertreten. Wie war das mit der Doktorarbeit? Gab es keinen überzeugenderen Katholiken? Wäre nicht eine Mutter oder ein Vater, d. mit beiden Beinen in der Realität steht eine bessere Besetzung gewesen? Nun ja, Mutti kümmert sich halt um ihre Weggefährten. Hierzu gehört auch der Wechsel d. ehemaligen Bundesministers Ronald Pofalla zur DB. Mit freundlichen Grüßen, Rigobert Pilot

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Sophie Dannenberg, Gastautorin / 20.10.2015 / 09:26 / 4

Der Nazi in uns

Als früh der Radiowecker anging, hatte ich, bevor ich wach wurde, noch schnell einen Alptraum. Ich träumte, im Deutschlandfunk liefe ein Interview mit dem Vorsitzenden…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 27.01.2015 / 13:52 / 10

Mein Dank an Paul Kling

Vor sechzehn Jahren, ich war damals eine frische Hörfunkjournalistin, schickte mich mein Sender ins Haus der Wannseekonferenz. Ich sollte dort einen jüdischen Geigenspieler interviewen, der…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 11.01.2015 / 14:40 / 18

Ein Nazi muss deutsch sein, sonst ist er keiner

Als ich klein war, wünschte ich mir eine Zeitmaschine. Im Fernsehen lief abends ein Film über den Holocaust, ich glaube, es war die gleichnamige Serie.…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 08.03.2014 / 10:39 / 11

Eine fremde Meinung ist wie ein fremdes Land

Und wieder haben wir einen Skandal, nachdem jemand eine der (Medien-)Öffentlichkeit nicht genehme Meinung verbreitet hat. Diesmal trifft es die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die in…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 25.02.2014 / 11:05 / 3

Achgut präsentiert: Germany’s next Topmodel, Folge 3

Aufgeschrieben und für alle Zeiten dokumentiert von Sophie Dannenberg WOLFGANG JOOP Bravo! That’s Aminata, also dafür würd ich die eben auch buchen. Gibt ja immer…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 17.02.2014 / 21:51 / 4

Achgut präsentiert: Germany’s next Topmodel, Folge 2

Aufgeschrieben und für alle Zeiten dokumentiert von Sophie Dannenberg THOMAS HAYO: Soll ich euch mal erzählen, was in Singapur alles noch so passiert ist? HEIDI…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 17.02.2014 / 14:59 / 1

Toleranz gibt es nicht umsonst

An diesem Fall lässt sich schön beobachten, dass Toleranz ein diskriminierendes Potential hat. Es gibt sie nämlich nicht umsonst. Zwar darf jeder schwul sein. Aber…/ mehr

Sophie Dannenberg, Gastautorin / 12.02.2014 / 23:25 / 12

Amoklauf der Akzeptanz

In Brechts Theaterstück „Leben des Galilei“ gibt es eine Szene, in der Galileo den Gelehrten sein neues Fernrohr vorführen möchte. Ein einziger Blick durch das…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com