Jesko Matthes / 11.05.2017 / 20:00 / Foto: Burkhart Rüchel / 22 / Seite ausdrucken

Naidoo & Co.: Ach ja, politische Musik

Von Jesko Matthes.

Ach ja, politische Musik. Von der Sorte gibt es seit gut hundert Jahren eine ganze Menge, die Internationale, das Horst-Wessel-Lied, eine ganze Reihe toller Protestsongs seit Woody Guthrie. Nur ein paar der Barden haben sich irgendwann abgemeldet und zwischen die Stühle gesetzt, Bob Dylan sowieso, auch Yves Montand und Wolf Biermann. Dann jault der Mainstream auf: Himmel, hilf, er ist nicht mehr links! Oder er heult gleich vielstimmig: Boykottiert ihn! Er ist rechts!

Ach ja, noch so einer, Xavier Naidoo. Den alten Schwulst-Onkel habe ich noch nie ernst genommen, noch nicht einmal beim schwer nationalistischen Fußball, wenn an jedem PKW Schwarzrotgold flattert, bis es ab Tempo 80 im Straßengraben landet. Als ich es wagte, die Fußifahne einmal am 3. Oktober an meinem Auto zu befestigen, wurde ich allen Ernstes gefragt: Wo denn heute Abend die Nationalmannschaft spiele? - Nun denn. Xavier sei Dank, Dieser Weg wird kein leichter sein.

Dann lieber Atemlos durch die Nacht, von mir aus sogar mit Helene Fischer. Für Xavier und seine kruden Texte habe ich die Fernbedienung zum Wegzappen. Mögen andere ihn unterstützen.

Die leichte Muse politisch ernst nehmen?

Herbert Grönemeyer? Na, ja. Für den hatte mal der Pater Basilius Streithofen  in einer Talkshow der späten 80er Jahre den richtigen Spruch: Links reden und rechts verdienen. „Rock gegen rechts“ ist ja vor allem eine lukrative Nebenerwerbs-Landwirtschaft, mit der man sich ein schönes Leben machen kann, auch in Luxushotels.

Ernst genommen von der „leichten Muse“ habe ich dennoch eher Wolfgang Niedecken mit BAP: Verdamp lang her, Kristallnaach. Oder Wolf Maahn: Ich liebe Hunderttausend Meilen, das ist aber nicht politisch. Von Wolf Biermann mag ich einfach alles, sogar den Comandante, aber ich liebe den Preußischen Ikarus, und die Ballade von dem Panzersoldat und dem Mädchen. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Udo Jürgens mag ich auch; politisch fand ich ihn lange etwas simpel, anbiedernd und moralinsauer, aber bei genauem Hinhören, das mir an der Stelle seines Werks leider eher posthum gelang, da konnte ich jedes Wort unterschreiben. Vor allem mag ich von ihm seit jeher die anderen, unbekannteren Sachen, die Liebeslieder Ich weiß was ich will und Was ich dir sagen will. - Geschmackssache.

Ganz alte und ganz neue Dinger

Na, und dann sind da noch die ganz alten Dinger. Das hier hört sich an wie ein Aufruf zur Revolution. Wir wissen, was Gustaf Gründgens daraus gemacht hat. Viele andere Künstler auch. Mein Vater, der ehemalige NSDAP-Mann, erinnerte mich gern an Mischa Spoliansky oder Friedrich Hollaender, deren Chansons und Revuen er im Berlin der 20er und 30er noch selbst gehört und gesehen hatte.

Für mich trifft den Kern daher am besten dieses Lied, früher in jeder, heute noch in politischer Hinsicht. Marlene ist sowieso der Hammer. Sie liegt begraben auf dem kleinen Friedhof in Berlin-Friedenau, an der Stubenrauchstraße , unweit von dem Komponisten Ferrucio Busoni. Und auch der ist legendär. Bei allfälligen Garderobefehlern am Dekolleté meiner Mutter pflegte mein Vater seinen Namen wie folgt zu zitieren: Achtung, Ferrucio Busoni! (Mit dem Blick auf diesen Friedhof vom Balkon bin ich groß geworden).

Das ist alles eine ganz andere Liga als ausgerechnet Naidoo. Über den regen sich schon Dreikommaneunviertel der Presse auf. Viel zuviel Publicity. Die einzig mögliche Antwort auf Naidoos Niveau ist das hier.

Jesko Matthes ist Arzt und lebt in Deutsch Evern.

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Leserpost

netiquette:

Gerhard Panten / 12.05.2017

Zu der Musik von Xavier Naidoo / Den Söhnen Mannheims kann man unterschiedlicher Meinung sein, das ist halt eine Geschmacksfrage. Aber was hat Xavier Naidoo denn gesagt? Natürlich sind Politiker nur die Marionetten der Wirtschaft und der Abzocker! Und ja die Politiker sind Volksverräter, sich selbst die dicken Pensionen zuschustern und die dicken Anschlussposten abgreifen, aber Niedriglöhne einführen, die Rente kürzen und die Sozialpartnerschaft auf Befehl der Wirtschaft aufkündigen. Nichts anderes hat er gesagt, nur die so angegriffenen Politiker machen daraus gleich Antisemitismus und Nazi-Parolen! Ja, die Haus- und Hofsender werden ja von genau diesen Parteien kontrolliert und müssen natürlich kuschen. Wie lange wollen wir uns das eigentlich noch ansehen? Im übrigen haben die wenigsten Politiker jemals in ihrem Leben wirklich “malocht” sondern sitzen in ihren Runden und verbreiten “Weisheiten”. Man gehe in irgendeine Partei, folge nicht den Worten des “Großen Zampano” und man kann gar nicht so schnell reagieren wie man auf dem Abstellgleis der Partei steht. Genau deswegen kommen nur diese angepassten Laberer und Abgreifer nach oben, wirklich intelligente Menschen geben vorher auf. In Hannover habe ich das vor über 40 Jahren in der FDP mal unter Detlef Kleinert (sein bester Auftritt im Bundestag war der nach dem “Genuss” einer Flasche Whisky) erlebt. Wer ihm widersprach war ganz schnell weg vom Fenster. So wird der Satz von den Marionetten zur wirklichen Zustandsbeschreibung der Politik!

Frank Gausmann / 12.05.2017

Xavier Naidoos Musik ist zweifellos Geschmackssache. Ich mag ihn, und seine Songs sind in der Tat sicherlich eine Welt besser als das Gedudel von Helene Fischer. Aber das alles ist hier ja gar nicht die Frage! Entscheidend ist doch die Reaktion der Inhaber der Meinungsführerschaft in Mannheim und in Deutschland. Dabei zeigt sich einmal mehr das Anlegen unterschiedlicher Maßstäbe: linksextremistisches/anarchisches Gerülpse gegen Kapitalismus und Ausbeutung mit kaum versteckten Aufrufen zu Gewalt fällt unter künstlerische Freiheit, ein etwas verschwurbelter Text wie der von Naidoo ist „mindestens Rechtspopulismus“ und muss gemaßregelt/zensiert/unterdrückt werden. So sieht`s aus in unserer „Demokratie“.

Dr. Daniel Brauer / 12.05.2017

Auch wenn ich selbst kein Fan bin, muss ich mich anschließen und diesen Artikel als völlig daneben und unpassend für dieses Portal ablehnen. Wem die schwer verdaulichen und im Gegensatz zu Helene Fischer eben nicht leicht konsumierbaren Texte nicht passen, der möge weghören.

Axel Heinz / 12.05.2017

Ich mag weder Naidoo’s Lieder noch habe ich ihm jemals seine christliche Masche abgekauft. Infolgedessen war er mir - rein gefühlsmäßig - immer unsympathisch. Seine jüngste Systemkritik trifft jedoch - das zeigen nicht zuletzt die Reaktionen aller politisch und journalistisch Aufrechten - in’s Schwarze (und auch in’s Rote, Grüne und Gelbe), finde ich. Reaktionen wie die des neo-nationalsozialistschen Rundfunks 2 (der digitale Bücher- äh, ich meine Liederverbrennung - betreibt) bestätigen dies eindrucksvoll mit. Seine Auslassungen und wie er dazu steht, nötigen mir größten Respekt ab. Vielleicht sollte ich mich doch noch einmal mit seinen Liedern etwas näher beschäftigen.

Wolf-Dietrich Staebe / 12.05.2017

Die pc-konformen toten Höschen und die pseudo-mediziner erwähnen Sie in Ihrem Artikel nicht. Wahrscheinlich sind die ob ihrer Seichtheit auch keine Erwähnung wert.

Klaus Fellechner / 12.05.2017

Vielleicht sollte Herr Matthes die Texte mal hören,bevor er was schreibt. Aber Helene Fischer, nein danke, da hat der Autor wohl doch was falsch verstanden.

Th.F. Brommelcamp / 12.05.2017

Wenn sie Liedertexte vorher Herrn Maas einreichen, sodass diese auf Fake und richtige Meinung überprüft werden, danach einem Gremium aus Böhmermann, C.Roth, Joko&Klaas; zur Aussiebung zum richtigen Trend überlassen, dann wird es immer noch erhobene Stimmen lokaler Experten geben. Der Ruf nach Zensur wird von allen Seiten immer lauter.

Ines Schumann / 12.05.2017

Sehr geehrter Herr Matthes, damit hatte ich dann doch nicht gerechnet, dass man so tief in die Niveaukiste greift, um Helene Fischer hier zu erwähnen, wo es doch um viel Wichtigeres geht, als das Lied “Marionetten” von Xavier Naidoo. Es geht um die Freiheit der Kunst, des Wortes, darum, dass wir alle unsere Meinung sagen, schreiben, singen können, ohne zensiert zu werden. Und diese Freiheit läuft hier in diesem Land gerade gewaltig Gefahr, abgeschafft zu werden. Sie erwähnen in Ihrem Artikel u. a. Wolf Biermann und Udo Jürgens. Der eine singt direkt und ohne Zwischentöne, der andere hat diese klug zwischen den Zeilen eingebettet und man muss bei seinen wunderbaren Texten einfach genau hinhören - Udo Jürgens war ein sehr politischer Mensch und einer der sehr wenigen Sänger, der nicht permanent in jedes ihm reichte Mikrofon schwätzte. Xavier Naidoo hat einen Song getextet und veröffentlicht, der unseren Politikern den Spiegel vorhält und er hat es so getan, weil es getan werden muss! Herrgott noch mal - er hat doch komplett ins Schwarze getroffen, sonst wäre der Aufschrei ausgeblieben! Oder hat sich ein Politker schon mal über einen Text von Helene Fischer aufgeregt bzw. haben Radiosender ihre Lieder verboten? Nicht, dass ich wüsste, leider, aber das ist meine persönliche Einstellung und mein persönlicher Musikgeschmack. Und um es hier auch noch mal zu erwähnen, zu DDR-Zeiten wurden Bands, Schauspieler, Schriftsteller zensiert und mit Berufsverbot belegt, sie gingen entweder in den “Westen” oder sie waren einfach “totgeschwiegen”, erwähnt sei hier beispielgebend die Band “Renft”, welche 1975 durch die Statsorgane aufgelöst wurde, ihnen wurde die Lizenz entzogen, fertig und Ende. So ging das. Oder Armin-Mueller-Stahl, einer der bekanntesten Schauspieler der DDR - 1976 hat er die Unterschritenaktion für Wolf Biermann mit unterzeichnet, danach wurden ihm keine Rollen mehr angeboten und 1980 ging auch er. Die Liste könnte ich noch sehr lange fortsetzen. Damals war die einzige Alternative für Künstler, welche nicht angepasst an das System waren, zu gehen oder zu schweigen. Dieses Schweigen prägte und lähmte letzten Endes ein ganzes Volk, bis eben dieses Volk die Nase (die Netiquette lässt mich ein anderes Wort nicht verwenden) voll hatte. Der Rest ist Geschichte. Wollen wir das in diesem Land wieder, wollen wir wirklich unsere Künstler mundtot machen, ihnen nur noch Nischen lassen, kleine Hinterhofsäle, in denen sie auftreten können, um die verdammte Wahrheit ans Licht zu lassen? Oder wollen wir offen bleiben und sowohl mit Helene Fischer als auch mit Xavier Naidoo leben und umgehen können? Jeder nach seinem Geschmack. Und wenn denen in Berlin Texte oder Programme nicht passen, weil ihre Politik angeprangert wird, dann sind nicht die Künstler schuld, sondern sie selbst. Dann müssen sie ihre Politik ändern und dann werden auch die Texte wieder anders. Das ist der Weg, und um auch hier mit Naidoo zu enden, dieser Weg wird kein leichter sein. Aber er muss gegangen werden! Am besten sofort!

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