Manfred Haferburg / 12.09.2016 / 06:14 / Foto: CDU / 8 / Seite ausdrucken

Mutti und die Deutschen: Eine asymetrische Liebes-Beziehung

In ein paar Tagen wird in Berlin gewählt. Politik und Medien warnen, bis der Arzt kommt: „Wählt ja nicht die Falschen, denn dann geht wahlweise die Demokratie, das Abendland oder der Tourismus unter“. Die Politiker wollen nach der Wahl alles noch besser machen, jedenfalls ein bisschen. Ein Burkaverbötchen,  Steuersenkungchen, Abschiebungen, wenn’s grad passt, Politik den dümmlichen Bürgern besser erklären, unberechtigte Sorgen und irrationale Ängste ernster nehmen und der Finanzminister will sogar das Kindergeld um 2 Euro pro Monat erhöhen. Na, liebe Eltern, nun werdet mal nicht zu üppig. Alle Versprechungen haben eins gemeinsam: sie sind in ihrer Wirkung homöopathisch und nützen nur dem, der an sie glaubt. Und natürlich dem, der daraus Nutzen zieht, dass es jemand glaubt. Auch die emotionale Wähler-Seite wird bedient: ein bemerkenswerter Kommentar im FOCUS gipfelte in der Aussage: „Merkel hat uns lieb“. Uff, da gab es schon mal einen, der sagte: „Ich liebe doch alle“.

Eigentlich sollte meiner Meinung nach ja eine Bundeskanzlerin uns nicht liebhaben, sondern ihrem Amtseid frönen: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe“.

Liebhaben kann die Frau Merkel den Herrn Prof. Dr. Sauer. Im Kanzlerjob soll sie dem deutschen Volke dienen. Aber das mit dem Grundgesetz und den Gesetzen haben sie, die Groko und die Opposition ziemlich großzügig ausgelegt. Sowohl Grundgesetz, Artikel 16,  als auch Asylgesetz zanken sich mit der merkelschen Moralhaftigkeit. Auch die europäischen Gesetze könnten sich verbogen fühlen. Das sage nicht ich, das sagen ehemalige Verfassungsrichter.

Nun ist das „Wohl des deutschen Volkes“ nirgendwo direkt beschrieben und somit einer großen Deutungsspanne anheimgegeben. Gleichwohl scheint doch die Rettung von Pleitestaaten und Pleitebanken – notabene nicht deutschen Pleitestaaten oder deutschen Pleitebanken – auf Kosten der deutschen Steuerzahler nur schwer in das Wohl des deutschen Volkes umzudeuten. Auch ist die Grenzöffnung und Beibehaltung dieses Zustandes der offenen Tür, quasi die dauerhafte Abschaffung der deutschen territorialen Integrität, in Hinsicht des Wohles des deutschen Volkes zu hinterfragen. Was ist da „Rückführung, Rückführung und nochmals Rückführung“ mehr, als eine Wahlkampffloskel, wenn die Eingangstür sperrangelweit offensteht und sowieso die Bundesländer für die „Rückführungen“ zuständig sind? Wenn eine ganze Rückführungsverhinderungsindustrie unter dem Beifall der Medien jeder „Rückführung“ Knüppel zwischen die Beine wirft. Hinten führt man einen rück und vorne kommen zehn herein?

In der Liebe stimmt leider manchmal die Symmetrie nicht. In so einer asymmetrischen Liebes-Beziehung haben sich vor Jahren die deutschen Wähler mit ihrer Bundeskanzlerin eingerichtet. Sie wurde, das ist noch nicht lange her, „Mutti“ genannt, erinnert sich da noch jemand? Insofern ist der Wähler nicht so ganz unschuldig an der heutigen Situation. Dann aber, wo die Mutti zur „Mutter aller Gläubigen“ muttierte, sagte plötzlich keiner mehr Mutti. Sie war noch mit ihrer Drohung: „Dann ist das nicht mehr mein Land“ erfolgreich. Aber so langsam wuchs aus dem wohligen Gefühl des Umsorgt-Seins das Unwohlsein der Abhängigkeit.

Und richtig, es war zu spät, aus der liebenden umsorgenden Mutter war eine starke Frau geworden, die ihren Willen durchzusetzen versteht, was auch immer das umsorgte Volk denkt. Die Demokratie muttiert in eine enthemmte repräsentative Demokratie, indem sie die Demokratie rückstandslos auffrisst. Doch die Muttation geht weiter. Aus der Mutter aller Gläubigen wurde die Alternativlose.

Aber wohlbemerkt: Kanzlerin Merkel ist nur die Gallionsfigur der Misere unserer Demokratie. Ihre Partei, die Schwesterpartei, die mitregierenden Sozialdemokraten sowie die Jubel-Opposition sind genauso mitverantwortlich, wie die unsäglich gleichgeschalteten Medien.

Wie wird der Wähler Politiker wieder los, deren Liebe ihn erdrückt? Schwierig, schwierig. Bei demokratischen Wahlen wird wohl folgendes passieren: jede Stimme, die nicht an eine echt oppositionelle Kraft im Lande geht, geht an Merkel. Sie hat es verstanden, die parlamentarischen Parteien inklusive der Opposition in beliebiger Mehrheitsarithmetik zu pulverisieren, immer mit ihr an der Spitze.

Vielleicht könnte ein Aufruhr in den eigenen Reihen noch ihre Alternativlosigkeit stoppen. Schwierig, schwierig, da der CDU der rechten Flügel amputiert wurde und die Flügellahmen genügend abhängig sind. Nur so kann ich mir das Losspringen halbherziger Rebellen der CDU/CSU Fraktion als Tiger und ihr permanentes Landen als Bettvorleger erklären. Erinnern wir uns: im Januar dieses Jahres, ein paar Wochen nach einem scharf formulierten Protestschreiben der CDU-Rebellen, das nicht mal beantwortet wurde, spendete der geschlossene Parteitag der Kanzlerin ganze 10 Minuten Standing Ovations. Das ist schon bizarr.

Doch jetzt, mit den Wahlen, kommt das große Fracksausen um die gutdotierten Parlaments-Posten. Die Stimmung ist mies. Eigentlich warte ich jeden Tag auf so eine Nachricht: „Palastrevolution – die Koalition zerbricht“ oder „Misstrauensvotum – Merkel tritt zurück“. Mir mangelt es einfach an Vorstellungsvermögen, dass es so längerfristig weitergehen kann. Warten wir die nächsten Wahlen ab, vielleicht hören wir ja danach die bange Frage: „Auch du, mein Sohn Brutus?“ (Namen zum Selbsteinsetzen: Kauder, Tauber, Altmeier…)

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Leserpost

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Peter Müller / 13.09.2016

Bitte nennen Sie diese Person nicht “Mutti”. Sie hat keine Kinder. Sei weiß gar nicht, wie das ist. Wenn Sie Kinder hätte, wäre sie zudem an der Zukunft dieses Landes interessiert.  Das darf man wohl spätestens seit Morsleben getrost ausschließen.

Karla Kuhn / 12.09.2016

Hallo Herr Haferburg, danke für die brillante Analyse. Trotzdem muß ich Ihnen widersprechen, dass ich auch mit schuld sei an der heutigen Situation. Niemals habe ich Frau Merkel Mutti genannt, erstens ist sie keine Mutter und zweitens würde ich es als Verrat an meiner klugen,  humorvollen, herzlichen, sehr sozialen und äußerst beliebten Mutter sehen. Außerdem habe ich Frau Merkel von Anfang an abgelehnt, ich habe sie auch nicht gewählt. Was Sie als “starke Frau, die ihren Willen durchzusetzen versteht”  beschreiben, empfinde ich von Frau Merkel als große Rücksichtslosigkeit dem deutschen Volk gegenüber. Ansonsten große Klasse.

Jan Himp / 12.09.2016

Das ist ja nicht Muttis erste Entscheidung, die nicht -wie man es von einer Physikerin erwarten könnte- analytischem Verstand/Weitsicht entspringt, sondern -und da kommt dann wohl die Pastorentochter durch- emotionalem Gutmenschentum entspringt. Die erste war die der Energiewende nach Fukushima ... ebenfalls ohne Sinn und Verstand ... die uns Strompreise beschert hat, die dreimal so hoch liegen wie in Schweden oder Frankreich. Euro-Rettung ... noch son Thema .... Ohne Sinn und Verstand

Wolfgang Richter / 12.09.2016

“Ihren Willen durchzusetzen, was auch immer das umsorgte Volk denkt” bedeutet faktisch, daß diese Kanzlerin Politik Politik vor allem für sich selbst, wie für die ihr anhängenden Seilschaften macht. Wie lange es klappen kann, Politik gegen die Interessen eines zumindest großen Teiles der eigenen Bevölkerung zu machen, zeigt das Beispiel vom Krug, der irgendwann, dann sicher plötzlich und unerwartet, zerbricht. Und dann sind wieder mal nicht die Verursacher schuld am Desaster,  sondern die Kassandras. Ein wenig erinnert diese Politik auch an die Strategie des Herrn Juncker, der mit dem bekannten Zitat aus den 1990ern einräumt, daß es im Dienste der EU üblich ist, Politik in kleinen Schritten unter Angabe von irre leitenden Erklärungen ist, ggf. auch eine Lüge im Sinne der eigenen Sache erforderlich sein kann. So könnte unter Hinweis auf das EU-Strategiepapier von diesem Jahr zur “Neuansiedlung” von Zu- wandernden der Hintergrund für die merkelsche Grenzöffnung auch ein anderer sein als der von ihr herausgestellte “Akt der Humanität”.

Herbert Exner / 12.09.2016

Herr Haferburg, danke für Ihren ausgezeichneten, treffenden und - was die Zukunft betrifft - ein wenig ratlosen Artikel. Ich sehe keine Persönlichkeit, die durch in der Vergangenheit erbrachte Leistung über alle Schichten der Bevölkerung Anerkennung, Respekt und Hoffnung in Wahlen erhalten könnte. Einer wie Bosbach, aber aus der Wirtschaft kommend hätte es werden können. Die AfD wird derzeit nicht wegen ihres Führungspersonals gewählt sondern weil sie den versteinerten Altparteien/Medien-Komplex in Unruhe versetzt.

Günter H. Probst / 12.09.2016

Die Masseneinwanderung in die Arbeitslosigkeit und die sozialen Systeme wird sich nicht durch Wahlen ändern. In einigen Jahren wird die Finanzierung der sozialen Systeme auch bei stärkerer staatlicher Verschuldung und Aufblähung der EZB-Bilanz um einige Billionen mehr nicht mehr ausreichen. Dem (teilweisen) Zusammenbruch der sozialen Systeme, der dann auch die Rentner, Armen, Behinderten, Kranken hier betrifft, folgt dann der politische Wandel.

Peter Hofstetter / 12.09.2016

Ich glaube nicht, dass sie uns lieb hat. Hat sie auch nur eine Frau besucht, die in Köln bereichert wurde? Jeder Obama fährt nach einem solchen Desaster an den Ort des Geschehens, er sagte auch eher etwas zum Münchner Massaker eines Iraners an Türken als Merkel. Sie ist in Schockstarre verfallen und versteckt sich (“Keiner sieht mich, ich bin nicht da, es gibt kein Problem”). Die Bürger sind nicht verunsichert, sie werden verunsichert. Von der Regierung.

JF Lupus / 12.09.2016

Es wird weitergehen wie bisher. Merkel wird mit dem Teufel paktieren (außer mit der AfD) um an der Macht zu bleiben. Bedauerlicherweise ist demokratisch nichts zu ändern, denn Merkel hat die Demokratie abgeschafft.

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