Henryk M. Broder / 01.03.2016 / 19:04 / Foto: Tim Maxeiner / 64 / Seite ausdrucken

Münchner-Runde: Claudia Roth lässt Henryk Broder ausladen

Letzten Freitag, kurz nach 14 Uhr, bekam ich eine mail vom Bayerischen Fernsehen. Annette Peter aus der Abteilung Innenpolitik und Zeitgeschehen/Redaktion Gespräche/"Münchner Runde wollte wissen, ob ich „im Lande wäre“ und eine „Meinung zur Situation in Europa“ hätte.

Ja, schrieb ich zurück, ich wäre im Lande und hätte auch eine Meinung zu der Situation in Europa. „Ich sehe mit Entsetzen, dass alle meine Vorhersagen aus meinem vorletzten Buch (Die letzten Tage Europas) übertroffen werden.“ Worauf Frau Peter anfragte, ob ich „eventuell zeitlich für eine Runde am Dienstagabend verfügbar“ wäre. Im Prinzip schon, antwortete ich, aber ich hätte keine Lust, nach München zu fliegen. Das wäre nicht nötig, schrieb Frau Peter, „wir sind in Berlin“. Gestern, kurz vor 10 Uhr, bekam ich dann die offizielle Einladung. Ich sollte mich heute um 19.45 im Hauptstadtstudio der ARD einfinden, die Sendung würde um 20.15 Uhr aufgezeichnet werden, das Thema wäre:

Flüchtlingskrise: Schafft Merkel noch die Wende?

Mit folgenden Gästen: Gerd Müller, Claudia Roth, Dimitris Droutsas und Henryk M. Broder.

Nanu, dachte ich, was macht der alte „Bomber der Nation“ in einer Runde über die Flüchtlingskrise? Trainiert er vielleicht eine Mannschaft mit Migrationshintergrund? Wer Dimitris Droutsas ist und was er macht, wusste ich nicht, aber ich freute mich darauf, Claudia Roth zu treffen, weil ich sie schon lange fragen wollte, warum sie neulich bei einer Demo mitgelaufen ist, auf der „Deutschland, du mieses Stück Scheiße!“ gerufen wurde. Ob so etwas mit ihrem Amt als Vizepräsidentin des Bundestages vereinbar wäre.

Eine halbe Stunde später meldete sich Frau Peter wieder. „Jetzt gibt es eine kleine Änderung bei uns, und daher meine Frage, könnten Sie auch nächste Woche zu uns nach München kommen, das wäre der 8. März in München. Es wäre sehr schön, wenn das klappen könnte, bitte mailen Sie mir, dann würde ich mich um ein schönes Hotel kümmern.“

Eine kleine Änderung? München statt Berlin? 8. März statt 1. März? Und was sollte das Versprechen bedeuten, Frau Peter würde sich um ein schönes Hotel kümmern? Wenn ich in ein schönes Hotel will, gehe ich zum Teetrinken ins Adlon, dafür muss ich nicht nach München düsen. Plötzlich überkam mich eine Ahnung. Konnte die Ausladung etwas mit Claudia Roth zu tun haben?

Ich fragte nach. Ja, schrieb Frau Peter, „der Grund ist Frau Roth“. Und: „Leider weiß ich immer noch nicht, was zwischen Ihnen vorgefallen ist. Aber ich habe gestern verstanden, daß ich Sie nicht gemeinsam einladen kann. Das bedaure ich persönlich sehr.“

Nun, ich schwöre es, zwischen Claudia Roth und mir ist nichts, rein gar nichts vorgefallen, außer dass ich einige Male geschrieben habe, was ich von ihr halte. Das ist mein gutes Recht. Ihr gutes Recht ist es, mit mir nicht an einem Tisch sitzen zu wollen. Aber warum werde ich dann ausgeladen und nicht Claudia Roth?

Heute Nachmittag, kurz nach 16 Uhr, meldete sich Frau Peter wieder: „Ich weiß Sie sind mir jetzt böse, aber ich kann leider auch nichts dafür, daß Sie heute abend nicht mehr geladen sind, ich hoffe immer noch darauf, dass Sie mir verzeihen, spätestens bis nächste Woche, wenn sie unser Gast sind. Humor ist immer überlebenswichtig.“

Ja, Humor ist, wenn man trotzdem lacht und Münchner Runde ist, wenn Claudia Roth bestimmt, wer teilnehmen darf.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Gerhard Huitl / 03.03.2016

Sehr geehrter Herr Broder, ich finde vor allem die Vorgehensweise des BR skandalös und habe dies dem Sender gegenüber in einer Email zum Ausdruck gebracht. Weniger überrascht mich Frau Roths Vorgehen, das möglicherweise auch Ausdruck eines manisch-politischen Sendungsbewusstseins ist.  Im Übrigen spricht die Zusammensetzung fast aller TV-Gesprächsrunden,  jedenfalls zu Themen wie der Flüchtlingsproblematik,  einem auch nur annäherungsweisen gesellschaftlichen Meinungsproporz geradezu Hohn. Vermutlich ist auch diese langjährige Übung eine der Ursachen für das Entstehen vereinfachender Schlagwärter, wie dem der “Lügenpresse”. Ich hoffe übrigens sehr, Sie trotzdem bald wieder in einer Talk-Runde, speziell zu dieser Thematik, sehen zu können. Mit freundlichen Grüßen Gerhard Huitl

Gregor Weindinger / 03.03.2016

” Aber warum werde ich dann ausgeladen und nicht Claudia Roth?” Tja, wenn man über andere schreibt “Doppelzentner fleischgewordene Dummheit, nah am Wasser gebaut und voller Mitgefühl mit sich selbst” dann macht man sich eben nicht sonderlich beliebt. Ich könnte ja auch schreiben, was ich von Ihrer Figur und Ihrem Intellekt halte und ich hätte “gutes Recht” dazu genau wie Sie Herr Broder. Ich jedoch unterlasse das, denn das ist nicht mein Niveau.

Markus Kuhl / 03.03.2016

Ich las soeben diesen Artikel: http://www.deutschlandfunk.de/streit-um-tv-ausladung-broder-roth-und-die-halbe-wahrheit.1818.de.html?dram:article_id=347274 “Doppelzentner fleischgewordene Dummheit, nah am Wasser gebaut und voller Mitgefühl mit sich selbst”. Ein halbes Jahr zuvor sagte er, als es um das Thema Türkei ging, Roth habe es “mit einer Mischung aus Dummheit und Selbstüberschätzung bis zur Vizepräsidentin des Bundestages geschafft”. Wie konnten mir diese wunderbaren und treffenden Formulierungen bisher verborgen bleiben?

Michael Kunath / 03.03.2016

Hallo Herr Broder, schade, dass es nicht zu einem Zusammentreffen zwischen Ihnen und Frau Roth kam. Was auch immer man gegen Frau Roth allerdings vorbringen mag - das sie an einer Demo teilnahm wo “Deutschland, du mieses Stück Scheiße” gerufen wurde ist natürlich unschön. Aber meist weiß man ja nicht, was auf Demos so alles gerufen wird. In Hamburg geriet ich z.B. mal in einen Kessel der Polizei - keine Ahnung um was es bei der Demo ging - ich wollte eigentlich nur die Straßenseite wechseln, um mit meinem jüngeren Neffen Bekannte zu treffen, um gemeinsam die Sportschau zu sehen. Wenn Sie so wollen war ich wahrscheinlich in einer nicht ganz verfassungskonformen Demo involviert . . . allerdings hatten die Beamten Verständnis für unseren Wunsch das Spiel des HSV im TV zu verfolgen und wir kamen gleich wieder raus. Auch dort wurden unschöne Dinge gerufen, meine Erziehung gestattet es mir nicht dies weiter aufzuführen. Um es kurz zu machen - Frau Roth sieht Deutschland bestimmt nicht als mieses Stück Scheiße und auch hier gilt eigentlich sowas wie eine Unschuldsvermutung, dass Sie diese Rufe nicht gehört hat. Darauf herumzureiten ist Ihrem Intellekt nicht angemessen, sicher verfügen sie auch über eine feinere Klinge mit der Sie mit Frau Roth sich argumentativ austauschen könnten. Wenn ich aber im Web, nicht nur in rechtsradikalen Foren, nein auch in Facebook die Tiraden über Frau Roth lese bis hin zu Mord- und Folterphantasien finde ich, dass - bei allen politischen Unterschieden - selbst Frau Roth (stellvertretend für Viele) sich auf Ihre Solidarität als Intellektueller und Person des öffentlichen Lebens, die selbst infamsten Angriffen ausgesetzt ist verdient! Die Demokratie verträgt sicherlich Ironie und manchmal auch eine Portion Sarkasmus - wichtig aber finde ich wäre es, wenn alle Intellektuellen und Demokraten (manchmal schließt sich ja beides aus) sich zusammentun sollten, um der braunen Brut, die sich zusammenrottet Widerstand zu leisten. Erst mal mit Geist und Worten . . . es gilt zu verhindern, dass die 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung die für ultrarechts anfällig sind mit rechten intellektuellen Eliten eine neue Form von Faschismus in Europa und speziell auch in Deutschland kreieren. Denke mal, dass dies doch auch in Ihrem Sinne wäre - oder liege ich da falsch? Beste Grüße ein meist amüsierter Freund Ihrer ganz speziellen Broder-Polemiken! ;-) Michael Kunath

Xain'd Sleena / 03.03.2016

Sehr geehrter Herr Broder, ärgern Sie sich nicht, auch wenn das Verhalten von Frau Peter wahrlich unterirdisch ist; schließlich hat Frau Roth ja Sorgen, Ihnen gegenüberzutreten. Konsequenterweise hätte Frau Roth dann der Veranstaltung fernbleiben sollen. Ich habe von Ihrer “Ausladung” über die Webseite der BILD-Zeitung erfahren, die ich öfters mal für einen “Lacher” ansteuere, und habe mich (natürlich) auch erst geärgert, als ich davon las. Am Ende ist es aber wohl besser, Frau Roth schlicht zu ignorieren - das schont den (oder zumindest meinen) Blutdruck erheblich. Ich könnte jedenfalls immer lauthals schreien, wenn ich das “Betroffenheitsgewinsel” zur Kenntnis nehmen muss, und ich bin meinem Wesen nach überhaupt kein Schreihals. Sie sehen, Frau Roth ist mir eine emotionale Ausnahmebelastung. Aufmunternde Grüße von einem sich vor Ihnen verneigenden Leser - Xain’d Sleena

Martin Deckel / 03.03.2016

“Aber warum werde ich dann ausgeladen und nicht Claudia Roth?” Vielleicht weil Sie sie u.a. als “Doppelzentner fleischgewordene Dummheit” beleidigt haben? Das ist eben nicht Ihr “gutes Recht” Oder?

Bärbel Schneider / 03.03.2016

Ich vermute, Frau Roth weiß ganz genau, dass sie Ihnen intellektuell nicht das Wasser reichen kann, und weicht aus Angst vor einer Blamage einer Konfrontation aus. Es ist ein Schande, dass sie mit ihrer Erpressung durchkommt. Man hätte sie ausladen sollen.

Steven Müller / 03.03.2016

Frau Roth was soll man da noch sagen.Was haben wir heute für Politiker, es ist einfach nur noch beschämend. Herr Broder ich liebe ihren Sarkasmus und natürlich haben sie in vielem Recht. Traumrunde wäre, Lindner, Beck, Gabriel, Katrin Göring-Eckardt.Das wäre absolut großes Kino.

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