Henryk M. Broder / 11.08.2016 / 13:15 / Foto: Bildarchiv Pietermann / 10 / Seite ausdrucken

Müller, Berlin

In fünf Wochen, am 18. September wählen die Berliner ein neues Abgeordnetenhaus, das Parlament der Hauptstadt. Zugleich werden die Volksvertreter für die Bezirksverordnetenversammlungen der 12. Berliner Bezirke gewählt. 21 Parteien treten an; neben der SPD, der CDU, den Grünen, den Linken und den Piraten, die im Abgeordnetenhaus vertreten sind, auch kleine Parteien, die es wissen wollen.

Unter anderen die FDP, die bei der letzten Wahl vor vier Jahren abgewählt wurde, die Deutsche Kommunistische Partei, von der keiner wusste, dass es sie noch gibt, die „Partei für Gesundheitsforschung“, die Partei „Menschliche Welt für das Wohl und Glücklich-Sein aller“ und eine Gruppe, die sich „Die Violetten für spirituelle Politik“ nennt.

Nun erwartet in Berlin niemand, dass sich nach der Wahl irgendetwas ändern wird. Schlimmstenfalls könnte aus der SPD-geführten Großen Koalition eine CDU-geführte Große Koalition werden. Die Parteien wissen es und lassen es auch die Wähler wissen. Die SPD tritt hinter ihren Spitzenkandidaten, den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, zurück.

„Müller, Berlin“ heißt es auf Plakaten, die den Regierenden in Alltagssituationen zeigen, ohne jeden Hinweis auf die SPD. Der Spitzenkandidat der CDU heißt Frank Henkel, amtiert als Innensenator und dient dem Regierenden als Sündenbock für alles, was in Berlin nicht funktioniert.

Henkel ist nicht besonders beliebt. Deswegen werben auch zwei Nilpferde für die CDU, die miteinander im Wasser spielen. Dazu der Spruch: „Mehr Zeit für die Familie“. Die FDP fordert: „Die Sicherheit muss besser organisiert sein als das Verbrechen“, die Grünen möchten den „Miethaien die Zähne ziehen“ und die „Freilandhaltung auch für Großstadtmenschen“ durchsetzen – was immer damit gemeint ist. Die Linken wollen die „Armut stoppen“, die Piraten Marihuana legalisieren, denn: „Keine Pflanze ist illegal“. Dafür ist jeder Unsinn erlaubt.

Natürlich wissen die Berliner, dass sie verarscht werden. Sie nehmen es gelassen hin. Weil es völlig egal ist, wer in Berlin regiert. Die CDU, die SPD, die Radfahrer oder die Kleingärtner.

Und das ist das Beste, was man derzeit über die Stadt sagen kann.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Leserpost

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Wolfgang Richter / 13.08.2016

Wenn die Wahl so sicher stattfindet, wie der Flughafen schon seit längerem in Betrieb sein sollte, muß man sich erst mal keine weiteren Gedanken zu dem Thema machen. Und nach den angeblich wissenschaftlich korrekt erhobenen Daten aus Meinungsumfragen stehen CDU und SPD nachwievor ungefährdet in der Zustimmung der Bürger an der Spitze u. die AfD braucht niemand zu fürchten.  Somit wirds in Muttis Republik auch keine wie auch immer geartete Revolution geben. Alles ist gut. Wir schaffen das.

Beatrice Hamberger / 11.08.2016

Habe eben auch das erste Wahlplakat “Müller, Berlin” gesehen. Herr Müller fährt die Rolltreppe hoch, eine Frau mit rosa Kopftuch fährt auf der Gegentreppe runter. Müller lächelt sie an. Und das, nachdem mir gerade zwei jüdische Berliner erzählt haben, dass sie Deutschland verlassen. Es wird ihnen hier zu viel.

Peter Weinert / 11.08.2016

Werter Herr Broder, anscheinend haben Sie vergessen, daß in Berlin auch eine Partei antritt, die mit wahren Fakten und Problemen argumentiert. Wenn die Berliner nicht weiter nur “verarscht” werden wollen, sollten Sie vielleicht die einzige Opposition , die es noch gibt, wählen, die AfD. Ich weiß ja, das sich kaum einer mehr traut, sowas zu schreiben ohne Sorge um seine Gesundheit und Existenz zu haben, glaubte aber bisher, das Sie “über solchen Dingen stehen”.

annen anne Nerede / 11.08.2016

Die AfD hat keine Plakate?

Marc Bisop / 11.08.2016

Hmm, wenn Broder die AfD nicht erwähnt, wird’s interessant…

Frank Stricker / 11.08.2016

Werter Herr Broder, Zufall oder Absicht, dass sie die AFD in ihrem kleinen Pre-Wahl-Bashing nicht erwähnt haben ? Wenn die AFD ein wahrscheinlich respektables Ergebnis erreicht, muß aber schon die ganz, ganz große Koalition ran, “Jamaica plus Kenia”. So oder so, Berlin ist eh im A…...

Rob Fähmel / 11.08.2016

“Und das ist das Beste, was man derzeit über die Stadt sagen kann” ? Ich finde nicht ganz. Man sollte zumindest noch die A10 erwähnen: diese ermöglicht, die Stadt zügig und großräumig zu umfahren.

Viola Heyer / 11.08.2016

Ich glaube nicht, dass sie sich tatsächlich gerne von Radlern regieren lassen würden. Die sind bei ihnen wahrlich nicht gut gelitten… Der Artikel war sehr gut, aber leider zu kurz.

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