Ralf Ostner / 22.10.2016 / 06:00 / Foto: Donkey Hotey / 2 / Seite ausdrucken

Moralapostel auf dem falschen Trip

Von Ralf Ostner.

Es ist schon etwas seltsam. In Celebritymagazinen oder MTV und VIVA werden Pop- und Filmstars in den Himmel gehoben mit all ihren luxuriösen Villen, Frauen, Yachten, Autos, Schmuck, Markenklamotten, hedonistischen Großfeiern  und sonstigen Statussymbolen. Hier reichen bei MTV und VIVA schon nicht mehr Millionäre, sondern nur noch Milliardäre. Je größer und teurer desto glamouröser. Ein Spektakel der Superlative, das den American Dream und den Lifestyle vorgeben soll. Hugh Hefner ist der große King, ein alter reicher Tattergreis, der sich als Playboychef mit jungen Mädels umgibt und diese in seinen Magazinen nackt ablichten lässt. Nur Alice Schwarzer beschwert sich zu Recht.
 
Bei Heffner & CO erhebt sich seltsamerweise nie die Kritik an Korruption, Dekadenz und Ausbeutung  – all diese Figuren und ihre Lebenswandel firmieren unter "ehrlich verdient". Ausbeutung kommt bezeichnenderweise nur bei politischen Gestalten vor — von Bunga-Bunga-Berlusconi bis zu Ghaddafi mit seiner angeblich vollbusigen ukrainischen Krankenschwester. 

Daraus wird schnell die Gleichung gemacht, dass es auch Politikern nur um Yachten, Villen, Sexorgien, und dergleichen ginge. Selbst bei so biederen Figuren wie Helmut Kohl (nur ein Reihenhaus in Oggersheim kann ja nicht sein) oder Erich Honnecker (Jagd!) oder  Sahra Wagenknecht (Hummeressen), Klaus Ernst (Porsche!) und Lafontaine (teure Weine) werden da vor allem nur hedonistische Motive und ein geheimes Schattenleben in Saus und Braus unterstellt.
 
Die billige Botschaft „Denen geht es nur um das eine“, nämlich Privilegien, Macht und Luxus kürzt so alles aus den politischen Entscheidungen von Politikern heraus, will auch keine Analyse der Politik liefern und erklärt nichts, sondern will nur moralische Verdammnis über Politik verbreiten, dass eben Politik immer schon was Dreckiges war, ist und sein wird. Dass Macht korrumpiert.

Die Volksgemeinschaft suhlt sich in der angeblichen Politikverdrossenheit

So suhlt sich die immaginierte Volksgemeinschaft wonnig in der angeblichen Politikverdrossenheit. Es ist die totalitäre Vorstellung, dass einem gesunden und sauberen Volkskörper, der alle Hartz-4-ler, Sozialschmarotzer, Lebenskünstler, politisch Unbotmässige und Zugewanderte aussortiert, ein ebenso sauberer Politikerapperat, der nur dem Volk dient, gegenüberzustehen habe. Idealisierung und Totalwahn in beiden Richtungen. Als gäbe es keine unterschiedlichen politische Meinungen oder unterschiedliche Interessenslagen – aber darüber wird die Vorstellung vom sauberen Volk und der Mantel des  Moralismus gelegt.

Persönliche Angriffe und illustre Ausschmückungen von einem angeblich ausschweifenden Politikerleben haben mehr Quote, als Berichte und Analysen über die jeweilige Politik des Politkers. Auch bei der Schriftstellerin Jung Chang in ihrer Mao-Biographie darf nicht fehlen, dass Mao stank und Sex mit jungen Bauernmädels und Groupies gehabt haben soll. Womit sich jedes Groupie wie Uschi Obermeier schmückt, nämlich mit Rainer Langhans und den Rolling Stones Sex gehabt zu haben gilt als toll, im Bereich der Politik als verdammenswert. Dahinter steckt immer die Vorstellung, der Politiker habe „dem Volk zu dienen“ und ein Musterschüler zu sein.
 
So richtig recht kann es ein Politikern seinen höchst doppelmoralischen Untertanen nicht machen. Franz Josef Strauss wurde in den 80er-Jahren  mit ebenso billiger Moralkritik vom Schriftsteller und Journalist Berndt Engelmann angegangen: Mit einer schwarzen Prostituierten soll er etwas gehabt haben auf Kosten Lockheeds. Was wollte Engelmann jetzt eigentlich kritisieren? Dass Strauss einer Schwarzen nahegekommen sein soll ("Rassenschande"? – ein recht seltsamer Vorwurf von Seiten eines Linken...), die Prostituierte ("Käufliche Liebe") oder dass das ganze auf Lockheeds Kosten ging?

Dafür kommt in dem gesamten Schwarzbuch nicht vor, dass Strauss die Bundeswehr vor allem deswegen mit Starfightern ausrüsten wollte, weil dieses Flugzeug  nuklear nachgerüstet werden konnte und ein nukleargerüstetetes Deutschland sein Ziel war.  Es ist schon bezeichnend, dass ein deutscher Linker den deutschen Militarismus mit Oma-Schreckgeschichten von Moral meint packen  müssen, die höchstens Kaffeetanten aufschreckt. Die CSU-Anhänger nahmen es ohnehin als Kompliment: Ein „Batzi“ und ein „Hund“ sei er gewesen, so schön katholisch doppelmoralisch wie es eben einem Machtpolitiker zusteht.
 
Das ist eben auch der Unterschied zwischen Guttenberg und Strauss: Strauss hat nie den Saubermann rausgelassen, sondern immer augenzwinkernd zu verstehen gegeben, dass man die Trennungslinien zwischen Politik, Wirtschaft und Luxus nie so eng ziehen solle. Auch hätte Strauss nie wegen einer plagiatierten Doktorarbeit seinen Rücktritt eingereicht. Strauß hat immer den Barock in der deutschen Politik verkörpert.

Das war auch der Abtrittsgesang Streibels „Servus Amigos“ und läutete mit  Stoiber die puritanische CSU ein — ein neuer Politikstil, der sich nur noch als sauberer, korrekter und höchstmoralischer Diener des Volkes und Dienstleister einer einigen und einheitlichen Volksgemeinschaft versprach. Durften die begleitenden Polizeibeamten unter Strauss noch am Fressbuffett der Reichen mittafeln, so gab es unter Stoiber nur separat  lauwarme Leberkässemmeln, dafür aber eben auch die Landesbankaffäre mit Milliarden Verlusten, die über ein Jahrzehnt den bayerischen Haushalt in den Knochen steckte. Sauber, aber verschuldet. So rein wie Stoiber wollte keiner mehr sein in der CSU und Seehofer muss sich ja schon wieder sein Doppelleben mit einer Geliebten nebst Ehefrau vorhalten lassen, als ob es am Bayrischen Ministerpröäsidenten Seehofer nichts politisch zu kritisieren gäbe.

Ralf Ostner, 51, Diplompolitologe, Open-Source-Analyst, arbeitet als Übersetzer für Englisch und Chinesisch. Mehr vom Autor finden Sie hier

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Andreas Rochow / 22.10.2016

Das Unmoralische wird überwiegend sehr oberflächlich, beliebig oder gezielt vom politischen Gegner ins Spiel gebracht. Ist es Teil einer rufschädigenden Kampagne (Christian Wulff), ist das Publikum fasziniert und zwischen Schadenfreude und Mitleid gespalten. Interessant ist die Frage, weshalb das moralische Urteil so unberechenbar ist und so ungerecht sein kann und gern Betrug, Lüge und Vertuschung als lässliche Sünden ad acta legt. Dass z.B. die grandiose zweite politische Karriere des Genossen Gregor Gysi in einer Gesellschaft, die er bis dahin professionell und ideologisch bekämpft hatte, wie geschmiert lief, ist Folge der Schwäche des moralischen Urteils und einer atemberaubenden mediengestützten linkspopulistischen Selbstvermarktung.

Martin Wessner / 22.10.2016

Es geht hier wohl mutmaßlich vorallem um Projektionen. In einen Prominenten wie Mick Jagger projiziert man sich selbst hinein. Frei, ungebunden und keinem zur Rechenschaft verpflichtet sein und zudem die Möglichkeit haben, jederzeit seinen hedonistischen Gelüsten nachgehen zu können, das ist sicher fein. In einem Politiker projiziert man stattdessen aber seinen Vater, seine Mutter oder seine Großeltern hinein. Denn als Bürgerkind erwartet man von Machthabern naturgemäß ein disziplinierteres Verhalten als von sich selbst, da man von diesen Personenkreis schließlich mehr oder weniger fremdbestimmt wird.

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