Titus Gebel / 10.05.2018 / 15:00 / Foto: Pixabay / 1 / Seite ausdrucken

Monaco für Jedermann!

Von Titus Gebel.

Als ich vor Jahren das erste Mal nach Monaco kam, benutzte ich in Begleitung eines ortskundigen Freundes die öffentlichen Stadtbusse. Nachdem wir in eine andere Linie umgestiegen waren, wies er mich darauf hin, dass der Fahrer dieses Wagens ein Deutscher aus Berlin sei. Das überraschte mich und ich fragte den Busfahrer beim Aussteigen, wie es denn komme, dass er hier in Monaco arbeite? Er entgegnete nur: „Wo würden Sie denn lieber Bus fahren, in Marzahn oder in Monaco?“ 

Das leuchtete mir unmittelbar ein.  

Von Monaco wird kolportiert, dass 30 Prozent aller Einwohner über ein liquides Vermögen von mehr als einer Million US-Dollar verfügen. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass 70 Prozent mehr oder weniger normale Menschen sind. Im Lauf der Jahre habe ich viele Arbeitnehmer in Monaco befragt, die meisten waren Tagespendler aus Frankreich und Italien, und der Befund ist eindeutig: Wenn die Mieten nicht so exorbitant hoch wären, würden fast alle das monegassische System bevorzugen und sich in Monaco niederlassen. Die Immobilienpreise sind aber nur so hoch, weil Monaco so wenig Fläche hat. Die sonstigen Lebenshaltungskosten sind vergleichbar mit dem Rest der Cote d’Azur. Schauen wir uns Monacos Gesellschaftsordnung also etwas näher an.

Das Fürstentum ist seit 1911 eine konstitutionelle Monarchie. Meinungsfreiheit, Eigentumsrechte und so weiter sind verfassungsrechtlich garantiert. Der Fürst ernennt die Regierung. Seit der Verfassungsänderung 1962 gibt es ein Parlament, das in freien und geheimen Wahlen auf fünf Jahre gewählt wird. Der Fürst hat aber ein Vetorecht bei Gesetzesvorschlägen des Parlaments. 

Monaco ist ein Zwergstaat mit nur 2 km² Fläche, nur der Vatikanstaat ist noch kleiner. Darauf leben 38.000 Menschen, es handelt sich somit um das am dichtesten besiedelte Land der Welt. Im Fürstentum arbeiten etwa 50.000 Menschen, die meisten sind Tagespendler aus Frankreich oder dem nahen Italien. Die Arbeitnehmer haben im Wesentlichen die gleichen Rechte und soziale Absicherung wie in Frankreich, und es gibt sogar Sozialhilfeempfänger, die in Regierungswohnungen leben.

Trotz formeller Anerkennung als souveräner Staat nimmt das Verhältnis zu Frankreich eine Sonderstellung ein, welche die Unabhängigkeit Monacos in gewisser Weise einschränkt. Monaco hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Verträge mit Frankreich geschlossen und darin das gegenseitige Verhältnis definiert. So wurde auch die letzte große Krise zwischen den beiden Staaten vertraglich gelöst. Der 1963 letztlich erzielte Kompromiss sieht vor, dass Personen mit französischer Staatsbürgerschaft, die nicht schon vor 1962 in Monaco lebten, nach Frankreich versteuern.

Es geht also auch ohne Einkommensteuer

Außerdem übernimmt Monaco den jeweiligen französischen Mehrwertsteuersatz (derzeit 20 Prozent) und führt einen Teil der Mehrwertsteuer nach Frankreich ab. Das Fürstentum verpflichtete sich weiter, seine Souveränitätsrechte so auszuüben, dass die wirtschaftlichen und politischen Interessen Frankreichs gewahrt bleiben. Dazu zählt auch, keine in Frankreich unerwünschten Personen einreisen zu lassen. Frankreich übernimmt im Gegenzug die Verantwortung für die äußere Sicherheit Monacos. Das Fürstentum hat eine Zollunion mit Frankreich, über die es auch am EU-Markt teilnimmt, ist aber selbst kein Mitglied der Europäischen Union. Monaco benutzt den Euro als Währung und hat auch von der EU das Recht erhalten, eine gewisse Anzahl an Münzen selbst zu prägen. 

Monaco gilt als der Staat mit der niedrigsten Armutsquote und der höchsten Lebenserwartung weltweit. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war Monaco arm, die Einwohnerschaft war zu einem Zeitpunkt gar auf 300 Menschen zurückgegangen. Erst mit Eröffnung eines erfolgreichen Kasinos sowie des Bahnanschlusses 1868 gelang die Wende. Als die jährlichen Einnahmen aus dem Kasinobetrieb 95 Prozent des Staatshaushaltes finanzierten, entschied der damalige Fürst, seinen Untertanen fortan die Steuern zu erlassen. Dabei ist es im Grundsatz bis heute geblieben. 

Monaco erhebt weder Einkommens- noch Erbschaftssteuern noch Steuern auf Kapitalgewinne. Unternehmen, welche die Masse ihrer Einkünfte außerhalb Monacos erwirtschaften, zahlen allerdings Unternehmenssteuern. Hinzu kommt die erwähnte Mehrwertsteuer, welche heute etwa die Hälfte des Staatshaushaltes finanziert. Einnahmen aus staatlichen Kasinos und Hotels spielen nur noch eine untergeordnete Rolle (etwa 5 Prozent), der Rest wird durch Unternehmenssteuern, Immobiliensteuern und sonstige Abgaben finanziert. Der Haushalt weist einen leichten Überschuss aus, und Monaco ist nicht nur schuldenfrei, sondern hat darüber hinaus liquide Rücklagen in Höhe von mehr als zwei Jahresbudgets. Es geht also auch ohne Einkommensteuer. 

Etwa 80 Prozent der Bevölkerung sind Ausländer ohne monegassische Staatsbürgerschaft, welche praktisch nur durch Abstammung oder Heirat zu erlangen ist. Es leben Menschen aus 139 Nationen friedlich zusammen. Monaco hat die weltweit niedrigste Kriminalitätsrate trotz fehlender Grenzkontrollen, zehntausender Pendler und ebenso vieler Besucher täglich. 

Aufgefallene Neubürger haben schlechte Karten

Wie ist das möglich? Das Fürstentum hat weltweit die höchste Polizeidichte pro Kopf und überwacht sein gesamtes Territorium mit Kameras; auf etwa 70 Einwohner kommen ein Polizist und eine Videokamera. Insgesamt hat die Polizei eine Stärke von 520 Personen. Verdächtige Personen werden durch die Kameraüberwachung erfasst und präventiv von Streifenpolizisten kontrolliert. 

Im Übrigen schaut sich Monaco genau an, wen es sich als Bewohner ins Land holt. Wer sich in Monaco niederlassen möchte, muss auch in Frankreich aufenthaltsberechtigt sein, eine Wohnung in Monaco nachweisen (Miete oder Eigentum), über ausreichendes Einkommen oder Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts verfügen, sowie für alle erwachsenen Familienangehörigen einen Lebenslauf und ein polizeiliches Führungszeugnis seines Herkunftsstaates vorlegen. Auf dieser Grundlage wird dann eine Internetrecherche gemacht und ein persönliches Gespräch mit einem Polizeioffizier geführt. Bestehen keine Bedenken, vergibt Monaco eine Aufenthaltsgenehmigung für zunächst ein Jahr, welche noch zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden kann, bevor dann eine dreijährige Aufenthaltserlaubnis erteilt wird und so weiter. Dies gibt Monaco die Möglichkeit, bei zweifelhaften oder unangenehm aufgefallenen Neubürgern die Aufenthaltserlaubnis schlicht nicht zu verlängern, anstelle langwierige rechtliche Auseinandersetzungen über den Widerruf einer Aufenthaltsberechtigung zu führen. 

Bei Kriminalität kennt Monaco keine Toleranz. Verurteilte Nichtmonegassen müssen, gegebenenfalls nach Verbüßung einer Haftstrafe, das Fürstentum wieder verlassen, selbst bei kleineren Vergehen wie Ladendiebstahl. Es ist die Kombination all dieser Maßnahmen, also die Kameraüberwachung, die strengen Einwanderungsregeln, die Abschiebung von Kriminellen und die starke Polizeipräsenz, die dazu führt, dass Eltern in Monaco ihre Kinder selbst um Mitternacht ohne Bedenken auf die Straße schicken können.

Eigentlich müsste ein „Monaco für Jedermann“ möglich sein. 

Und noch ein Gesichtspunkt ist instruktiv. Obwohl das Fürstentum für Nichtmonegassen keinerlei Mitbestimmungsrechte vorsieht, gibt es mehr Interessenten, als der kleine Wohnungsmarkt fassen kann, deshalb wird dem Meer Neuland abgerungen. Wieso ist das so? Steuerfreiheit gibt es doch auch anderswo? Nun, Monaco bietet Sicherheit vor Verbrechen, weitgehende Steuerfreiheit, überschaubare Regeln, gutes Klima und ein bisschen Glamour. Kurz gesagt, Monaco ist attraktiv und lässt seine Einwohner in Ruhe. An dem Tag, an dem in Monaco alle EU-Regulierungen einschließlich Einkommensteuern eingeführt werden, ist das Geschäftsmodell Monaco zu Ende. Die meisten würden dann einfach wegziehen. Das weiß der Fürst und deshalb wird es nicht geschehen. Trotz dessen formal großer Machtposition ist es somit ausschließlich der Wettbewerb mit anderen Plätzen, der den Einwohnern die Freiheit sichert, und nicht etwa ein Parlament, eine Verfassung oder das Recht zu Volksabstimmungen. 

Der Wettbewerb ist in der Tat das bisher einzig bekannte, dauerhaft wirksame Entmachtungsmittel der Menschheit. Auch in Monaco.

Titus Gebel ist Unternehmer und promovierter Jurist. Er gründete unter anderem die Deutsche Rohstoff AG. Er möchte mit Freien Privatstädten ein völlig neues Produkt auf dem „Markt des Zusammenlebens“ schaffen, das bei Erfolg Ausstrahlungswirkung haben wird. Zusammen mit Partnern arbeitet er derzeit daran, die erste Freie Privatstadt der Welt zu verwirklichen. 

Der Beitrag ist ein Auszug aus seinem Buch „Freie Privatstädte – mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt“, in dem er unter anderem Stadtstaaten aus Vergangenheit und Gegenwart untersucht. 

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Werner Lischka / 10.05.2018

Glaubt der Author, die Leser von achgut.com könnten nicht lesen - und hätten die Grundlagen der Mathematik vergessen? Monaco erwirtschaftet sein Budget auf Basis der Unternehmenssteuern - das mag für 30K Einwohner und 500 Polizisten ausreichen - für einen Nationalstaat wie Frankreich oder Deutschland definitiv nicht. Dazu kommt, daß Monacos Geschäftsmodell auf seinem Alleinstellungsmerkmal basiert - sobald sich andere Staaten damit einen Wettbewerb liefern, dürfte das Glück im Casinostädtchen Ausgang haben. Ein weiterer Faktor für den tollen Wirtschaftserfolg an der Cote d’Azure ist die Selbstverständlichkeit mit der Monaco seine Sozialkosten an den Nachbarn abschiebt. 50K Pendler - Verkehrswege nach Monaco, Krankenhäuser, Schulen, etc. für die, die das tolle Leben ermöglichen, werden an Frankreich outgesourced. Die Leibeigenen dürfen zum Frondienst in die herzogliche Burg (immerhin werden sie heute dafür bezahlt). wie’s nach Dienstschluß weitergeht, interessiert die feudale Herrschaft nicht. Das soll ein Modell für andere Staaten sein? Die Steuerfluchtburg hätte die Fremdenlegion längst kassieren müssen!

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