Von Ramin Peymani.
50 Millionen Euro bis heute - das ist die unfassbare Minusbilanz des Spaßbades, das der damalige Bürgermeister Martin Schulz seiner Heimatstadt Würselen gegen alle Widerstände beschert und als mahnendes Denkmal hinterlassen hat. Da nutzt es wenig, dass der Mann, der so gerne behauptet, endlich Volkes Stimme Gehör zu verschaffen, heute jammert, das Prestigeprojekt sei "der größte Fehler meines politischen Lebens" gewesen.
Wie kein anderer steht der bis Anfang des Jahres amtierende Präsident des Europaparlaments für die zentralistische Herrschaft der Brüsseler Politkaste. Gemeinsam mit seinem Partner Jean-Claude Juncker, der nach dem Abgang seines Verbündeten trotzig verkündete, nicht noch einmal als Kommissionspräsident antreten zu wollen, hat sich Schulz vor allem damit hervorgetan, die staatliche Souveränität der Länder Europas in Frage zu stellen. So gern hätte das „Duo Infernale“ die Vereinigten Staaten von Europa gegründet und diese als Doppelspitze regiert. Gottlob wird daraus nichts. Nun also versucht sich der gescheiterte EU-Zentralist als Kanzlerkandidat. Es ist ein neuer Anlauf in der langen Laufbahn eines Berufspolitikers, der in seinen Funktionen vor allem dadurch aufgefallen ist, dass er die Steuerzahler viel Geld gekostet hat.
Die Vita des Martin Schulz liest sich wie ein Drei-Groschen-Roman. Als Sohn eines Polizeibeamten und einer politisch engagierten Hausfrau zog es den heute 61-Jährigen zunächst zur CDU, für die er in seiner Heimatstadt Würselen zusammen mit einigen Mitstreitern einen Ortsverband gründete. Früh gelang es ihm offensichtlich, Menschen für sich einzunehmen. Mit der Schule klappte es hingegen nicht so gut. Den Versuch, das Abitur zu erlangen, brach Schulz nach zweifachem Scheitern in der elften Klasse ab. Immerhin bemühte er sich danach, auf eigenen Beinen zu stehen: Nach einer Ausbildung zum Buchhändler hatte es Martin Schulz in den 1980er Jahren sogar zu einer eigenen Buchhandlung gebracht.
Mitnehmen, was die bezahlte Politik hergibt
Zwischenzeitlich hatte der Katholik aus bürgerlichem Haus längst die Seiten gewechselt. Geprägt von einer längeren Arbeitslosigkeit nach dem Verlassen der Schule, schloss sich Schulz als 19jähriger der SPD an – der zeitlose Klassiker von der Hinwendung der Mittellosen zu den Sozialisten. Schnell machte das Juso-Mitglied Karriere in der Kommunalpolitik und wurde 1987 zum Bürgermeister Würselens gewählt. Seither hat sich Schulz zum Schrecken der Steuerzahler entwickelt. Seiner Heimatstadt hinterließ er einen Schuldenberg, den er unter anderem dadurch angehäuft hatte, dass er ihr besagtes Spaßbad eingebrockt hat, das Jahr für Jahr fast eine Million Euro verschlingt. Damals war das Prestigeobjekt nach einem Bürgerbegehren eigentlich beerdigt, Schulz fand jedoch einen trickreichen Weg, das Votum wegen eines Formfehlers für ungültig zu erklären.
Der Pyrrhus-Sieg gegen die Wähler markierte den Anfang vom Ende des Bürgermeisters Martin Schulz, der inzwischen den Sprung ins Europäische Parlament geschafft hatte. Befreit von der Last des Ersten Mannes im kleinen Würselen, arbeitete er sich dort rasch voran. Als das Parlament den langjährigen Fraktionsvorsitzenden der europäischen Sozialisten 2012 zum Chef wählte, war Schulz auf dem Olymp angekommen.
Nun galt es offenbar, mitzunehmen, was die bezahlte Politik hergab. Vor allem die „Tagegeld-Affäre“ im Vorfeld der Europawahl 2014 ließ aufhorchen. Schulz durfte sich seinerzeit in seiner Funktion als Parlamentspräsident über ein stattliches Zubrot von steuerfreien 110.960 Euro pro Jahr freuen. Diese Summe ergab sich aus den Spesen, die er für jeden einzelnen Tag des Jahres einstrich – unabhängig davon, ob er für die EU tätig war und Ausgaben im Rahmen seiner Amtsausübung hatte oder nicht.
Natürlich hat ein Parlamentspräsident mehr zu tun als andere Abgeordnete. Ob man ihm aber ohne jeden Nachweis pauschal eine sechsstellige Summe einfach so steuerfrei zusätzlich überweisen muss, darf schon in Frage gestellt werden. Passend zum gesamten Gebaren eines auf Intransparenz und Verschleierung angelegten Apparates gestattete die Verwaltung der Europäischen Union Schulz auf diese Weise seit 2012 ein massives Zusatzeinkommen, das verharmlosend als „Tagegeld“ deklariert wurde, um zu suggerieren, es handele sich um eine unregelmäßige, anlassbezogene Vergütung. Wäre ihm der Obolus als reguläre Gehaltszahlung überwiesen worden, hätte Schulz aufgrund des extrem niedrigen EU-Steuersatzes und der fehlenden Pflicht zur Leistung von Sozialabgaben zwar auf vergleichsweise wenig, aber immerhin doch auf 27.000 Euro verzichten müssen.
Das Brüsseler Perpetuum Mobile
Das Tagegeld toppte die übrigen Abgeordnetenbezüge und all die anderen Vorteile, die ein Europaparlamentarier so genießt. Schon ein einfacher EU-Abgeordneter erhielt damals monatlich mehr als 6.200 Euro netto und eine pauschale Spesenvergütung von nahezu 4.300 Euro. Heute ist es sogar noch etwas mehr. Für die Anstellung eines Assistenten zahlen Europas Steuerzahler jedem Abgeordneten zusätzlich bis zu 24.164 Euro monatlich. Die üblichen Reisekostenerstattungen, besagte Tagegelder, nicht zu verachtende Pensionsregelungen sowie ein großzügig bemessenes Übergangsgeld in Höhe der Abgeordnetenentschädigung, das für mindestens sechs Monate nach dem Ausscheiden gezahlt wird, runden das Bild ab.
Bekannt wurde das Brüsseler Perpetuum Mobile, das im Widerspruch zu allen Naturgesetzen steht, überhaupt nur, weil eine Fernsehredaktion hartnäckig nachgefragt hatte. Anlass war die letztlich erfolglose Kandidatur des SPD-Parlamentariers für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Hierzu wollte „Report Mainz“ wissen, wie Schulz seine aktuelle Arbeit inhaltlich und finanziell von seinen Wahlkampfaktivitäten trenne. Dieser leugnete zunächst die Existenz der Regelung des „ewigen Tagegeldes“, was schon viel über ihn verrät. Als es dann gar nicht mehr anders ging, gestand er über sein Büro ein, Dauerbezieher des Zusatzeinkommens gewesen zu sein, dies aber seit dem 18. April 2014 nicht mehr zu erhalten. Dumm für Schulz, dass schon vor diesem Zeitpunkt jede Menge Wahlkampftage dokumentiert waren, an denen er – für alle erkennbar – keineswegs in seiner Funktion als Parlamentspräsident, sondern als Wahlkämpfer unterwegs gewesen war.
Aber nicht nur das: Der Haushalts-Kontrollausschuss der Europäischen Union monierte zur gleichen Zeit, Schulz missbrauche die Verwaltung für seinen Wahlkampf. Und dies sollte nicht die letzte Rüge der EU-Verwaltung für den Schrecken der Steuerzahler bleiben. 2015 war Schulz nämlich dadurch aufgefallen, dass er in mehreren Fällen offenbar Gefälligkeitsbeförderungen durchsetzen wollte – die übliche Danksagung derer, die von der Politik leben, an ihre Getreuen. Das Ansinnen habe „nicht den Regeln entsprochen und wurde deshalb von den Dienststellen nie umgesetzt“, so die Verwaltung des EU-Parlaments in einer Antwort an den Haushaltskontrollausschuss.
Seinen damaligen Pressesprecher und heutigen Wahlkampfmanager Markus Engels schickte Schulz 2012 auf "Dauerdienstreise" nach Berlin, obwohl dieser dort bereits seinen Lebensmittelpunkt hatte. Sein Schützling kam durch die kreative Reisekostenregelung auf Steuerzahlerkosten in den Genuss eines zusätzlichen Einkommens in fünfstelliger Höhe. Zwar kann die EU keinen Regelverstoß erkennen, doch merkte die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses Inge Gräßle vor wenigen Wochen vielsagend an, dass „von Anfang an Regeln missbräuchlich und zu Lasten des Steuerzahlers ausgelegt“ worden seien. Wie ein roter Faden zieht sich eine Erkenntnis durch die politische Karriere des neuen SPD-Hoffnungsträgers: Wo Schulz das Sagen hat, halten die Steuerzahler den Atem an. Der Kanzlerkandidat der SPD steht sinnbildlich für eine politische Klasse, die sich im Besitz des Staates wähnt und dessen Pfründe unter sich aufteilt. Oder eben in Millionengräbern versenkt.
Ramin Peymani ist freier Autor und Publizist. Er betreibt unter http://www.liberale-warte.de einen Politik-Blog