Peter Grimm / 12.10.2017 / 06:29 / Foto: Jean-noël Lafargue / 13 / Seite ausdrucken

Mit betreutem Journalismus Seelen retten

Vorigen Samstag hieß es auf der Titelseite des "Spiegel": „Die unheimliche Macht – Wie ARD und ZDF Politik betreiben“. Man las das grundsätzlich berechtigte Klagelied über den schwerfälligen und teuren Staatsfunk, der seine Glaubwürdigkeit verspielt und deshalb auch mitschuldig ist am Erstarken der AfD. Die Gebührensender können, je nach Lesart, gleich mehrfache Schuld am guten AfD-Ergebnis haben. Mal haben sie die Partei zu oft zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht, dann wieder nicht ausreichend glaubwürdig vor ihr gewarnt.

Überhaupt ist die Glaubwürdigkeit ein Problem, nicht nur für den "Spiegel". Die vielen gut gemeinten volkserzieherischen Stücke während der „Flüchtlingskrise“, die vielen Beiträge und Sendungen, die sich so offensichtlich gewollt in den Dienst der Verbreitung des „Wir schaffen das“-Geistes stellten, das oft kämpferische Übertönen, Ignorieren und Denunzieren kritischer Stimmen haben das Image der Gebührensender arg ramponiert. War die „tagesschau“ einst vielleicht als zu trocken und behäbig belächelt, so galt sie doch weitgehend als Hort journalistischer Seriosität. Heutzutage steht sie in Teilen des Landes schon unter Propgaganda-Verdacht. Ein solcher Ansehensverlust sollte die  Sender, die die Legitimität von Zwangsgebühren begründen müssen, eigentlich verunsichern.

Zu viele "Bio-Deutsche aus dem Bildungsbürgertum"

Noch mehr als von der schlechten Meinung, die zahlreiche Zuschauer und Hörer vom Programm haben, sind die Programmmacher aber offensichtlich davon geschockt, dass mehr als 12 Prozent der deutschen Wähler ihre Stimme einer Partei gaben, gegen die fast alle öffentlich-rechtlichen Redaktionen wacker angesendet haben. Befinden sich ARD und ZDF nun in einer Krise? Offensichtlich ja. Und wie kommt man da wieder heraus? Dieser Frage will sich die ARD-ZDF-Medienakademie im November beim Journalismusforum 2017 widmen. Bei den Kollegen liest sich das so:

Trumps Wahlsieg, der Brexit und die erdrutschartigen Siege der AfD in einigen Bundesländern werfen Fragen auf: Warum folgen die Menschen den Populisten, obwohl sie als Bürger von Medien-Demokratien die Lügen und Blähungen erkennen müssten? Warum erreichen die Medien die Menschen offenkundig so wenig, dass diese leeren Versprechungen unkritisch folgen? Die Antwort darauf hat mehrere Dimensionen.

Das Journalismusforum 2017 greift eine davon heraus: die der Vielfalt.

In den Redaktionen spiegelt sich die Bandbreite der Gesellschaft nicht wider: Weiblicher sind die Redaktionen zwar geworden, aber Migranten, Behinderte, verschiedene Religionen oder gesellschaftliche Schichten? Fehlanzeige. Bio-Deutsche aus dem Bildungsbürgertum beschreiben mit ihrer Sicht alle anderen Gesellschaftsgruppen – aus der Perspektive des Mitleids, der Bewunderung, dem Herausstellen der Fremdartigkeit – kurz: des Andersseins und des nicht selbstverständlichen Dazugehörens. Mit intellektuellem Anspruch werden Geschichten erzählt, die so aufbereitet für viele unverständlich bleiben.

Also im Klartext: Wenn weniger aus der Sicht von „Bio-Deutschen“ und mehr aus der Perspektive von muslimischen Migranten im deutschen Fernsehen berichtet wird, dann werden die deutschen Zuschauer auch nicht mehr AfD wählen?

Redaktionen müssen "Diversität" in den Köpfen trainieren

Man könnte - sogar nur aufgrund von Informationen aus dem Programm von ARD und ZDF – durchaus auf den Gedanken kommen, die vielen AfD-Wähler sähen die Interessen von „Bio-Deutschen“ eher zu wenig vertreten als überrepräsentiert. Aber das ist offenbar altes Denken. Es wäre ein Einknicken vor den Themen der „Rechtspopulisten“.

Die Lektüre der Einladung zum Journalismusforum  2017 ist eine Enttäuschung für alle, die  gehofft haben, die Meinungsbildner aus dem Gebührenfernsehen würden angesichts der Glaubwürdigkeitskrise begreifen, dass sie ihre Ausflüge in die Volkserziehung beenden und zum Journalismus, der möglichst vorurteilsfrei alles berichtet, was es zu berichten gibt, zurückkehren sollten. Die ARD-ZDF-Medienakademie sieht andere Fragen im Mittelpunkt:

Wie können Redaktionen bunter werden, wie die Diversität in den Köpfen trainiert werden, um so das Publikum besser in der Breite zu erreichen?

Das klingt nach Kollegenerziehung zur besseren Volkserziehung. Doch wir wollen nicht ungerecht sein. Vielleicht ist ja der Einladungstext nur ein wenig missverständlich formuliert worden. Klartext ist ja auch schwer, wenn sich inzwischen schon unglaublich viele Worte und Formulierungen verbieten, weil sie politisch unkorrekt verstanden werden könnten. Immerhin geht „Bio-Deutsche“, denn insbesondere die älteren weißen Eingeborenen aus der Mitte Europas sind bekanntermaßen nicht so diskriminierungssensibel.

Doch zurück zum Journalismusforum und dessen Programm. Was gibt es denn da konkret zu empfehlen? Viele Inhalte sind noch nicht genauer beschrieben, sondern nur mit den Überschriften. Aber es ist sicher hilfreich von Sheila Mysorekar zu lernen. „Berichterstattung über Migration – Stereotypen in Bildsprache und Text vermeiden“ ist das Thema der Expertin, die von der Medienakademie als „Trainerin für konfliktsensiblen Journalismus“, „indodeutsche Rheinländerin und Vorsitzende des Vereins Neue deutsche Medienmacher e.V. (NdM)“ vorgestellt wird. Ich nehme an, dass die indodeutsche Perspektive fürs neue deutsche Fernsehen besser ist als die biodeutsche.

Konfliktsensibel in leichter Sprache

Wer es weniger konfliktsensibel mag, ist vielleicht bei Workshop 2 besser aufgehoben: „Einfache Sprache in der journalistischen Praxis – Methodengenau für verschiedene Zielgruppen und Kanäle“. Wer jetzt gehofft hat, dass mit „einfacher Sprache“ eine klare Sprache und nicht etwa die „leichte Sprache“ gemeint sein könnte, der ist spätestens beim Lesen der Vita der Referentin enttäuscht. Die gibt in Finnland inzwischen sogar Zeitungen in „Leichter Sprache“ heraus.

Aber vielleicht könnte man ja dort die Frage stellen, warum die leichte Sprache auf all die großen sprachpolizeilichen Errungenschaften wie Gendersternchen und geschlechtsneutrale Wortbildungen verzichtet? Die Antwort bitte in Leichter Sprache. Das hätte womöglich etwas Unterhaltungswert. Den sollte es auch haben, schließlich kostet der Spaß immerhin 290 Euro Teilnahmegebühr.

Zu manch einem Erkenntnisgewinn muss man aber nicht teilnehmen, da reicht die Lektüre der Einladung. Allein die kritiklose Verwendung der Formel „konfliktsensibler Journalismus“ zeigt, dass es hier um alles Mögliche geht, nur eben nicht um Journalismus. Ein guter Journalist lebt ständig mit Konflikten und von Konflikten; denen, über deren offene Austragung er berichtet, den versteckten, die er aufdeckt, und denen, die er aushalten muss, weil er mit seiner Arbeit zuweilen auch Einflussreichen und Mächtigen auf die Füße tritt. Statt „konfliktsensiblen Journalismus“ lehren zu wollen, sollten Journalisten gestärkt werden, die Konflikte durchzustehen – sowohl mit denen, die sie an ihrer Arbeit hindern wollen, als auch mit konfliktscheuen Redaktionen, Zeitungshäusern oder Sendeanstalten.

Eigentlich liest sich diese Einladung zum „Journalismusforum 2017“ wie eine Realsatire. Man könnte gelassen darüber schmunzeln. Aber manchmal überwiegt das Entsetzen darüber, wie weit sich viele gebührenbesoldete Vertreter der Zunft von dem schönen Leitsatz von Hanns Joachim Friedrichs entfernt haben: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“

Foto: Jean-noël Lafargue FAL via Wikimedia Commons

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mike loewe / 12.10.2017

„Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“ Das ist nicht nur der Leitsatz eines einzelnen Hanns Joachim Friedrichs, das ist ein Leitsatz der Wissenschaft, zusammen mit dem Recherchieren und Zusammenführen gesicherter Fakten. Journalismus sollte eigentlich wissenschaftlich präzise und objektiv arbeiten, aber besonders der gebührenfinanzierte entfernt sich davon leider immer weiter.

Dr. Michael Kubina / 12.10.2017

einfach gruselig…. Ich lese jetzt seit fast zwei Jahren taeglich achgut (und tichys Einblick), all die klugen Analysen und Berichte, kann aber im Familien- und Freundeskreis kaum noch über Politik reden. Die Lesen das nicht einmal auf Empfehlung, als sei es vom Teufel persönlich. Selbst in der DDR haben viele Linientreue Westfernsehen geguckt, um nicht vollkommen der SED-Propaganda ausgeliefert zu sein. Wenn ich heute jemandem sage, der nur MSM konsumiert, ihr guckt nur Ostfernsehen, gucken sie mich verständnislos an, als redete ich in einer fremden Sprache.  Gibt es eigentlich Erhebungen, wie der Altersdurchschnitt der Achgut-Leser ist? Bei all den Analysen, Kommentaren, Berichten bleibt doch die große Frage: Was tun?

Thomas Erzberger / 12.10.2017

Interessant wie sich die ÖR jetzt offenbar verstärkt um Migrationshintergründler bemühen wollen. Ich lese daraus weniger ideologische Verbohrtheit heraus, sondern -ganz im Gegenteil- eine perfide Strategie, die sich die demographischen Veränderungen Deutschlands zunutze machen will.  Wenn man den Kampf um die biodeutsche Meinungshegemonie zu verlieren droht wendet man sich halt einfach verstärkt an Migranten und deren Themen, im Wissen dass diese für ‘Rechts’ weit weniger empfänglich sind und zukünftig grossen demographischen Einfluss im Meinungskampf haben werden.   Aus genau dem selben Grund werden wir es übrigens niemals, wirklich niemals, erleben, dass der administrative Staat von seiner allgegenwärtigen Diversitypropaganda abkommt. Der Anteil Migrationshintergründler in der Bevölkerung (48-49% bei Kindern <6 Jahre) ist bereits zu gross, als dass der Staat es sich getrauen würde, oder auch den Willen zur Arbeitsmüh aufbrächte, dagegen etwas zu tun. Weiter Propagandawellen durch’s Land zu peitschen und auf prognostizierbare Zustände zu hoffen ist halt der einfachere weg zur Beamtenrente.

Peter Kastner / 12.10.2017

Vieles ist in Deutschland bereits irreversibel verändert. Aber je ärger es die Medien mit ihren blinden,  stupiden Umerziehungsversuchen, die den gleichen Tenor haben wie “Wir schaffen das” treiben, desto schwerer wird das Pendel wieder zurückkommen. Im Osten, mit ihrem Kern in Sachsen hat die friedliche Revolution 1989 auch die Medienlandschaft komplett umgekrempelt. Wer die Wahlergebnisse der AfD in Sachsen sieht, könnte darin Parallelen erkennen.

Roland Müller / 12.10.2017

“Warum folgen die Menschen den Populisten, obwohl sie als Bürger von Medien-Demokratien die Lügen und Blähungen erkennen müssten? Warum erreichen die Medien die Menschen offenkundig so wenig, dass diese leeren Versprechungen unkritisch folgen?” Die Menschen folgen den “Populisten”, weil sie in den Nachrichtensendungen und anderen politischen Sendungen von ARD und ZDF reichlich Halbwahrheiten, Lügen und Blähungen erkennen. Die ARD und das ZDF müssten sich also nur an der eigenen Nase fassen, um das Problem zu beheben. Diesem Zweck soll das geplante Journalistenforum 2017 aber ganz offensichtlich nicht dienen. Es geht nur um noch mehr Verbreitung von etwas modifizierter regierungsfrommer Propaganda. Unter diesen Umständen ist die Teilnahmegebühr in Höhe von 290,00 Euro schlicht weggeworfenes Geld. Und nicht nur das. Die Glaubwürdigkeit der “Qualitätspresse” landet endgültig in der Tonne.

Arne Busch / 12.10.2017

Das Medienimperium der SPD möchte ich jetzt nicht thematisieren, aber ein altes Sprichwort besagt: “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr”. Und so wie die SPD aus dem Wahlergebnis nichts gelernt hat, lernen auch deren Journalisten nichts. Das Motto lautet “Vorwärts immer Rückwärts nimmer”. Und da die verzweifelten Zensurversuche von Heiko Maas nicht fruchten und immer mehr Bürger die arg linkslastige manipulierte Berichterstattung im GEZ Staatsfernsehen und in der Mainline-Presse erkennen, wird sich deren Unbelehrbarkeit als deren Niedergang erweisen. Der Geist der freien Information ist aus der Flasche. Und mit dem Zuspruchsverlust gegenüber den roten Parteien,sinkt auch das Interesse an stark rot/links eingefärbter Berichterstattung.

Dr. Klaus Rocholl / 12.10.2017

Tja - naive Kiddies, von linken 68er Lehrern jahrelang „liebevoll“ indoktriniert und mit linker Ideologie vollgestopft, beschließen Journalist zu werden. Werden in linken Kaderschmieden mit der gleichen verqueren Ideologie vollgestopft…. und verstehen die Welt nicht mehr, daß die aufgeklärte Leserschaft den ewig gleichen Geist- und inhaltslosen - dafür aber mit beseeltem „Weltverbesserungsvorsatz“ im angeblichen Wissen um die eigene Erleuchtung vorgetragenen Sermon nicht mehr hören will. Folgen jahrzehntelanger linker Gehirnwäsche….

B.Rilling / 12.10.2017

Immer öfter überkommt mich das Gefühl, wir sollen alle umerzogen werden. Auch Künstler machen da gerne mit. Jüngstes Beispiel: Adel Tawils neuester Song “Eine Welt, eine Heimat” Höret gut zu und lernet!

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