Fundstück / 06.10.2010 / 23:50 / 0 / Seite ausdrucken

Michael Hanfeld: Bei “Monitor” segelt eine falsche Jüdin gen Gaza

Das ist schon ein wenig peinlich. Mehr als das. Wenn man über deutsche Juden berichtet, die den Palästinensern im Gazastreifen zu Hilfe eilen und die Blockade der Israelis durchbrechen wollen, und sich dann herausstellt, dass eine der prominenten Wortführerinnen der Organisation “Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost” - gar keine Jüdin ist. Als solche aber wird sie herumgereicht, in Kölner Zeitungen, in der “taz”, in der Sendung “Lokalzeit aus Aachen” vom WDR, im Deutschlandfunk und - bei dem Politmagazin “Monitor”.

Dort sah besagte Aktivistin namens Edith Lutz am 17. Juni der Publizist Henryk M. Broder. Er hatte seine Zweifel an der Identität der “Jüdin von Sötenich”, Mutter von vier Kindern, ehemalige Krankenschwester und Lehrerin, die Judaistik studiert habe (“die Sache ist so koscher wie eine Portion Kassler”), und fragte bei der Redaktion nach. Von der Autorin des entsprechenden Beitrags bekam er zur Antwort, Edith Lutz sei nach eigener Aussage “vor vielen Jahren zum Judentum konvertiert, gehöre keiner Gemeinde und keiner speziellen Strömung an, sei im Zweifel sicher liberal und habe außerdem Judaistik studiert”. Broder fragte nach bei den beiden Jüdischen Gemeinden in Köln (die hatten von Frau Lutz nie gehört) und beharkte die “Monitor”-Autorin weiter, sich den Hinweis nicht verkneifend, dass Frau Lutz nur dann Jüdin sei, wenn sie von einer jüdischen Mutter geboren wurde oder entsprechend der “Halacha” formell zum Judentum übergetreten sei, man möge ihm doch bitte Hinweis auf den Rabbiner geben, der die Konversion bestätigen könne.

So ging es hin und her, wie man im Internet bei der “Achse des Guten” (http://www.achgut.com) und im “Tagesspiegel” nachlesen kann, ein paar Wochen lang, bis sich die “Monitor”-Chefin Sonia Mikich bei Broder meldete und - sich die Nachfragen mehr oder weniger verbat. Frau Lutz habe sich “Monitor” gegenüber als Jüdin ausgegeben, die Organisationen, für die sie wirke, hätten es bestätigt. Bei späteren Nachfragen habe sie “auf ihre Privatsphäre insistiert”. Sollte das nicht reichen, zumal sie nur eine von vielen sei, die eine Schifffahrt gen Gaza organisierten, und der Kern des Berichts die Blockade gewesen sein? “Wie viel Glaubensschnüffelei sollte ein Journalist deiner Meinung nach betreiben?”, fragte Sonia Mikich den Kollegen Broder. Der fühlte sich, um es gelinde zu sagen, düpiert (“ich verspürte einen leichten Brechreiz”) und kontaktierte einen vermeintlichen Zeugen, der die Religionszugehörigkeit von Edith Lutz laut “Monitor” angeblich bestätigt hatte. Der Mann hatte es tatsächlich geglaubt, wollte es nun aber selbst genau wissen und schrieb Broder, er habe Frau Lutz “den Verdacht, sie sei nur in ihrem Herzen, aber niemals formal zum Judentum übergetreten”, gegenüber ausgesprochen, und - “ihre Antwort räumte den Verdacht nicht aus”.

Sonia Mikich sagte dieser Zeitung, sie habe Broders Artikel “mit Verwunderung” zur Kenntnis genommen. Der fragliche Film habe sich mit der Frage beschäftigt, “ob die Seeblockade von Gaza dem Völkerrecht entspricht oder nicht. Über die Aktion ,Ein jüdisches Boot für Gaza’ hätten wir ohnehin in diesem Kontext berichtet, unabhängig von der Person Edith Lutz.” Die Autorin habe die jüdische Identität von Frau Lutz “bis an die Grenze des journalistisch Machbaren” gegenrecherchiert, Frau Lutz habe sich als Jüdin vorgestellt, zwei Organisationen hätten es bestätigt. Es sei “bei ,Monitor’ nicht üblich, Menschen zu drängen, Tauf- oder Konversionsurkunden vorzulegen, um ein Interview zu führen”. Doch habe man bei Frau Lutz noch mehrmals nachgefragt: “Sie möchte ihr Privatleben schützen, nach wie vor.”

Mit der Privatsphäre ist das allerdings so eine Sache, wenn man als Aktivist das Licht der Öffentlichkeit und Auftritte in den Medien geradezu sucht. Man mag die Geschichte vielleicht für Religionsklauberei halten und sollte nicht verschweigen, dass bei “Monitor” noch andere jüdische Aktivisten aufgetreten sind, die etwas gegen die Blockade-Politik Israels unternehmen. Doch hat Broder einen Punkt: Mit der mehrmals auftauchenden “Jüdin von eigenen Gnaden” (Broder) geht die Pointe des “Monitor”-Berichts ziemlich baden, die da lautete: “Wie deutsche Juden die israelische Seeblockade durchbrechen wollen”. Die Nachfrage bei Edith Lutz blieb bis Redaktionsschluss ohne Antwort. 

Text: F.A.Z., 06.10.2010, Nr. 232 / Seite 33

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