Thomas Rietzschel / 07.10.2016 / 13:42 / 5 / Seite ausdrucken

Merkels Platz an der Sonne

Wenn es dem Esel oder der EselIn zu wohl wird, gehen sie aufs Eis tanzen, auf dem politischen Parkett markieren sie den großen Max oder "die mächtigste Frau der Welt". Da geht es den Männern wie den Frauen. Während Frank-Walter Steinmeier schon seit Jahren erfolglos durch die Welt gurkt, weil er sich als Außenminister eines wirtschaftlich starken Landes berufen fühlt, an jedem Krisenherd seinen Senf dazu zu geben, will Angela Merkel nun im Bewusstsein deutscher Kraft und Herrlichkeit daran gehen, Afrika auf den rechten Weg zu führen. Wenn sie "als deutsche Bundeskanzlerin dafür sorgen" solle, "dass es uns Deutschen gut geht", sagte sie dieser Tage in einem Interview mit der ZEIT, dann verlange das, "dass wir uns in neuer Weise mit Afrika befassen müssen".

Diese "neue Weise" indes ist so neu nicht. Schon der deutsche Reichskanzler Bernhard von Bülow (1849-1929) verlangte 1897, damals noch in der Funktion des Außenministers, sich verstärkt mit Afrika zu befassen, um den Deutschen ihren "Platz an der Sonne" zu sichern. Wie die Bundesrepublik heute so war das Kaiserreich zum Ausgang des 19. Jahrhunderts eine kraftstrotzende Wirtschaftsmacht, deren Politiker sich berufen fühlten, wenigstens gebietsweise die Vormundschaft über das vergleichsweise unterentwickelte Afrika zu übernehmen. Hatte Bismarck im Streit um die Kolonien noch eine Politik deutscher Zurückhaltung betrieben, seine Vormachtansprüche auf Europa beschränkt, so vollzog Bernhard von Bülow als Gefolgsmann Kaiser Wilhelms die Wende zu einem "expansiven Kolonialismus".

Und wie für ihn seinerzeit so scheint jetzt nicht nur für die deutsche Kanzlerin festzustehen, dass die Afrikaner, die man damals noch Neger nannte, nie in der Lage sein werden, ihre Angelegenheiten allein zu regeln. Selbst der Bundespräsident bläst unterdessen nach Kräften in dieses Horn, indem er behauptet, die Welt erwarte von uns, dass wir mehr politische Verantwortung jenseits unserer Grenzen übernehmen.

Ein neuer Umgang mit Afrika

Noch deutlicher wurde einer seiner Amtsvorgänger, der Altbundespräsident Horst Köhler, als er unlängst erklärte, es genüge nicht, den schwarzen Kontinent mit Hilfsgütern und Investitionen großzügig zu unterstützen. Vielmehr müssten wir, die Deutschen, selbst handelnd eingreifen, um den Laden in Schwung zu bringen. Daran, dass wir dazu in der Lage sind, möchte er so wenig zweifeln wie die Bundeskanzlerin, wenn sie nun, so die Formulierung der ZEIT, "einen neuen Umgang mit Afrika" verspricht.

Zwischen ihr und ihrem Außenminister besteht dabei die gleiche Einigkeit wie zwischen dem Kaiser und Bernhard von Bülow ehedem. Beide fühlen sie sich berufen, die Fluchtursachen am Ort ihrer Entstehung, im fernen Afrika, mit deutscher Tatkraft zu bekämpfen. Ob die Afrikaner das selbst so wollen, spielt dabei keine Rolle. Schließlich sprechen unsere wirtschaftlichen Erfolge deutlich genug für die Überlegenheit der Deutschen. Ein Selbstbewusstsein, in dem die Bundeskanzlerin zuerst ihre "Willkommenskultur" samt Flüchtlingskrise vom Zaun gebrochen hat, um nun in einem zweiten Schritt weiter in die Welt auszugreifen.

Dabei wollen wir keineswegs unterstellen, sie handle allein aus wirtschaftlicher Berechnung. Darum war es auch Bernhard von Bülow nicht ausschließlich gegangen. Auch zu seiner Zeit warfen die kolonialen Besitzungen unterm Strich so viel nicht ab. Es genügte vollauf, politisch über sie zu verfügen, um sich eine größere weltpolitische Bedeutung zu geben. Das heißt: Auch Angela Merkles "neuer Umgang mit Afrika" weist nur wieder den Weg in einen expansiven Kolonialismus, wenn auch entsprechend den Bedingungen des 21. Jahrhunderts: ohne Peitsche, doch nicht minder größenwahnsinnig. Abermals wird uns das immer Gleiche vorgeführt: Weil es ihnen zu wohl geht, tanzen die politischen Esel Deutschlands im Vorgefühl ihrer weltpolitischen Kompetenz auf dem Eis, unberührt von den Erfahrungen der Geschichte, von dem Desaster, das andere vor ihnen angerichtet haben. 

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Leserpost

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Klaus Peter / 08.10.2016

Merkel weitet ihren Amtseid jetzt also auf Afrika aus. Gut zu wissen.

Gerhard Huitl / 07.10.2016

Auch aus detaillierten Schilderungen meines Schwagers, eines seit Jahrzehnten in Afrika tätigen Entwicklungshelfers weiß ich, dass Korruption und Vetternwirtschaft die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung und damit auch einen angemessenen Lebensstandard in vielen afrikanischen Staaten entscheidend behindern. Fluchtursachen zu bekämpfen setzt deshalb vor allem auch voraus, den Hebel innerhalb eines Problemfeldes anzusetzen, das von externer Seite, so z. B. von europäischer oder deutscher Politik, so gut wie nicht zu beeinflussen ist.  Die jüngsten negativen Erfahrungen mit dem vergleichsweise fast benachbarten Griechenland sollten gerade unserer Bundeskanzlerin eine Warnung und Lehre sein.

Karla Kuhn / 07.10.2016

Wenn die Sache nicht so traurig und lächerlich wäre, müßte man sich biegen vor lachen. Zum Glück würzen Sie den Artikel mit viel Humor, Herr Rietzschel. Tja, wie Emanuel Geibel schon geschrieben hat, am deutschen Wesen, soll die ganze Welt genesen.  Dieser Spruch ist aktueller denn je. Merkt diese Frau nicht, was sie anrichtet ? Wie dem auch sei, ich kann bloß noch den Kopf schütteln. Glaubt Frau Merkel allen Ernstes, daß die Afrikaner durch ihre Aktion nicht auf “Reisen gehen” um ins “Schlaraffenland” Deutschland zu kommen. Die armen Kerle glauben tatsächlich, daß bei uns Milch und Honig fließen. Warum geht Frau Merkel nicht gleich nach Afrika ? Dort wird sie bestimmt frenetisch gefeiert und in einer Sänfte durchs Land getragen (Volker Pispers) und sie ist endlich das böse deutsche Volk los, was ihre (Un) taten gar nicht zu würdigen weiß. Aber es besteht auch die Hoffnung, daß das Eis vorher noch einbricht. Die alten Sprichwörter basieren auf Erfahrung.

Jürgen Seeger / 07.10.2016

Dass sich Merkel jetzt auch noch um Afrika kümmern will, ist wahrhaftig keine gute Nachricht für die Afrikaner.

Hubert Bauer / 07.10.2016

Wie will man von Europa aus Afrika helfen? Die Grundprobleme von Afrika sind Bevölkerungsexplosion, religiöser Extremismus, Bildungsresistenz und nicht aufgearbeitete Konflikte aus der Vergangenheit. Wie verhalten sich die afrikanischen “Flüchtlinge” bei uns? Sie bekommen deutlich mehr Kinder als die einheimische Bevölkerung; zumindest sehe ich junge Afrikanerinnen nie ohne Kinder und Babybauch in meiner Stadt. Fast alle muslimischen Afrikanerinnen tragen Kopftuch und Männer freitags auch gerne Kaftan. Ausländer aus Fernost, die in meiner Stadt wohnen haben immer ein Buch dabei; einen Afrikaner (oder Araber) habe ich noch nie mit einem Buch (außer dem Koran) gesehen. Und wie oft hört man von Messerstechereien zwischen Arabern und Afrikanern in Flüchtlingsunterkünften? Wenn es uns nicht mal ansatzweise gelingt bei einer Million Afrikanern in Deutschland die o. g. Grundprobleme in den Griff zu bekommen, wie sollen wir es dann bei 1 Mrd. Afrikanern im fernen Afrika schaffen? Wir müssen weg vom Gießkannenprinzip bei der Entwicklungshilfe. Entwicklungshilfe darf es nur noch gegen Gegenleistung geben (Eindämmung der Bevölkerungsexplosion, Rücknahme von Flüchtlingen, Bekämpfung von religiösen Extremismus, Fortschritte bei Bildung und Gesundheitsvorsorge und friedliche Lösung von ethnischen Konflikten).  Dann wird man Fortschritte sehen wie in China und Südkorea, denn die haben es so gemacht, wie ich es beschrieben habe.

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