Vera Lengsfeld / 20.09.2016 / 17:00 / Foto: uritours / 27 / Seite ausdrucken

Merkels Erklärung zur Unmündigkeit des Volkes

Der Auftritt von Kanzlerin Merkel, bei dem sie zu dem Wahldebakel in Berlin Stellung nahm, wurde von den ihr immer noch treu ergebenen Medien als Fehlereingeständnis verkauft. Wie bei der vorgezogenen Sommerpressekonferenz gab es wieder keine kritischen Fragen. Dabei wären die angebracht gewesen. Merkels Gesichtsausdruck und ihre Gesten erinnerten sehr an den Tag, als sie nach tagelangem Schweigen gezwungen war, zu den Sexübergriffen auf der Kölner Domplatte Stellung zu nehmen. Wie ein trotziges, uneinsichtiges Kind sagt sie widerstrebend Dinge, die ihr nahegelegt wurden. Gleichzeitig lässt ihre abwehrende Haltung, ihre gequälte Mimik und die Wortwahl erkennen, dass sie fern von jeder Einsicht in ihre Fehler ist.

Das Fehlereingeständnis war reine Rhetorik und wurde immer sofort relativiert. Ein Beispiel: Sie habe Fehler gemacht, weil sie sich zu lange auf das Dublin-Verfahren verlassen hätte. Botschaft: Eigentlich ist das Dublin-Verfahren schuld an dem, was schief gelaufen ist, sie ist nur ein Opfer. Natürlich ist keine  Rede davon, dass ihre Regierung das Dublin-Abkommen zu Makulatur gemacht hat, indem es von Deutschland vielfach gebrochen wurde.

Dann möchte sie die Zeit „um viele, viele Jahre“ zurückspulen, um sie besser für die Vorbereitung auf das Jahr 2015 nutzen zu können. Kein Wort zu ihrem Alleingang, die Grenzen unkontrolliert für alle zu öffnen und damit eine geordnete Einwanderungspolitik für Europa unmöglich zu machen. Der Kernsatz ist aber, dass dem Volk „Richtung, Ziel und Grundüberzeugungen“ ihrer Flüchtlingspolitik „nicht ausreichend klar geworden“ sei. Da würde sie, versprach sie gnädig, gerne nachbessern. Wir dürfen gespannt sein, denn bisher waren weder Richtung, noch Ziel oder gar Grundüberzeugungen auch nur ansatzweise zu erkennen.

Hier wird allen Bürgern ihr Urteilsvermögen abgesprochen

Nach dem Zuckerl fürs blöde Volk kam gleich darauf die Peitsche für alle, die meinen, die Kanzlerin trüge Verantwortung für die Fehlentwicklungen der letzten Jahre und sich erdreisten, ihren Rücktritt zu fordern. Sie habe sich sagen lassen „wir lebten in postfaktischen Zeiten“ und die Menschen interessierten sich nicht mehr für Fakten, sondern sie folgten vor allem ihren Gefühlen“.

Hier wird allen Bürgern ihr Urteilsvermögen abgesprochen. Sie werden von ihrer obersten Volksvertreterin zu gefühlsgesteuerten Unmündigen erklärt. Dabei sind es gerade die Fakten, die den Menschen zu schaffen machen: Sexuelle Übergriffe, Massenschlägereien, Messerstechereien, Überfälle auf Rettungskräfte, Feuerwehr, Polizisten, überforderte Ämter, die ihren eigentlichen Aufgaben kaum noch nachkommen können, sind seit einem Jahr Alltag geworden und haben Deutschland in der Tat grundlegend verändert. Von der gewachsenen Terrorgefahr ganz zu schweigen.

Die Kanzlerin ignoriert all das und sagt stattdessen : „Es wäre unlogisch, dies mit Fakten zu kontern.“ Warum das denn? Genau das wäre jetzt das einzig Richtige gewesen: Fakten zu nennen, an Hand derer die falschen Gefühle der Bevölkerung korrigiert werden könnten. Aber solche Fakten gibt es offensichtlich nicht. Sie behauptet, dass sie „sofort in der Lage wäre, das herunterbeten zu können.“ Das Wort Herunterbeten, was immer eine Abwertung bedeutet, zeigt, welche innere Distanz sie zu dem hat, was sie vom Blatt abliest.

Nein, wir wollen ganz bestimmt keine Kanzlerin, die irgend etwas herunterbetet, sondern eine, die klare Fakten benennt, die ihre Politik stützen. Solche Fakten gibt es nicht. Im Gegenteil. Dank größtem Einsatz der Zivilgesellschaft konnte zwar verhindert werden, dass aus dem unkontrollierten Einwanderungschaos eine Katastrophe wurde, das ist aber nicht dank, sondern trotz Merkels Politik geschafft worden.

Zugeben, was nicht mehr zu leugnen ist

Nach über einem Jahr wissen wir immer noch nicht, wie viele und wer zu uns gekommen ist. Die Mehrheit der Einwanderer sitzt in Massenquartieren, ohne Perspektive. Täglich werden neue Einzelheiten über gefälschte Pässe bekannt, über Mehrfachregistrierungen, über Flüchtlinge, die eine Arbeit verweigern, weil sie „Merkels Gäste“ seien, oder die sich betrogen sehen, weil die Versprechungen, die in der Folge von Merkels Grenzöffnungsbeschluss als Lockmittel kursierten, nicht erfüllt werden.

Was am Anfang vehement abgestritten wurde, dass auch Terroristen über die unkontrollierten Grenzen kommen, muss nun zugegeben werden, wenn auch zögerlich. In diesem Zusammenhang könnte man Gänsehaut bekommen, wenn man an Merkels Vorschlag denkt, Einwanderern den Zugang zu LKWs zu erleichtern, indem man Kredite ausreicht für den Erhalt einer Fahrerlaubnis. Wenn man zynisch wäre, könnte man fragen: Will sie viele Nizzas?

Weil die Fakten gegen sie sprechen, flüchtet sich Merkel lieber in Gefühle, besser gesagt in ein „absolut sicheres Gefühl“, dass „wir“ aus der gegenwärtigen Situation „besser herauskommen, als wir reingekommen sind“. Einen Hinweis, worauf sich dieses Gefühl gründet gibt es natürlich nicht. Dafür kommt die finale Moralkeule: „Deutschland wird sich verändern, so wie wir uns verändern, wenn wir nicht gerade aus Stein sind“, aber das Land  wäre „in seinen Grundfesten nicht zu erschüttern“. Das erinnert fatal an Bürgermeister Nettelbeck aus Kolberg: „Unsere Mauern brechen, aber unsere Herzen nicht“.

Was die Kanzlerin mit ihrer Rede geboten hat, ist Gesundbeterei und Täuschung der Öffentlichkeit. Warum bloß glaubt sie, wir würden das nicht bemerken?

Zuerst erschienen auf: Freedom is not free

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Leserpost

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J. Diel / 22.09.2016

Diese zutreffende Analyse möchte ich um einen Aspekt ergänzen: Wer ist denn gemeint, wenn Frau Merkel von “Wir” spricht? Etwa Frau Dr. Merkel und Herr Prof. Dr. Sauer, die Bundesregierung oder das deutsche Volk? Ich fürchte: Letzteres. Und genau diese Vereinnahmung ist unzulässig: Ich entscheide für mich, um was oder wen ich mich kümmere, nicht Frau Merkel. Ich meine, dass niemand Entscheidungen treffen darf, die alle Anderen ohne gesetzliche Grundlage in Kollektivhaftung nehmen. Ich habe andere Prioritäten, als mich um Frau Merkels Besuch zu kümmern. Leider werden mich die Folgen dieses gesetzwidrigen Zustandes aber, wie alle Bürger, auch ohne meine Zustimmung treffen.

Dr. W. Rösner / 22.09.2016

Teils sehr treffend. In einem Punkt muss jedoch korrigiert werden. Frau Lengsfeld schreibt: “..denn bisher waren weder Richtung, noch Ziel oder gar Grundüberzeugungen auch nur ansatzweise zu erkennen.” - Das ist ein gefährlicher Irrtum. Die Grundüberzeugung hat AM mehrmals klar zu verstehen gegeben: Auflösung der Nationalstaaten - Konzept (von Obama bestätigt): die Welt ist so vernetzt, dass isolierte Lösungen nicht mehr möglich sind. In der konsequenten Erweiterung: Wir brauchen eine Weltregierung. Das ist die Grundüberzeugung und dafür wird Merkel auch geschützt und an der Macht gehalten. Logisch, dass man in solch einer Welt alle Hilfesuchenden ins Land lassen muß - isolierte Lösungen sind ja nicht möglich. Wir dürfen uns nicht eine Insel des Wohlstands schaffen. Das wäre gegen die Internationale (!). Insofern war Merkel auf diese Aufgabe, die ihr heute zugedacht wird, in ihrem Werdegang bestens vorbereitet…

Walter Flanz / 21.09.2016

Schon etwas älter , aber aktueller den je : “Es ist dem Untertanen untersagt,den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen!” Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg

Sabine Bauer / 21.09.2016

Frau Lengsfeld, wieder eine treffliche Textanalyse, die Sie da geschaffen haben, danke. Ein Wort würde ich hinzufügen, bzw. unterstreichen: Überheblichkeit! Schon oft empfand ich - um postfaktisch zu sprechen - Reden von A. Merkel als Beleidigung. Beleidigung meiner Vernunftbegabung, meines angeeigneten politischen Wissens, meiner Urteilsfähigkeit. Sie informiert nicht, liefert nur kurze, nichtssagende Statements, die viel Luft für Interpretationen lassen. Sie will keine Diskussionen, weil sie dem Volk nicht traut, nichts zutraut. Damit ist sie eine Demokratievernichterin.

Monika Medel / 21.09.2016

Ich habe in meinem Umfeld eher einfache Leute, die ihr Leben lang CDU gewählt haben und Frau Merkel für vertrauenswürdig hielten. Obwohl sie wenig Hintergrundwissen haben, sind sie inzwischen sehr irritiert, warten aber sehnlichst auf eine entscheidende Kurskorrektur, auf ein Erwachen aus diesem Albtraum. Nun endlich die Freudenbotschaft: “Sie hat Fehler zugegeben!” Daraufhin Lektüre der eisern hinter Merkel stehenden Regionalzeitung - verstörtes Gesicht: “Sie sagt ja gar nicht was sie falsch gemacht hat, sie sagt, es sei alles richtig gewesen, sie hätte es uns nur nicht richtig erklärt, die hält uns für dumm!” -Besonders letzteres saß. Man verzeiht anderen Menschen, auch Politikern, Fehler - aber für dumm verkauft zu werden, das geht gar nicht. - Tja, langsam merken es immer mehr.

Michael Scheffler / 21.09.2016

Heute wird schwadoniert, dass sich die Bundesregierung in ihrem Bericht zur deutschen Einheiut Sorgen um die angebliche Fremdenfeindlichkeit im Osten macht. Ganz nebenbei wird dann gesagt, dass Ostdeutschland nach 27 Jahren immer noch weit hinter dem Westen her hängt. Könnte es sein, dass einerseits das eine mit dem anderen zu tun hat und zum anderen Westkommunen wie Diusburg und Frankfurt als warnendes Beispiel für Ostdeutsche dastehen?

David Sohn / 21.09.2016

Leider sind die deutschen Bürger in grossen Umfang Lämmer (s.a. Prof. Mausfeld). Wenn ca 80% immer noch Parteien wählen, welche dann eine mathematisch mögliche Koalition bilden und in gleichem Stiel wie bisher weitermachen, dann ist keine wirkliche Änderung in Sicht.

Annett Schüler / 21.09.2016

Liebe Frau Lengsfeld, danke, dass Sie so treffend formuliert haben, was tausende empfinden. Das zeigt mir, dass ich in meiner Wahrnehmung nicht allein bin. Die Ankündigung, Deutschland wird sich verändern, klingt angesichts der bereits vorhandenen Probleme in der Migrantenkrise wie eine Drohung Merkels. Die Veränderung hat schon stattgefunden und wird sich weiter vollziehen. Die Frage ist nur, wie weit der bereits entstandene Schaden noch eingegrenzt werden kann. Von Merkel kann man hier keine Lösung erwarten. Die Verantwortung hat nun der Wähler.

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