Merkels Abendmahl

Ein Foto, das vom Bundes-Presseamt zum G7-Gipfel in Kanada verbreitet wurde, machte innerhalb kürzester Zeit im Netz Karriere. „Das Bild, das bleibt“ schreibt Spiegel-Online. „Die Kanzlerin scheint engagiert für ihre Sache zu kämpfen. Neben ihr stehen der japanische Präsident Shinzō Abe und Emmanuel Macron. "Donald Trump wirkt in diesem Moment wie ein trotziges Kind,“ analysiert „meedia“. Die Erwartungshaltung der deutschen Medien und der Kanzlerinnen-Darstellungs-Auftrag von Regierungssprecher Steffen Seibert trafen trefflich aufeinander. Das Bild von der couragierten Kanzlerin, die dem Mann im Weißen Haus scheinbar mal kräftig Bescheid gibt, ging um die Welt. Mit der Realität der tatsächlichen Situation hat es aber wenig zu tun. Wer die Gegenschüsse und Totalen der Situation vergleicht, stellt schnell fest, dass sich Trump in diesem Moment nicht mit Merkel auseinandersetzt, sondern dass seine Aufmerksamkeit auf Emmanuel Macron und Theresa May gerichtet ist, die links verdeckt im Bild stehen.  

„Das Foto ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass es gerade bei visuellen Darstellungen auf die Perspektive ankommt. Denn von den Minuten der intensiven Verhandlungen zwischen den mächtigsten Politikern der Welt gibt es unterschiedliche Fotodokumente – die jeweils eine andere (Bild)-Geschichte erzählen“, schreibt Meedia. Praktisch jede Pressestelle der vertretenen Politiker sucht eine spezielle Perspektive des Geschehens, um die Verdienste ihres jeweiligen Herren oder ihrer Herrin als möglichst entschlossen ins Bild zu setzen. Diese erzählen jeweils andere Geschichten – aus den Sichten von Trump, Trudeau, Abe und Macron. Ein wirklich interessantes Dokument sind nur alle Bilder zusammen, weil sie den politischen Kampf um die Hoheit über die Bilder so wunderbar offenlegen. Die Kraft der Situation entsteht im übrigen auch daraus, dass die um den Tisch versammelte Runde ikonografisch an Leonardos berühmtes Abendmahl erinnert. Der Tisch und die versammelten Jünger, die Gestik und die Gesprächssituationen weisen frappierende Parallelen auf. 

Das von der Bundesregierung verbreitete Bild wird mehr für das heimische Image der Kanzlerin tun, als es hundert Reden könnten. Die Frage ist allerdings, ob dieser propagandistische Coup auch klug ist. Ich zweifle die spezielle Runde der Staatsfrauen und -männer um Trump herum nicht an. Die abgebildete Versammlung war sicher so engagiert beieinander, und sie wollten ganz sicher Mr. Trump überzeugen. Faktisch eine starke Mannschaft, die es braucht, um den einen Mann zu verklügern.

Das Resultat ist bekannt. Der US-Präsident war bereit, die G7-Erklärung unterzeichnen zu lassen. Die Mannschaft hatte tatsächlich was erreicht. Die Erklärung war in Sack und Tüten, Trump konnte nach Singapur fliegen, um sein Wunder mit Kim zu zelebrieren, und alles war gut. Aber Halt! Der zur berechenbaren Riege der Guten gehörende Justin Trudeau legte dem davonfliegenden unberechenbaren Beelzebub ein schwefliges eitles Ei ins Nest. 

Statt den Erfolg mit Trump anzunehmen und sich der Erklärung zu erfreuen, machte Justin ohne Not auf High noon und baute sich zu Goliath auf, riss die gute Stimmung weg und drohte dem Cowboy aus USA. Dummerweise las der auch im Flugzeug die Nachrichten und kam sich sofort veräppelt vor. Was ihm nicht zu verdenken ist.

Trump flog im Hochgefühl einer mit ihm geglückten G7-Erklärung zum nordkoreanischen Gewaltherrscher und musste kurz nach dem Start im Flugzeug lesen, dass Trudeau ihn hinterrücks liliputaniserte. Was würde wohl Kim davon halten? Der Wert Trumps als gewaltiger Sparringspartner in Singapur fiel aus Sicht Trumps gegen Null. Umzukehren war dieser Effekt nur mit einer Ohrfeige für Trudeau und dessen Formulierungspolitikerkollegen der G6. Sowas kommt von sowas.

Es war Trudeau, der nicht bis drei zählte, und der damit das Scheitern der G7-Erklärung verursachte. Trump musste doch unbedingt als Siegertyp in Singapur landen. Trudeau sah das nicht voraus und nun sitzen die Trump-Bekehrer des Bundespresseamts als unglücklicher Hühnerhaufen allein zu Hause herum. 

Und was machen sie? Natürlich wieder das Falsche: Trump ist böse, unberechenbar und überhaupt. Und wie beweisen sie das? Fotomontagenhaft. Auf dem Foto muss sich Trump scheinbar von Merkel Vorhaltungen machen lassen. So war es aber nicht. Ich will nicht behaupten, dass das Bundespresseamt lügt. Aber die Wahrheit verbreitet es auch nicht. Solche fake-ähnlichen Darstellungen sind nicht nur weltpolitisch alles andere als klug. Der US-Präsident wird sich mit seinem Elefantengedächtnis auch das merke(l)n. Die Bundeskanzlerin wird nun noch mehr schwimmen müssen. Wetten?

Zur Frage, wer ist berechenbar und wer unberechenbar? Ist Trump, der tut, was er sagt, tatsächlich unberechenbar, und sind seine Salonpolitikerkollegen der G6, die gestern anders reden als sie es heute tun, tatsächlich berechenbar? Beide sind berechenbar. Im Fall von Trump sollten wir ihm gut zuhören, und wir wissen sofort, was durch ihn und mit ihm geschieht, die pessimistische Variante ist wahrscheinlich. Bei seinen moralisch höher festgeschraubten Kollegen sollten wir frohgemut und optimistisch auf das Gegenteil ihrer Worte setzen. Das ist in gewisser Weise auch berechenbar. 

Foto: German Federal Government

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Armin Hoffmann / 11.06.2018

Ach, Frau M. ... wie unsachlich sie die Lage einschätzt, ob den geschäftlich erfahrenen Präsidenten der USA, die Skripal-Mär, das Wir-Schaffen-Das-Epos, ... es wird sich an angeblichen russischen Bedrohungen des Baltikums gleichermaßen ergötzt, wie an Doping-Geschichtchen, ... ... die Opfer des Weinacht-Anschlages in Berlin werden dabei schnell vergessen, Kirchentags-Trullala bestimmt das Handeln, das alles in einem grün-blau schillerndem Schwarm selbsternannter Ostexperten und Rußland-Kenner ... ... das ist alles recht fürchterlich ... THE TORTURE NEVER STOPS

Manfred Gimmler / 11.06.2018

Merkel soll doch einfach abtreten. Ihr politischer Random Walk ist dann bloß noch eine Privatangelegenheit ohne schädliche Konsequenzen für Land und Leute. Zudem hätte sie endlich hinreichend Zeit für ihre Maniküre – sie könnte weiterhin gefühllos an ihren Fingernägeln kauen. Was bitteschön soll man denn sonst noch über diese ignorante Irrfahrerin und ihre entmannten Erfüllungsgehilfen schreiben.

beat schaller / 11.06.2018

Wir wollen ja nun mal sehen, wie das ausgeht. Wenn das hart auf hart geht, dann ist der Fall doch klar. Im übrigen hat Trump das einzig Richtige gefordert, nämlich dass Putin mit seinem grossen Land an diesen G7 Tisch zurückkehren sollte. Diplomatie funktioniert nicht mit Ausschluss und Putin ist gewählt. Die Europäer sollten die Hausaufgaben machen und offen darüber komunizieren was Herr Sinn auch schon öffentlich bestätigte. Der Protektionismus ist   von Deutschland der EU selbst gemacht und Trump wäre ja bereit, alle Hemmnisse abzubauen. Aber eben, wie soll man denn Politiker ernst nehmen, die einen gewählten Präsidenten der USA aus der untersten Schublade heraus beschimpfen und bekämpfen. Das sind die Ausserungen der EU und auch gerade von Deutscher Seite gegenüber Trump für die ich mich nur schämen könnte. Demokratie fordern und Diktatur leben = Merkel und Co. b.schaller

Rolf Lindner / 11.06.2018

Kanada hat ja schon vor Deutschland die medizinische Diagnose der Sexualentwicklungsstörung zu einem sogenannten dritten Geschlecht erhoben. England ist dabei, sich dem Islam auszuliefern. In Frankreich träumt jemand von der Frankoisierung Europas. In Italien geht’s wie seit Jahrzehnten drunter und drüber und in Deutschland wurde das Volk mit der Rechtspopulistenparanoia infiziert, um eine mittelalterliche Pseudoreligion willkommen zu heißen. Und diese Chaotentruppe will der USA Paroli bieten?

Wieland Schmied / 11.06.2018

“Wer die Gegenschüsse und Totalen der Situation vergleicht, stellt schnell fest, dass sich Trump in diesem Moment nicht mit Merkel auseinandersetzt, sondern dass seine Aufmerksamkeit auf Emmanuel Macron und Theresa May gerichtet ist, die links verdeckt im Bild stehen.” So ist es bei genauem Hinsehen schon hier erkennbar, Präsident Trump und auch der japanische MP Abe sowie die Herren um ihn herum lauschen dem, was Macron Herrn Trump gerade zu sagen scheint. Merkel mag ja gerade auch dazwischenreden (in welcher Sprache eigentlich, sie beherrscht ja gar keine?), interessiertes Gehör findet sie aber offensichtlich bei keinem einzigen der Anwesenden. Die Regierungspresse macht hier natürlich wieder einer Jungfrau ein Kind. Merkel ist real bei den G-Siebenern ganz offensichtlich eine NIP - Not Important Person, deren Absenz wohl niemandem so richtig auffiele. Anders gewichtet wird von dem einen oder anderen wohl eher das Fehlen Präsident Putins. Das ist zwar nicht alles gut für unser Land, aber gut für die Welt und erst recht für das ‘Klima’ zwischen den noch federführenden Wirtschaftsmächten.

Wilfried Paffendorf / 11.06.2018

Meine erste Assoziation beim Betrachten des Fotos war: Foto aus dem Lagenbesprechungsraum im Führerhauptquartier. Die Ähnlichkeit mit bekannten Fotos vom “Führer” während seiner Lagebesprechungen ist frappierend: der “Führer”, flankiert von seiner Entourage, die Hände auf den Tisch gestützt, auf dem eine Karte ausgebreitet ist, erklärt Lage und Marschrichtung.

Fanny Brömmer / 11.06.2018

“Das Bild von der couragierten Kanzlerin, die dem Mann im Weißen Haus scheinbar mal kräftig Bescheid gibt, ging um die Welt.” Ich weiß wirklich nicht, wie jemand auf so eine Interpretation kommen kann. Das Bild zeigt eine höfische Szene. Der Herrscher, Machthaber, Boss,” König”, sitzt, wie es sich für denjenigen gehört, der das Sagen hat. Um ihn herum stehen seine Subalternen, die meisten leicht gebeugt, mit respektvollem Abstand. Dieses Bild offenbart die wahren Machtverhältnisse auf wirklich frappierende Weise. Dass das Bundespresseamt ausgerechnet diese im Bild festgehaltene Unterlegenheit Merkels und der anderen EU - Schranzen als Sieg über Trump zu verkaufen versucht, hat schon Goebbels’sche Qualität.

Sebastian Weber / 11.06.2018

Oberflächlich betrachtet könnte der Eindruck entstehen, dass Merkel den US-Präsidenten unter Druck setzt und er, bockig wie ein Kind, auf Durchzug schaltet. Schaut man sich das Bild jedoch nur ein kleines bisschen genauer an, dann erkennt man recht schnell, dass Merkel darin nur ein Statistenrolle spielt. Auch wenn sie im Licht steht und der Autofokus auf sie gelegt wurde, Trump beachtet sie nicht mal. Er blickt, genau wie Abe, zu Macron. Das Bild erinnert mich an die unzähligen “Beweisfoto”, die es von UFO’s gibt. Sie sollen nur etwas vorgaukeln, was es, zumindest beim entstehen des Bildes, nicht gab. Ist es bei diesen UFO-Fotos in der Regel die Unschärfe oder das Rauschen des Bildes, dass beim Betrachter die ohnehin schon vorhandenen Zweifel verstärkt, so ist es bei diesem Foto das süffisante Lächeln Trumps. Nicht er ist es, der dort unter Druck steht. Es sind die, die ihm gegenüberstehen. Wie in vielen Bereichen, versucht die deutsche Regierung mal wieder mit Taschenspielertricks die Bevölkerung zu täuschen. Netter Versuch.  

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gunter Weißgerber / 20.04.2024 / 14:00 / 14

Bröckelnde Brandmauern

Reale Brandmauern mögen Schutz bieten, aber eine einseitige politische Brandmauer, die den offenen Diskurs verhindert, schadet der Demokratie und stärkt die Extreme. Wir müssten das…/ mehr

Gunter Weißgerber / 06.02.2024 / 16:00 / 27

Wie der Westen den Ukrainekrieg übersah

Die Ukraine ist Teil unseres Schicksals – und wir haben es vergessen. In seinem Essay „Der Krieg um die Ukraine und der Frieden in Europa“…/ mehr

Gunter Weißgerber / 17.01.2024 / 06:00 / 112

Erst Wärmepumpenzwang, dann Strompreiserhöhung

Die Polit-Transformatoren schaffen Probleme, die es ohne sie nicht geben würde. Jetzt wird der Strom für die verordneten Wärmepumpen teurer. Ein Problem besonders für die,…/ mehr

Gunter Weißgerber / 08.11.2023 / 10:00 / 52

Wäre mit Donald alles anders?

In Zeiten eines eskalierenden Krieges erinnern manche Kommentatoren gern an alte Friedenshoffnungen und Friedenspläne. So auch beim Blick auf den Nahen Osten. Einer der interessantesten…/ mehr

Gunter Weißgerber / 27.10.2023 / 16:00 / 44

Kommt jetzt die Entschuldigungskultur?

Die Folgen der fatalen Zuwanderungspolitik sind selbst von ihren einstigen Befürwortern nicht mehr zu übersehen, und auch das Schönreden fällt immer schwerer. Wer jahrelang "Willkommenskultur"…/ mehr

Gunter Weißgerber / 23.09.2023 / 10:00 / 64

Die EU-Führerschein-Richtlinie als neue Freiheits-Bremse

Der Verkehrsausschuss der EU-Kommission will die Führerscheinrichtline drastisch ändern. Sie nennen es wie immer auf Roßtäuscherart „Reform“. Ich nenne dieses Vorhaben das nächste Kapitel im…/ mehr

Gunter Weißgerber / 15.08.2023 / 16:00 / 11

Schweden muss von der Anti-Ungarn-Obsession abrücken

Beim NATO-Beitritt der Schweden rächt sich jetzt, dass man dort jahrelang eine antiungarische Kampagne laufen ließ, die vor falschen Beschuldigungen und Unterstellungen nur so strotzte.…/ mehr

Gunter Weißgerber / 05.07.2023 / 14:00 / 23

Schröder, Putin und die SPD. Eine Abrechnung (3)

Männerfreundschaft: In der Sauna bewies Schröder Putin, dass er ein echter Kerl ist. Danach interessierten Schröder die autokratischen Prozesse in Russland und Putins Zerschlagung der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com